Fachartikel IT für EVU

Neuer Datahub für die Markt­libera­lisie­rung

Komplexität im Stromsystem reduzieren

07.08.2020

Die Liberalisierung des Strommarkts ermöglicht es Verbrauchern, den Stromlieferanten frei zu wählen. Bei einem Wechsel sind jeweils mehrere Akteure involviert. Der Swisseldex-Datahub verspricht, Wechselprozesse im Schweizer Energiemarkt effizienter zu gestalten. Nach einer erfolgreichen Testphase wurde er Anfang April 2020 in Betrieb genommen.

Seit der Teilliberalisierung des Schweizer Strommarkts im Jahr 2009 können Endverbraucher mit einem Jahresverbrauch ab 100 MWh ihre Stromlieferanten frei wählen und zu anderen Anbietern wechseln. Gemäss Faktenblatt «Änderung Stromversorgungsgesetz (StromVG)» des Bundesamtes für Energie BFE vom 3. April 2020 sollen neu auch Haushalte und kleinere Betriebe in den freien Markt wechseln dürfen. Die Übergangsfrist betrage ein Jahr. Bei einem solchen Wechsel des Energielieferanten sind – bedingt durch das Marktmodell – jeweils mehrere Akteure involviert. Damit diese Wechselprozesse schon jetzt, aber noch wichtiger im vollständig geöffneten Markt reibungslos umgesetzt und Energiedaten einfach ausgetauscht werden können, muss eine adäquate Möglichkeit zur Kommunikation zwischen allen Verteilnetzbetreibern (VNB), Energielieferanten und weiteren Akteuren des Elektrizitätsmarktes aufgebaut werden.

Bereits jetzt nehmen solche Wechselanfragen zu, und in naher Zukunft wird eine weitere Zunahme dieser Prozesse erwartet. Die Energiestrategie 2050 macht es möglich, dass sich mit neuen Eigenverbrauchsgemeinschaften weitere Endverbraucher am freien Markt beteiligen können. Die erwartete flächendeckende Einführung von intelligenten Messsystemen sowie die weitergehende Verpflichtung zu Herkunftsnachweisen wird die Datenmenge erhöhen. Etwas weiter in der Zukunft wird die vollständige Marktliberalisierung erwartet, welche nur mit einer durchdachten Lösung wie dem Datahub bewältigt werden kann (Bild 1). Die Branche hat erkannt, dass dafür die Prozesse und der Datenaustausch generell weiter optimiert und automatisiert werden müssen.

Im genannten Faktenblatt bezieht das BFE klar Position für einen Datahub: Die Anzahl der Teilnehmer und die Komplexität im Stromsystem steigen. Das heutige, durch viele Schnittstellen und Teillösungen geprägte System kann damit längerfristig kaum umgehen. Für eine leistungsfähige Dateninfrastruktur im Strommarkt sollen deshalb eine oder mehrere Plattformen, ein sogenannter Datahub, geschaffen werden. Dieser sorgt dafür, dass Schnittstellen und Komplexität reduziert werden können. Der Datahub unterstützt zudem Prozesseffizienz, Automatisierung und Innovation. Das StromVG solle die Grundfunktionalitäten festlegen, die später erweiterbar sein sollen.

Gründung der Swisseldex

Mit dem Ziel, die Branchenlösung für einen zentralen Energiedatenaustausch und der effizienten Abwicklung sämtlicher Wechselprozesse gemäss SDAT-CH (Standardisierter Datenaustausch für den Strommarkt Schweiz) zu entwickeln, wurde die Swisseldex AG 2018 gegründet. Initiant dazu war der Verein Smart Grid Schweiz (VSGS).

Die Swisseldex ist eine Non-Profit-Aktiengesellschaft und sieht sich als zentrale Datendrehscheibe der Schweizer Elektrizitätsbranche. Die Datenhub-Lösung der Swisseldex wurde von der Branche für die Branche entwickelt und möchte ihre Nutzer durch tiefe Kosten, einfache Bedienung, Einhaltung von höchsten Sicherheitsanforderungen, höchste Verfügbarkeit und Performance und durch ihren hohen Mehrwert begeistern. Gemäss den Statuten hat Swisseldex den diskriminierungsfreien, zuverlässigen und leistungsfähigen Datenaustausch zwischen Versorgungsunternehmen und weiteren Akteuren im Zusammenhang mit den Wechselprozessen sowie die Erbringung damit zusammenhängender Dienstleistungen zum Ziel.

Mit ihren Aktionären und den interessierten Unternehmen (Letter of Intent, LOI unterzeichnet) soll bereits rund die Hälfte der in der Schweiz gemeldeten Messpunkte über die Swisseldex-Lösung abgewickelt werden.

Funktionalitäten des Datahubs

Der Datahub ist eine zentrale Drehscheibe für Wechselprozesse und Routing von Messdaten und E-Invoicing-Nachrichten gemäss SDAT-CH. Für die Nutzer des Datahubs sind unterschiedliche Rollen vorgesehen, beispielsweise Verteilnetzbetreiber und Energielieferanten. Mit der aktuell implementierten Lösung werden auf dem Datahub keine Messdaten gespeichert. Sie werden vom Sender via Datahub zum Empfänger geroutet.

Der Datahub ist in drei Funktionsblöcke gegliedert. Der Funktionsblock Administration enthält primär die Pflege der Marktpartnerdaten. Hier werden die Kommunikationsdaten jedes Marktpartners von ihm selbst, aber zentral, verwaltet. Zudem können die abgewickelten Prozesse und die verwalteten Stammdaten überwacht werden. Dies ist bei Auftreten von Fehlern, z. B. in Folge von Formatfehlern oder bei Konflikten wie widersprüchlichen Prozessschritten, wichtig. Der Funktionsblock Wechselprozesse enthält den Datenaustausch für die Wechselprozesse nach SDAT-CH. Dazu wird im Datahub das Messpunkteregister geführt, welches mittels Shortcuts eine vereinfachte Abwicklung der Wechselprozesse ermöglicht. Der Funktionsblock Routing empfängt die SDAT-Nachrichten zum Messdatenaustausch oder zu den E-Invoicing-Nachrichten und leitet diese zum Empfänger weiter. Der Nutzer des Datahubs muss daher nicht mehr die Kommunikationsdaten all seiner Marktpartner selbst nachführen. Jeder Nutzer führt lediglich seine eigenen Kommunikationsdaten nach, und diese können in der Folge von allen anderen Marktpartnern genutzt werden. Sämtliche Prozesse sind vollständig automatisiert.

Zusätzlich zu den Datenkanälen gemäss den Vorgaben von SDAT-CH stellt der Datahub ein Web Interface zur Verfügung. Über dieses Interface können Nachrichten zur Durchführung der Wechselprozesse und zur Pflege der Marktpartnerdaten manuell erfasst und über den Datahub im korrekten Format versendet werden. Dieses Interface ist insbesondere für kleinere Marktakteure interessant. Es erlaubt die Abwicklung der Wechselprozesse, ohne dass dazu eine eigene Automatisierung aufgebaut werden muss. Das Web Interface kann auch als Übergangslösung genutzt werden. Der Nutzer kann pro SDAT-Prozess wählen, ob er diese über das Web Interface des Datahubs abwickeln oder ob er eine Automatisierung in seinem eigenen System nutzen will.

Der Datahub führt ein Messpunkteregister, in dem abgebildet ist, welche Akteure dem Messpunkt zugeordnet sind, beispielsweise welcher Energielieferant den Messpunkt beliefert. Mit den Wechselprozessen gemäss SDAT-CH können Wechsel von Energielieferanten und Mietern geplant werden. Die ganze Planung, aber auch die Historie, werden auf dem Messpunkt abgebildet. Diese Daten sind sensibel. Sie werden in einer Art und Weise verschlüsselt abgelegt, dass nur zugeteilte Akteure wie VNB oder zugeteilte Lieferanten und nur für den relevanten Zeitabschnitt Zugang zu den Daten haben. Der Nutzer des Datahubs kann einzelne Wechselprozesse bei Bedarf mittels Shortcuts vereinfacht abwickeln (Bild 2).

Das Messpunkteregister und die Möglichkeit der Shortcuts unterscheiden den Swisseldex (Datahub Light) von anderen Routing- oder Kommunikationslösungen der Schweizer Elektrizitätsbranche. Bei Bedarf ist ein Ausbau auf einen Messdatenhub (Datahub Full) möglich.

Höchste Sicherheit, Verfügbarkeit und Performance

Der Entwicklung des Datahubs liegt ein anspruchsvolles Sicherheitskonzept und Risikomanagement zu Grunde. So sind zum Beispiel sämtliche vom Datahub gespeicherten Daten nur dem jeweiligen Nutzer über eine Zweiwegauthentifizierung zugänglich. Zudem kann der Betreiber des Datahubs die gespeicherten und gerouteten Daten nicht einsehen, diese sind für ihn im Normalbetrieb immer verschlüsselt.

Durch die Georedundanz mit zwei örtlich getrennten Rechenzentren in der Schweiz als Standorte für die Datenhaltung ist ein redundanter Betrieb möglich, der es erlaubt, beim Ausfall eines Rechenzentrums zeitnah auf das andere umzuschalten. Die Verfügbarkeit des Datahubs ist dadurch sehr hoch und gewährleistet stets einen 24-Stunden-/7-Tagesbetrieb. Das System ist für den Datenaustausch sämtlicher Messpunkte in der Schweiz ausgelegt.

Durch die Compass Security Schweiz AG wurden Penetrationstests und Security Reviews durchgeführt, um die IT-Sicherheit in Bezug auf Hacking-Attacken zu beurteilen sowie geeignete Massnahmen zur Verbesserung des Schutzes aufzuzeigen. Um den sich ständig ändernden Risiken gerecht zu werden, ist geplant, diese Tests jährlich oder nach Bedarf durchzuführen.

Entwickelt wurde der Datahub von der Super Computing Systems AG (SCS). Da das Team von über 120 Experten ein breites Spektrum an Technologien abdeckt – Softwareapplikationen, Cloudlösungen, IoT-Systeme, AI/VR/AR-Lösungen, aber auch Hardware-, FPGA- und GPU-Systeme –, konnte es einen Datahub entwickeln, dem die neuste und sicherste Technologie zu Grunde liegt. SCS ist zudem für den Betrieb des Datahub zuständig. Dadurch wurde bereits die Entwicklung von SCS auf einen effizienten Betriebsablauf ausgelegt. Nutzer werden somit kompetent betreut.

Inbetriebnahme

Nach einer ausgiebigen und erfolgreichen Testphase mit der Anbindung der Aktionäre und einzelner Nutzer wurde der Datahub Anfang April 2020 in Betrieb genommen. Er steht künftigen Aktionären und Nutzern in der ganzen Schweiz per sofort zur Verfügung. Aktuell werden schrittweise die Aktionäre der Swisseldex AG, ihre Kommunikationspartner, von ihnen betreute Partner, zentrale Akteure wie Swissgrid oder Pronovo und deren Kommunikationsverbindungen im Datahub angelegt. Weitere interessierte Akteure sind auf dem Datahub stets willkommen. Die Registrierung ist einfach: Ein Video auf www.swisseldex.ch erläutert das Vorgehen. Der Non-Profit-Ansatz führt dazu, dass mit weiteren Nutzern Synergien entstehen und die Kosten pro Messpunkt kontinuierlich sinken werden.

Autor
Daniel Beeler

ist Mitglied des Verwaltungsrats.

  • Swisseldex AG, 3011 Bern
Autor
Maurus Bachmann

ist CEO von Swisseldex.

  • Swisseldex AG, 3011 Bern

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