Fachartikel Erneuerbare Energien , Integration ins Netz

Limitierung als Lösung?

PV-Einspeiseleistung

29.09.2020

PV-Anlagen speisen typischerweise gleichzeitig ins Netz ein. Obwohl sie die maximale Produktion aber nur über eine kurze Zeitdauer im Jahr erreichen, muss das Verteilnetz auf diese Produktionsspitzen ausgelegt werden. Eine Limitierung der PV-Einspeiseleistung ermöglicht, den kostspieligen Netzausbau zu beschränken und das Fördersystem effizienter zu gestalten.

Um die Ziele der Energiestrategie 2050 zu erreichen, müssen bis 2035 Produktionsanlagen für neue erneuerbare Energien – meist PV-Anlagen – mit einer Produktion von 11,4 TWh [1] gebaut und an das Netz angeschlossen werden. Bis 2050 ist das Ziel die Produktion von über 24 TWh.[2] Eine PV-Anlage produziert an sehr wenigen Stunden im Jahr mit der maximalen Leistung. Das Netz muss dennoch so ausgelegt werden, dass es diese maximale Einspeiseleistung aufnehmen kann. Da das Maximum bei allen PV-Anlagen regional zeitgleich auftritt, werden umfangreiche Netzinvestitionen mit entsprechenden Kosten nötig sein. Messungen an bestehenden Anlagen haben gezeigt, dass die Produktionsmenge bei einer Leistung über 70 % der maximalen PV-Panel-Peak-Leistung über das Jahr bei den meisten Anlagen zwischen 1 und 3 % beträgt, je nach Standort und Ausrichtung der Anlage.[3]

Bei einer Limitierung der Einspeiseleistung (Wirkleistung) benötigt die PV-Produktion ohne signifikanten Produktionsverlust eine wesentlich tiefere Netzkapazität. Bei einer Limitierung der Netzeinspeisung durch Eigenverbrauch entfällt dieser Verlust ganz. Über mehrere Anlagen gesehen lässt sich durch die Limitierung damit wesentlich mehr Energie ins Netz einspeisen.

Bei einer Limitierung der Einspeiseleistung auf 50 % der PV-Panel-Peak-Leistung liegt die Mindereinspeisung ins Netz pro Anlage im Mittel bei etwa 10 %. Zwei derart begrenzte Anlagen generieren somit die gleiche Netzbelastung wie eine Anlage ohne Limitierung. Die Jahresproduktion erhöht sich damit auf 180 % im Vergleich zu einer einzigen Anlage ohne Limitierung.

Die Produktion mit der maximalen PV-Leistung erfolgt zu Zeiten, zu welchen ohnehin meist ein Energieüberschuss besteht. In solchen Situationen werden die Strompreise tief oder gar negativ sein. Fördermodelle wie Abnahmepflichten und Einspeisevergütungen entschädigen die PV-Einspeisung mit einem fixen Ansatz pro produzierte kWh – unabhängig vom effektiven Marktpreis. Durch die Limitierung der PV-Einspeiseleistung lässt sich somit Fördergeld einsparen zugunsten der Förderung zu sinnvolleren Zeiten. Das Fördersystem wird dadurch optimiert.

Die maximale PV-Einspeisung verursacht relevante Netzausbaukosten. Mit dem heutigen Ausspeisemodell werden diese durch die Verbraucher über das Netznutzungsentgelt getragen. Die maximalen Einspeiseleistungen zu Spitzenzeiten im Sommer verursachen somit hohe Netzausbaukosten zulasten der Volkswirtschaft, ohne einen wesentlichen Beitrag zur Zielerreichung der Energiestrategie 2050 zu leisten. Auch hier verhilft die Limitierung der PV-Einspeiseleistung zu einem effizienteren Mitteleinsatz.

Die heutigen Fördermodelle liefern keinen Anreiz, die maximale Einspeiseleistung mittels Eigenverbrauch zu reduzieren. Batteriespeicher sind beim Auftreten des Leistungsmaximums meist bereits geladen. Sie werden geladen, sobald ein Produktionsüberschuss auftritt. Für eine generelle Vorschrift einer Einspeiselimitierung durch den Netzbetreiber fehlt heute die rechtliche Grundlage.

Lösungsvorschlag

Die Netzausbaukosten zur Aufnahme der Leistungsspitzen sind verglichen mit der durch die Spitzen produzierten Energiemenge unverhältnismässig hoch. Aus volkswirtschaftlicher Sicht drängt sich daher eine Limitierung der PV-Einspeiseleistung auf. Durch die Limitierung der Einspeiseleistung der einzelnen Anlagen können bei gleichem Netzausbau mehr PV-Anlagen an das Netz angeschlossen werden. Somit kann eine höhere PV-Produktionsmenge erreicht werden. Damit ist eine Limitierung der PV-Einspeiseleistung nicht nur aus der Sicht der Netzkapazität, sondern auch aus energetischer Sicht für das Gesamtsystem und damit für die ganze Volkswirtschaft sinnvoll.

Um die volle Wirkung zu erzielen und um die Diskriminierungsfreiheit zu gewährleisten, muss diese Massnahme schweizweit für alle Anlagen im Netz gelten. Mit der aktuellen Gesetzeslage ist eine solche Leistungslimitierung aber nicht ohne Weiteres durchsetzbar. Darum muss diese Kompetenz in einer Verordnung oder auf Gesetzesstufe verankert werden.

Limitierungsvarianten

Mit Blick auf die unterschiedlichen Anlagegrössen gibt es für die Umsetzung der PV-Einspeiselimitierung mehrere Varianten:

Statische Begrenzung der PV-Leistung: Die Wechselrichter-Ausgangsleistung wird unabhängig vom gleichzeitigen Strombedarf im Haus und unabhängig vom aktuellen Netzzustand auf einen maximalen Wert begrenzt (Abschnitt a) beim untenstehenden Bild). Die abgeregelte kleine Energiemenge ist damit nicht verwertbar. Diese statische Begrenzung ist technisch einfach durch eine fixe Parametrierung der Wechselrichter realisierbar. Eine solche Vorschrift besteht in Deutschland bereits. Darum ist die notwendige Funktionalität bei den meisten Wechselrichtern bereits vorhanden. Der Aufwand des Installateurs zur korrekten Parametrierung des Wechselrichters ist minimal.

Begrenzung der Netzeinspeisung: Die Wechselrichter-Ausgangsleistung wird zur Limitierung auf die maximale Einspeiseleistung dynamisch begrenzt (Abschnitt b) beim untenstehenden Bild). Statt die Leistung des Wechselrichters auf einen festgelegten Maximalwert zu begrenzen, kann sie durch sinnvolle Massnahmen wie Eigenverbrauch oder Laden einer Batterie oder eines Wärmespeichers beeinflusst werden. Damit kann der ohnehin kleine Energieverlust der statischen Begrenzung vermieden werden. Die Limitierung der Netzeinspeisung liefert so auch den Anreiz, den Eigenverbrauch auf die Begrenzung der Einspeiseleistung auszurichten. Die dynamische Begrenzung der Netz­einspeisung benötigt im Vergleich zur statischen Wechselrichter-Begrenzung mehr Intelligenz im Haus. Die Regelung ist jedoch lokal umsetzbar. Sie basiert nur auf dem lokal vorhandenen Messwert der Netzeinspeisung. Die meisten Wechselrichter, neue intelligente Mess- und Steuersysteme oder Smart-Home-Systeme unterstützen diese Funktionalität bereits.

Abregelung abhängig vom Netzzustand: Die PV-Leistung wird in Abhängigkeit des aktuellen Netzzustands geregelt (Abschnitt c) beim untenstehenden Bild). Bei grosser Netzbelastung, beispielsweise bei hoher Spannung oder bei hoher Einspeiseleistung in das Netz, wird die Produktionsleistung auf Anfor-derung des Netzbetreibers reduziert. Solange das Netz nicht an seine Grenzen stösst, kann die volle Leistung eingespeist werden. Für diese Limitierungsart braucht es eine Überwachung der Netzbelastung und eine Steuermöglichkeit in Echtzeit mit entsprechender Messeinrichtung an verschiedenen Knotenpunkten im Netz, dezentraler Regeltechnik und Kommunikationstechnik zur Ansteuerung der einzelnen PV-Anlagen. Dies ist wesentlich aufwendiger als die lokale – statische oder dynamische – Begrenzung der Einspeiseleistung. Die Abregelung abhängig vom Netzzustand kommt daher nur bei grossen PV-Anlagen in Betracht.

Empfehlung Werkvorschrift

Der Netzbetreiber ist verantwortlich für ein sicheres und effizientes Netz. Mit den aufkommenden Herausforderungen wie der Aufnahme einer hohen PV-Einspeiseleistung müssen neue Möglichkeiten zur Netzoptimierung geprüft und genutzt werden. Die Limitierung der Einspeiseleistung von PV-Anlagen ist sowohl aus volkswirtschaftlicher als auch aus energiepolitischer Sicht eine sinnvolle Massnahme. Der Netzbetreiber sollte daher die Möglichkeit der Limitierung der PV-Einspeiseleistung als Anschlussbedingung in die Werkvorschriften aufnehmen. Dadurch lässt sich eine diskriminierungsfreie Umsetzung mit flächendeckender Wirkung erreichen. Die vorgestellten Varianten der Limitierung ergeben aufgrund ihrer unterschiedlichen Kosten für unterschiedliche Anlagegrössen die jeweils optimale Lösung.

Eine mögliche Formulierung für diese Vorschrift lautet:

  • Für alle PV-Anlagen gilt die statische Limitierung der Leistung der Wechselrichter auf 70 % der PV-Panel-Peak-Leistung.
  • Die Betreiber von PV-Anlagen können alternativ zum ersten Punkt die (dynamische) Limitierung der Netz-Einspeiseleistung auf eigene Kosten umsetzen. Durch Eigenverbrauch kann dann der Energieverlust vermieden werden.
  • Bei grossen Anlagen (>250  kVA) kann als weitere Alternative auch eine Abregelung in Abhängigkeit von der Netzsituation vereinbart werden. Voraussetzung dafür ist, dass im entsprechenden Netz eine Netzregelung auf Basis von lokalen Messwerten installiert ist. Dies ist wiederum abhängig von der Netzsituation und der Beurteilung der Sinnhaftigkeit einer Netzregelung im entsprechenden Netz durch den Netzbetreiber. Der Anlagenbetreiber hat sich auf jeden Fall an den Kosten für die Einrichtung einer netzbedingten Abregelung als Alternative zu den fixen Begrenzungen zu beteiligen.


Mit dieser Vorschrift kann der Netzbetreiber das Verteilnetz mit Berücksichtigung der vorgeschriebenen Limitierung dimensionieren. Die PV-Einspeiselimitierung ist damit eine Anschlussbedingung und keine gesteuerte Flexibilität im Sinne von StromVV Art. 8c. Für die Nicht-Produktion von Strom und die Nicht-Verursachung von Kosten für Netzausbauten wird keine Vergütung bezahlt. Der Netzbetreiber wird sicherstellen, dass die Vorschriften für PV-Anlagen eingehalten werden und die Limitierung somit funktionstüchtig umgesetzt wird. Dies ist in Zukunft mit Hilfe der intelligenten Messsysteme möglich.

Anpassung gesetzlicher Grundlagen

Zur Umsetzung der Einspeiselimitierung könnte beispielsweise das EnG Art. 15 wie folgt mit einem Absatz 5 ergänzt werden:

«Netzbetreiber können zur Wahrung eines sicheren und effizienten Netzes die Limitierung der Einspeise-Wirkleistung auf maximal 70 % der PV-Panel-Peak-Leistung entschädigungslos vorschreiben. Eine solche Limitierung hat diskriminierungsfrei zu erfolgen.»

Auf die Entschädigung der dadurch nicht produzierten respektive nicht ins Netz eingespeisten Energie soll verzichtet werden. Sie wirft schwierige prozessuale Fragen auf (Wie viel Energie wurde nicht produziert? Zu welchem Preis? Wurde Eigenverbrauch getätigt?) und verursacht unverhältnismässig hohe administrative und regulatorische Aufwendungen sowie Rechtsunsicherheiten. Durch eine Vergütung würde insbesondere der Anreiz für eine netzdienliche Steuerung des Eigenverbrauchs fehlen. Die mit der Massnahme gewonnene Effizienzverbesserung des Fördersystems wäre wieder zerronnen. Auch eine Vergütung im Sinne einer Flexibilitätsvergütung wäre in diesem Fall nicht zielführend. Die Leistungsreduktion über Eigenverbrauch erfolgt nur dann, wenn die Limitierung nicht vergütet wird. Durch Eigenverbrauch oder durch Speicherung in einer Batterie kann der Produzent die geringe, nicht ins Netz einspeisbare Energiemenge dennoch nutzen.

Referenzen

[1]   EnG Stand 1. Januar 2018, Art. 2 Abs. 1.
[2]   Vernehmlassungsentwurf zum EnG, BFE, April 2020, Art. 2 Abs. 1
[3]   Lars Huber, «Netzanschlussoptimierung bei dezentraler Photovoltaik-Stromproduktion mithilfe statischer Leistungsbegrenzung», Projektarbeit, Hochschule Luzern, 21. Januar 2019.

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Verein Smart Grid Schweiz

Autor
Andreas Beer

ist Co-Geschäftsführer des Vereins Smart Grid Schweiz.

  • Verein Smart Grid Schweiz, 2560 Nidau.
Autor
Maurus Bachmann

ist CEO von Swisseldex.

  • Swisseldex AG, 3011 Bern

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