Fachartikel Mobilität

Lebenszyklus­kosten von Personen­wagen

LCC-Tool

01.03.2021

Die Initiative «Vorbild Energie und Klima» hat ein Instru­ment entwickelt, mit dem Beschaf­fungs­verant­wort­liche die Lebens­zyklus­kosten verschie­dener Waren­gruppen mit wenig Aufwand berechnen können. Das Tool berück­sichtigt auch Umwelt­kosten. Die dritte Ausgabe kann Personen­wagen mit verschie­denen Antrieben (Elektro­fahrzeug, Benzin, Diesel oder Erdgas) vergleichen.

Bei der Beschaffung neuer Ware gilt es heute nebst Kosteneffizienz auch ökologische Ansprüche zu berücksichtigen. Lebenszykluskosten (Life Cycle Costs, LCC) haben sich deshalb in Zeiten verantwortungsvoller Beschaffung als Messgrösse etabliert, denn sie berücksichtigen nebst den in den TCO (Total Cost of Ownership) enthaltenen Kosten (Kauf, Unterhalt, Versicherungen, Nutzung, Entsorgung) auch Chancen und Risiken – das Produkt ist etwa abhängig von einem Brennstoff, dessen Preisentwicklung ungewiss ist – sowie Umwelt- und Sozialkosten. Wenn Unternehmen bei der Beschaffung die LCC beachten, weitet sich ihr Verantwortungsbereich aus und die Gesellschaft wird entlastet.

Der Bund fördert dies mit einer Wissensplattform für nachhaltige öffentliche Beschaffung (www.woeb.swiss). Gemäss der Revision des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB) sind Bund und bundesnahe Unternehmen ab 2021 verpflichtet, bei der Beschaffung Aspekte der Nachhaltigkeit zu berücksichtigen, u. a. durch die Betrachtung der LCC.

Deren Berechnung ist komplex und stellt für viele Unternehmen eine Herausforderung dar. Deshalb hat die Initiative «Vorbild Energie und Klima» ein Instrument entwickelt, mit dem die LCC diverser Warengruppen relativ einfach berechnet werden kann.

Umweltkosten in den LCC

Der entsprechende ISO-Standard gibt vor, in den LCC auch sogenannte Umweltkosten zu berücksichtigen – beispielsweise Schäden, die durch Treibhausgasemissionen entstehen. Sie können bei der Produktion, Nutzung und Entsorgung des beschafften Gutes entstehen. Um diese Schäden als Kosten in den LCC zu berücksichtigen, müssen sie monetarisiert werden: Den Schäden muss ein finanzieller Wert zugeordnet werden. Das Bundesamt für Raumentwicklung ARE hat sich dieser Frage in der Studie «Externe Effekte des Verkehrs 2015» angenommen. Die Autoren kommen zum Ergebnis, dass eine Tonne CO2 heute mit 121.50 CHF gewichtet werden kann. Das vorliegende LCC-Tool nutzt diesen Wert und berechnet so auch die CO2-Emissionen als optionalen Bestandteil der LCC-Betrachtung. Zwar gäbe es weitere Umweltkosten wie Lärm- und Bodenbelastung oder Landverbrauch sowie soziale Kosten, aber die Monetarisierung ist hier noch schwieriger und die Forschung steht noch am Anfang.

Ergänzend werden die sogenannten Umweltbelastungspunkte (UBP) ausgegeben. Dieses international gängige Prinzip beruht auf der Methode der ökologischen Knappheit und orientiert sich an staatlichen Umweltzielen. So können die Umweltauswirkungen der Produkte verglichen werden.

LCC-Tool in der Anwendung

Das LCC-Tool wurde gemeinsam mit den zehn Akteuren der Initiative entwickelt. Die Vorlage muss demnach für unterschiedliche Kerngeschäfte sowie für Personen in verschiedenen Funktionen anwendbar sein. Je nach Position ist ein unterschiedlicher Detailgrad an Informationen vorhanden und notwendig. Zur Berechnung der LCC verwendet das Tool drei Arten von Daten:

  • Dateneingabe durch die nutzende Person, z. B. Energiepreis.
  • Default-Werte, also Durchschnittswerte als Vorschlag. Diese Werte sind für fast alle Felder vorhanden, können aber durch eigene Daten ersetzt werden.
  • Daten von der Herstellerfirma, z. B. Energieverbrauch.

Warengruppen

Lebenszykluskosten können prinzipiell für alle Gegenstände berechnet werden. Die Entwicklerinnen und Entwickler der Initiative orientieren sich für die Priorität der Warengruppen an den Bedürfnissen der Akteure: Was am häufigsten beschafft wird, soll zuerst berechenbar sein. Deshalb ist das Instrument seit September für die beiden Warengruppen IKT-Geräte und Gebäudetechnik verfügbar. Zugang erhält man unter vorbild-energie- klima.admin.ch, Dokumentation, Hilfsmittel.

LCC von Personenwagen

An einem Erfahrungsaustausch mit den Akteuren der Initiative im September 2020 wurde das LCC-Tool für Personenwagen vorgestellt. Die Entwicklung des Tools ist nun abgeschlossen und es ist online verfügbar.

Bei der Beschaffung von Personenwagen kommen viele Parameter zum Tragen. Je nach deren Ausprägung und abhängig von den Nutzerbedürfnissen schneiden unterschiedliche Autos am besten ab. Der Mehrwert des LCC-Tools besteht darin, dass es diese Parameter in der individuellen Situation gegeneinander abwägt. Zahlreiche Parameter können angegeben werden:

  • Antriebsart: Aktuell stehen Elektrofahrzeug, Benzin, Diesel oder Erdgas zur Auswahl.
  • Förderbeiträge: Institutionen oder die öffentliche Hand fördern saubere und energieeffiziente Antriebe finanziell. Mehrere Kantone gewähren eine Reduktion der Motorfahrzeugsteuer oder verzichten ganz auf eine Besteuerung.
  • Nutzungsintensität: Die Wahl des Modells hängt auch von der Nutzungshäufigkeit sowie der durchschnittlichen Fahrdistanz ab.
  • Ladestation: Elektroautos können zu Hause oder an öffentlichen Stationen aufgeladen werden. Letzteres kann deutlich teurer werden, besonders bei Schnelllade-Stationen.
  • Strom-Mix bei Elektrofahrzeugen: Es ist geplant, dass man bei der Dateneingabe auch die Art des Stroms angeben kann, mit dem man die Batterie lädt. Dies wirkt sich auf die Umweltkosten und den Energiepreis aus.
  • Batterielebensdauer bei Elektroautos: Je nach Batterie und Nutzung muss diese früher oder später ersetzt werden. Das macht einen grossen Kostenunterschied aus.

Zur Berechnung wird für jedes zur Auswahl stehende Modell ein Reiter mit diesen und weiteren Parametern ausgefüllt. Das Instrument zieht schliesslich einen Vergleich.

Beispiel Elektro- und Benzinantrieb

Zur Veranschaulichung liess die Initiative für einen Erfahrungsaustausch unter Fachpersonen im September 2020 einen beispielhaften Fall errechnen. Projektleiter Simon Martin wählte dafür zwei ähnliche Kleinwagen, einen mit Benzin- und einen mit Elektroantrieb. Ergebnis: Der Elektrowagen ist in der Anschaffung zwar teurer, aber im Betrieb genügend günstiger, sodass er mit Blick auf den gesamten Lebenszyklus dennoch preiswerter ist.

Aber nicht in jedem Fall ist ein Elektrowagen die preisgünstigere Option. Je nach Situation ist ein Benziner auch auf Lebenszeit günstiger. Genau hier setzt das LCC-Tool an: Es ermöglicht die Abbildung der individuellen Situation. Das Tool gibt ebenfalls an, wie lange es dauert, bis sich die Anschaffung eines Elektroautos gegenüber einem Benziner finanziell rechnet.

Agilität besonders wichtig

Die Tools der verschiedenen Warengruppen sind im Prinzip gleich aufgebaut. Alle haben zum Ziel, nutzungsfreundlich, agil und für verschiedene Detailgrade anwendbar zu sein. Für die Personenwagen ist die Agilität besonders wichtig, denn der Automobilmarkt verändert sich sehr rasch. Zudem verändern sich die Produkte bei den anderen beiden Warengruppen nicht grundlegend, sondern nur ihre Produktionsweisen. Das Elektroauto hingegen ist ein radikal anderes Produkt, das in vielerlei Hinsicht nicht mit herkömmlichen Personenwagen verglichen werden kann.

Autorin
Laura Scheiderer

ist Redaktorin bei Polarstern.

  • Polarstern, 6004 Luzern

Kommentare

Lukas Greter,

In diesem Bulletin-Artikel wurde die Klimastiftung im Zusammenhang mit der Förderung von Elektroautos erwähnt. Dies ist nicht mehr aktuell:
Das Förderprogramm zur Steigerung der Energieeffizienz der Klimastiftung Schweiz wurde am 31.01.2020 temporär abgestellt. Entsprechend nehmen wir seit dem 01.01.2021 keine neuen Anträge für die Standardmassnahme E-Mobility mehr entgegen.
Zu diesem Entscheid bewogen hat die Tatsache, dass die Zahl der Anträge für Elektroautos in den letzten Jahren exponenziell in die Höhe geschossen ist. Dies entspricht erfreulicherweise die Situation auf dem Markt, so nehmen wir an, dass die Marktreife inzwischen so weit ist, dass unsere Beiträge nicht mehr additional sind.
Wir halten die Elektromobilität nach wie vor für unterstützenswert. Allerdings wollen wir unsere begrenzten Fördermittel dort einsetzen, wo sie die maximale Wirksamkeit entfalten. Um eine Flut an Beschwerden/Nachfragen zu verhindern, bitten wir Sie darum, Interessenten am Kauf eines Elektroautos nicht weiter auf uns zu verweisen und die Information in ihrem Netzwerk zu verbreiten. Damit helfen Sie, enttäuschte Kunden zu vermeiden.

Freundliche Grüsse
Lukas Greter
Klimastiftung Schweiz
8022 Zürich

Anm. d. Red.: Im bulletin.ch-Artikel wurde der Hinweis auf die Klimastiftung Schweiz entsprechend gelöscht.

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