Die vielen Seiten von Solarfassaden
Entwicklung, Möglichkeiten und Vorschriften
Die mit PV-Paneelen ausgestattete Südfassade des Kornhauses an der Limmat in Zürich ist bei Solarfassaden eigentlich ein Sonderfall, denn sie stellt bezüglich Brandschutz oder Farbgebung der Module keine besonderen Anforderungen. Anders sieht es bei stromerzeugenden Fassaden an bewohnten Häusern aus.
Zeigt man jemandem ein Bild der Südfassade des Kornhauses in Zürich, muss man sich nicht wundern, wenn die Antwort lautet: «Ich wusste gar nicht, dass das Photovoltaik ist. Ich dachte, das sind Gestaltungselemente». Eigentlich ideal – eine Fassade, deren Solarpaneele nicht nur Strom erzeugen, sondern auch gestalterischen Mehrwert bieten.
Doch die Stromproduktion ist nicht die Hauptaufgabe des Turms, sondern die Lagerung von rund 25'000 t Rohweizen für die grösste Mühle der Schweiz. Dieses gelangt mit der Bahn zum Kornhaus und wird vor dem Lagern grob und nach dem Lagern gründlich gereinigt. Das fertige Mehl wird über eine Passerelle über die Strasse transportiert. Drei Viertel davon gelangen ins Mehlsilo für den Loseverlad, der Rest wird für Gastronomie und Privathaushalte abgepackt und per Lastwagen ausgeliefert.
Das Kornhaus ist historisch gewachsen. Da die Parzellengrösse durch den Sihlquai und die Limmat festgelegt sind, musste in die Höhe gebaut werden, um das Volumen zu vergrössern. 1924 wurde ein Silo gebaut, 1957 folgte eine 40 m hohe Erweiterung, die 2016 als Basis für den aktuellen Turm diente. Letzterer steht auf rund 45 m langen Pfählen, die bis in den Molassenfels hinunterreichen und für welche die äusserste Schicht des Silos von 1957 abgebrochen wurde, um Platz für die Bohrpfähle zu schaffen. Über die Pfähle wurde ein grosser Betonriegel gegossen, auf den die Gleitschalung gesetzt wurde, die bis zur Fertigstellung des Turms stetig angehoben wurde.
Die mit 118 m vermutlich höchste Solarfassade der Schweiz wurde auch 2016 mit einer Arbeitsbühne über die gesamte Gebäudebreite am Turm montiert. Sie weist eine Nennleistung von 444 kW auf. Laut Martin Zulauf, Bauherrenvertreter von Coop, gibt es in der Schweiz noch deutlich grössere Anlagen, diese gehen aber eher in die Breite.
Ursprünglich war geplant, alle Fassaden mit PV auszustatten, schliesslich entschied man sich aber nur für die Südfassade. Zum Zeitpunkt des Baus war nicht der maximale Stromertrag primär, sondern eine möglichst hohe Rendite. Heute würde sich der Bauherr eher für die Bestückung aller vier Fassaden entscheiden.
Herausforderungen für diese Solarfassade gibt es einige, beispielsweise der Wind, der hier höhere Anforderungen als bei normalen Häusern stellt. Eine offene Frage zu Beginn war auch die Eisbildung. Wenn sich die feuchte PV-Anlage erwärmt, während die Montagekonstruktion aus Aluminium unter dem Gefrierpunkt liegt, könnte sich an letzterer gefrierendes Kondenswasser bilden. Es wurde befürchtet, dass sich Eisstücke lösen und auf das Trottoir fallen. Dies ist jedoch nicht eingetroffen. Eine weitere Herausforderung sind defekte Module. Das Ersetzen braucht zwei Personen an zwei Tagen. Von den acht Wechselrichtern sind auch schon einige ausgefallen, aber da sich diese im gut zugänglichen Innenraum befinden, können sie leicht ausgetauscht werden.
Eine vergleichbare Solarfassade befindet sich auf einem noch höheren Gebäude: dem Sendeturm auf St. Chrischona bei Basel. Mehrere Flächen des Turmschafts werden dort zur Stromerzeugung genutzt: 435 Module mit einer Gesamtfläche von rund 710 m2 können bis zu 145 kW liefern.
Brandschutz als Hürde
Fensterlose Betongebäude wie das Kornhaus und der Sendeturm sind für Solarfassaden sehr gut geeignet, da sie brandschutztechnisch unproblematisch sind. Dies bestätigt auch Eric Langenskiöld, Senior Experte Photovoltaik bei Basler & Hofmann. Das Ingenieur-, Planungs- und Beratungsunternehmen hat bereits mehrere Betonfassaden mit PV ausgerüstet.
Anders sieht es seit 2023 bei bewohnten Häusern mit Fenstern und einer Höhe von mehr als 11 m aus, denn hier erschweren die Brandschutzvorschriften der Gebäudeversicherung des Kantons Zürich die Situation erheblich, da die PV-Projekte nur mit individuellem Brandschutznachweis bewilligt werden. Der Grund für die 11 m liegt darin, dass die Feuerwehr Brände, die sich in der hinterlüfteten Fassade ausbreiten, ab dieser Höhe schwer löschen kann.
Da die Solarmodule wegen der Folie und dem Kabel der Brandverhaltensgruppe RF2 (geringer Brandbeitrag) zugeteilt werden, wurde in Zürich ab 2023 gefordert, dass für den Brandschutznachweis Versuche in einem Labor in Leipzig durchgeführt werden, die ein halbes Jahr dauern. Dabei wird die Solarfassade 1:1 über drei Stockwerke aufgebaut und unten eine Flammensituation wie bei einem Christbaum- oder Teppichbrand simuliert. Weil ein solcher Test zwischen 300'000 und 500'000 Franken kostet, wurden in Zürich fast alle Fassadenprojekte gestoppt. Nur bei einem Projekt von Energie 360° wurde der Test durchgeführt und das Projekt konnte realisiert werden.
Wegen dieser enormen Hürde hat der Fachverband Swissolar schnell reagiert und zusammen mit der Gebäudeversicherung ein Übergangsdokument [1] erarbeitet, das Massnahmen festlegt, wie ein Brandüberschlag an der Aussenwand über zwei Stockwerke verhindert werden kann. Zum Beispiel können alle zwei Stockwerke horizontale Bleche eingebaut werden, die eine vertikale Ausbreitung des Brands im Hinterlüftungsraum unterbrechen. Ausserdem dürfen sich keine Wechselrichter oder Optimierer in der Hinterlüftungsebene befinden.
Diese Übergangslösung, die bis Ende 2024 gelten soll, ermöglicht Projekte, die mit dem teuren Brandversuch unrealistisch wären. Das finale Dokument wird im nächsten Jahr erwartet. Eric Langenskiöld stellt fest: «Die Branche und die Versicherer haben es versäumt, das Thema Brandschutz von Anfang an zu berücksichtigen. Man hätte das Thema proaktiv angehen können. Jetzt gab es diese Hauruck-Übung.»
Sicherheit durch Glasbaunorm
Eine weitere für Solarfassaden relevante Neuerung ist das 2021 erschienene SIA-Merkblatt [2], das die Anforderungen definiert, die beim Glasbau von Glasfassaden erfüllt sein müssen. Zudem erläutert das Merkblatt den Nachweis der Tragsicherheit. Früher war es in der Schweiz möglich, Glasmodule ohne Nachweis an der Fassade zu befestigen, sofern dies ingenieurtechnisch vertretbar war. Heute sind die Befestigungsart und die Resttragsicherheit der Gläser definiert, damit bei Glasbruch niemand verletzt wird.
Die meisten PV-Module haben eine EVA-Folie (Ethylenvinylacetat) statt der bei Verbundsicherheitsgläsern üblichen PVB-Folie (Polyvinylbutyral) einlaminiert, damit mehr Licht auf die Zellen fällt. Sofern sie nicht die von der Glasbaunorm SN EN 12600 bzw. SN EN 356 geforderte Klassifizierung erreichen, müssen solche Module bestimmte Labortests bestehen. Vereinfacht gesagt werden die beiden Gläser zerbrochen und es wird geschaut, ob sie bei einem Sturm oben bleiben oder herunterfallen. Da die wenigsten Modulhersteller solche Tests durchführen, muss man sie selbst ausführen.
Nichts Neues unter der Sonne
Solarfassaden sind eigentlich nicht neu, sagt Langenskiöld, denn sie wurden bereits 1958 auf Satelliten verwendet. Trotz der extremen Umwelteinflüsse haben sie sich dort bewährt.
Die erste PV-Fassade, die von Basler & Hofmann geplant wurde, ist in Glattbrugg und ist mittlerweile 35 Jahre alt. Sie bringt immer noch rund 80% des ursprünglichen Ertrags.
Seit 2015 steigt die Nachfrage, weil die Module preisgünstiger wurden. Weil in den 1980er-Jahren Hochhäuser mit Glasfassaden gebaut und Erfahrungen gesammelt wurden, können nun zwei bewährte Techniken, die PV und die Befestigungstechnik, kombiniert werden.
Verhaltenes Wachstum
Für Architekten stellen Solarfassaden eine Herausforderung dar, da sie die Gestaltungsmöglichkeiten einschränken. Der Planungsprozess wird komplizierter, die Beschaffung ist schwieriger. Die PV-Fassaden werden daher eher zögerlich realisiert.
Trotzdem gibt es positive Entwicklungen: Beispielsweise sind die Module mit diversen Oberflächen – satiniert, sandgestrahlt, strukturiert – erhältlich und es ist eine breite Farbpalette verfügbar. Sogar weisse Paneele sind möglich, allerdings mit einem um die Hälfte reduzierten Wirkungsgrad.
Architektonische Farbkonzepte sind anspruchsvoll. Um eine spezifische Farbe zu erzielen, werden die Gläser im Siebdruckverfahren mit Farbpunkten bedruckt. Das Problem: Siliziumzellen sind eigentlich schwarz, erscheinen aber je nach Blickwinkel bläulich. Dadurch verändert sich auch die Farbe des Moduls. Solarmodulhersteller können daher keine vordefinierten RAL-Farben aufdrucken, sondern müssen eine andere Farbe aufdrucken, die mit dem PV gemischt die richtige Farbe ergibt. Um die gewünschte Farbe genau zu treffen, ist ein Bemusterungsprozess nötig, bei dem drei oder vier Zyklen gedruckt und bei Tageslicht überprüft werden. Gute Hersteller schaffen diesen Prozess in zwei Wochen. Andere hingegen müssen die ganze Produktionslinie umstellen und liefern Muster in drei Monaten. Ist der Architekt mit der Farbe nicht zufrieden, geht es in die nächste Runde. Bei einer frei wählbaren Farbe dauert der Bemusterungsprozess bis zu einem halben Jahr.
Die Leistungselektronik fällt eher aus
Eine zusätzliche Herausforderung ist die Elektrotechnik in der Fassade. Eric Langenskiöld schätzt, dass die Hälfte der Umrichter in den ersten 20 Jahren ausfällt. Wechselrichter sind also Verbrauchsmaterial. Die Anlagen müssen so geplant werden, dass sie leicht ausgetauscht werden können.
Verwinkelte Fassaden und Bäume stellen wegen der Verschattung ein weiteres Problem dar. Bei teilweiser Verschattung sind die Leistungsverluste deutlich höher, da das schwächste Glied der Modulkette die Leistung der gesamten PV-Anlage beeinflusst. Optimierer lösen dieses Problem, schaffen aber gleichzeitig ein neues: Die in der Fassade eingebaute Leistungselektronik hält nicht so lange wie die PV-Module. Wenn für den Austausch jedes Mal ein Pneukran mit zwei Personen benötigt wird, wird es teuer.
Leistungsoptimierer sind Bauteile, die an jedem Solarmodul angebracht werden. Sie ermitteln und optimieren jeweils den individuellen «Maximum Power Point» (MPP), also den Punkt, an dem ein Modul die maximale Leistung erzeugt. Sie sorgen dafür, dass ein einzelnes Modul die Leistung der anderen Module nicht beeinträchtigt bzw. in seiner Leistung nicht durch andere Module limitiert wird.
Pro und contra Optimierer
Ein Bürohaus aus den 1970er-Jahren an der Bellerivestrasse 36 in Zürich – das ehemalige Elektrowatt-Gebäude – erhielt bei der Sanierung umlaufende Vordächer mit effizienten n-Type-Zellen (Einstiegsbild). Da das Gebäude stark verschachtelt ist, war ursprünglich der Einsatz von Optimierern vorgesehen. Für deren Austausch wäre allerdings eine Fassadenbefahranlage erforderlich. Eine Analyse an der ZHAW ergab, dass man ohne Optimierer nur 2% der erzeugten Energie verliert. Da die Fassadenbefahranlage Millionen gekostet hätte, entschieden sich die Ingenieure, auf die Elektronik in der Fassade zu verzichten und Ausgaben für die Befahrung einzusparen. Bei rund 1700 Modulen und gleich viel Optimierern hätten in Spitzenjahren bis zu hundert Optimierer ausgetauscht werden müssen.
Eine Alternative zu Optimierern sind Mikrowechselrichter. Sie speisen den Strom einzelner Module direkt ins Netz ein. Ihre Verschaltung in einer strukturierten Fassade ist schwierig. Wenn jedes Modul mit einem Mikrowechselrichter ans Netz angeschlossen werden kann, ist das Problem gelöst. Dazu werden die Konverter in den Sockel eingebaut. Die Herausforderung sind hier die nicht ionisierenden Strahlen, also die elektromagnetischen Felder im Wohnbereich. Stehen Mikroinverter in der Nähe von Schlafzimmern, gibt es dort Immissionen im höheren Frequenzbereich. Sie müssen deshalb abgeschirmt werden.
Zusätzlicher Aufwand
Solarfassaden sind noch nicht so populär wie Dachanlagen. Die Gründe dafür sind vielfältig. Ein wichtiger Aspekt ist die Kombination von Ästhetik mit manchmal «starrer» Technik. Architekten müssen lernen, mit vorgegebenen Rastern zu arbeiten und Verschnitt zu vermeiden. Zudem müssen sie einen Hersteller finden, der das Gewünschte liefern kann. Auch die Verschattung macht den Planungsprozess aufwendig. Um ihn nicht unnötig kompliziert zu machen, gibt Eric Langenskiöld einen Rat: «Man muss grosszügig sein. Die Anlage muss schön sein und Strom produzieren, aber man darf nicht auf die Prozente achten.»
Referenzen
[1] Brandschutz für hinterlüftete Photovoltaikanlagen an Fassaden, Übergangsdokument für Planung und Brandschutznachweis, Swissolar, 2023.
[2] Merkblatt SIA 2057:2021 «Glasbau» (SNR 592057).
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