Verband Electrosuisse , Erneuerbare Energien , Mobilität

Der vielseitigste Ladepark der Schweiz

Interview mit Claudio Pfister, E-Mobile

17.08.2022

Im September 2022 wird ein einzigartiger Ladepark in Fehraltorf eingeweiht. Dreiundzwanzig in der Schweiz erhältliche Ladestationen und zehn Last­manage­ment­systeme werden dort eingesetzt und geschult. Hinter diesem Projekt stehen die Fachgesellschaft E-Mobile von Electrosuisse und deren Leiter Claudio Pfister.

Bulletin: E-Mobile ist eine Gesellschaft im Fachverband Electrosuisse. Wie genau sind diese beiden Gesellschaften miteinander verknüpft?

Claudio Pfister: Bis vor Kurzem war E-Mobile ein Profitcenter innerhalb der Electrosuisse. Heute sind wir in den Verband eingebunden, um dort einen Mehrwert zu generieren. Wir haben bei E-Mobile viel Freiheit, eigene Ideen durchzuführen. Das hängt auch mit unseren Persönlichkeiten zusammen. Gian Güler, mein Kollege, und ich sind ein dynamisches Team und denken ziel­orientiert. Unser Motto lautet B2B2C, also von «Business to Business» zu «Business to Customer». Das lässt sich gut am Beispiel des Automobilsalons erklären. Früher haben wir Profis eine Bühne geboten und waren quasi eine verlängerte Marketingorganisation. Bei Electrosuisse hat sich das jetzt insofern geändert, dass nun noch stärker der Profi im Fokus steht. Vom Garagist bis zum Elektriker, Solateur und Planer. Bei Electrosuisse sind wir mit unserer Fachgesellschaft eine Ausnahme, weil wir konkrete Themen umsetzen, wie beispielsweise unseren vielseitigen Ladepark, der im September offiziell eröffnet wird. Wahrscheinlich wäre dieses Projekt in einem Jahr noch nicht realisiert, wenn wir nicht viele Impulse gegeben hätten und diese nicht auch selbst umgesetzt hätten.

E-Mobile arbeitet daran, Ladestationen von diversen Herstellern in einem Ladepark aufzubauen. Welche Ladetechniken gibt es dort zu sehen?

Alle unsere Ladestationen sind konduktiv, das heisst, es wird ein Konnektor eingesteckt, woraus mit verschiedenen Steckern geladen wird. Die allermeisten Ladestationen liefern dem Auto Wechselstrom. Im Auto richtet ein sogenanntes On- Board-Ladegerät den Wechselstrom in Gleichstrom um. Dieses AC-Laden bezeichnet man auch als langsames Laden. Wenn ich schnell laden will, dann bringe ich direkt Gleichstrom von aussen in die Autobatterie ein.

Manche E-Autos bieten auch bidirektionales Laden an, zum Beispiel der Honda E oder Fahrzeuge mit einem Chademo-Stecker wie der Nissan oder der Mitsubishi. Unterstützt ein Auto bidirektionales Laden, dann lädt man in der Anwendung Strom von der Solaranlage oder vom Netz ins Auto hinein, kann aber das Auto auch entladen und so Leistung ins Stromnetz oder ins Gebäude zurückspeisen. Der Akku des Fahrzeugs kann auf diese Weise in zwei Richtungen in das Energiemanagement des Hauses oder des Netzes eingebunden werden.

Welche Anforderungen müssen bei der Auswahl einer Ladestation berücksichtigt werden?

Eine Ladestation misst, wer wie viel lädt, um am Ende eine Abrechnung zu machen. Die Station muss funktional sein und sollte nicht allzu viel kosten.

Es gibt diverse Anbieter von Ladestationen mit unterschiedlicher Technik für individuelle Bedürfnisse. Die eine ist eher für den privaten Kunden geeignet, die andere fürs Mehrfamilienhaus, die dritte kann mit einem Chip freigeschaltet werden, die vierte kommuniziert über WLAN, Funknetz oder Telefonnetz, die fünfte kommuniziert über Power Line Communication. Das Letztere ist nützlich für Tiefgaragen ohne 3G-Empfang, denn dann kommuniziert die Station über jene Leiter, in denen der Strom fliesst.

Was ist zu tun, wenn die ausgewählte Ladestation betrieben werden soll?

Zu den diversen Ladestationen haben wir noch zehn verschiedene Lastmanagementsysteme im Einsatz. Das Lastmanagement sorgt dafür, dass die Leiter nicht überlastet werden. Es ist eine übergeordnete Intelligenz, die den Ladestationen sagt: «Achtung, wir haben ein Problem und müssen etwas runterfahren.»

Für das Lastmanagement gibt es verschiedene Anbieter, teils altbewährte Konzerne, aber auch Start-ups. Diese sind aktuell: Alpiq, Clemap, Invisia, Novavolt, Partino, Siemens, Simplee, Smart Energy Link, SolarManager, The Mobility House.

Jedes System hat Vor- und Nachteile. Mit manchen Systemen kann man ganze Energiesysteme managen. Andere sind ideal für die Nachrüstung im Einfamilienhaus mit Solaranlage. Wieder andere bieten einfache und kostengünstige Lösungen für Mehrfamilienhäuser an. Dann gibt es auch schon offene Systeme, die mit allen möglichen Ladestations-Anbietern funktionieren und in komplexen Verhältnissen die optimale Lösung darstellen.

Nur schon bei der Kommunikation zwischen den Ladestationen, dem Lastmanagement und den nachgelagerten Backend-Lösungen für die Abrechnung gibt es verschiedene Standards mit Stärken und Schwächen: LAN, WLAN, LTE, PLC, proprietäre Funk- und Kabel-Kommunikation sowie Kombinationen davon.

Wer kommt für die Kosten dieser Ladestationen im Ladepark auf?

Wir betreiben diese Ladestationen auf unsere Kosten. Die Anbieter stellen sie uns zur Verfügung, aber weder sie schreiben uns noch wir ihnen eine Rechnung. Es ist eine Win-win-Situation. Wir machen für sie das Marketing, das wird Nutzen generieren, während wir die Ladestationen für unsere Weiterbildungen brauchen. So lernen unsere Mitglieder, die Elektriker sind, die Systeme kennen, und wir machen wiederum auf die Anbieter aufmerksam. Da wir die Anlage auch für unsere Mitarbeiter nutzen können, die damit ihre Elektroautos laden können, ist es Real Life. Das heisst, wir werden mit allen Problemen konfrontiert, die beim Benutzen entstehen können. Ich kann jetzt schon sagen: Wir haben zwar 23 Ladestationen, doch werden nicht alle Mitarbeiter von Anfang an mit allen Stationen laden können.

Wie bezahlt man den bezogenen Strom an den «Säulen»?

Vorerst wird das Laden für Mitarbeiter und Besucher gratis sein. Mir war es wichtig, eine einheitliche Lösung für alle Ladestationen zu finden, um nicht 23 verschiedene Chips verwenden zu müssen. Wir haben uns schliesslich für den Swisspass entschieden. So können wir den Verbrauch der einzelnen Benutzer messen und in Zukunft ein Zahlsystem einführen.

Wird der Ladepark nur mit Solarstrom versorgt oder auch aus anderen Quellen?

Der Ladepark hat eine PV-Anlage. Primär wollen wir – sofern die Sonne scheint – Solarstrom vom Dach verwenden. Zusätzlich gibt es eine 100-A-Zuleitung vom Haus. Diese dient auch dazu, den nicht benötigten Solarstrom ins Netz zu speisen, wenn niemand lädt. Theoretisch könnte man noch mit einem bidirektionalen Stecker aus anderen Autos laden. Alle diese Quellen, Auto, PV-Anlage und das Elektrizitätswerk, versorgen die Anlage.

Wenn ich im Haus eine PV-Anlage habe, wie sinnvoll ist dann eine lokale Speicherbatterie? Genügt nicht der Akku des Elektroautos?

Die klassische Speicherbatterie speichert den Strom der Solaranlage, den man tagsüber produziert. In der Nacht, wenn es keine Solarstromproduktion gibt, kann man den Strom für das Haus aus dem Akku beziehen. Wenn das Stromnetz aber ausfällt, ist auch der Speicher bald leer. Ein Batteriespeicher stellt daher noch nicht automatisch ein autarkes Energieversorgungssystem dar. Man kann es dazu ausbilden, doch das kostet, und je nach Batteriegrösse kann es nur ein eingeschränktes Spektrum an Geräten versorgen.

Mit einem Auto als Speicher kann man mit einem bidirektionalen Ladesystem zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Autos stehen meist 23/24 Stunden rum. Das Auto, das man sowieso hat, speichert kostenfrei überschüssigen Strom und versorgt das Haus bei Bedarf. Bei einem Notfall, wenn es weniger Energie im Netz hat, dann lädt halt das Auto für eine Stunde nicht.

Ein Rechenbeispiel: Eine Million Elektroautos mit je 50 kWh Speicherkapazität ergibt gesamthaft 50 GWh Speicherkapazität. Bei 150 GWh durchschnittlichem täglichem Stromverbrauch in der Schweiz wird klar, dass mit den Speichern der Elektroautos vorübergehend eine grosse Lücke geschlossen werden könnte. Heutzutage sind die meisten Autos aber leider noch nicht für das bidirektionale Laden freigegeben.

Wie lange dauerte die Projektierungsphase für den Ladepark, und wie lange dauert der Aufbau, bis die Ladeinfrastruktur in Betrieb ist?

Ich habe im Dezember 2021 das OK für das Projekt von der Geschäftsleitung bekommen. Im Dezember und Januar wurden Partner akquiriert und nach weiteren vier Monaten konnte bereits erste Autos laden.

Zur Person

Claudio Pfister.
Claudio Pfister.

Claudio Pfister studierte Maschinen­bau an der ETH in Lausanne. Er sammelte internationale Berufserfahrungen in der Automobilindustrie, bevor er an der HSG das Executive MBA in Business Engineering absolvierte. Die Gründung eines Start-ups im IT-Bereich, Erfahrung im strategischen Einkauf bei Mettler Toledo und die Unternehmensberatung waren weitere Etappen. Den Einstieg in die Elektromobilität fand Pfister über den Aufbau der eigenen E-Bike-Marke. Bei E-Mobile fand er den passenden Rahmen für seine Ideen rund um die Elektromobilität. Die Aktivitäten des 1980 gegründeten Verbands E-Mobile werden heute von Electrosuisse ­weitergeführt.


claudio.pfister@electrosuisse.ch
e-mobile.electrosuisse.ch

Autorin
Marianne Kürsteiner

ist Redaktorin bei Electrosuisse.

  • Electrosuisse, 8320 Fehraltorf

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