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Optimizer: Nur ein Hype oder die Zukunft?

Solarwechselrichter

27.04.2021

Mit dezentralen DC/DC-Wandlern im PV-Kraftwerk ist auf dem Hausdach ein maxi­maler Ertrag auch bei teilweiser Verschat­tung möglich. Meist ist der jährliche Mehr­ertrag aber geringer als 3%, da die Solar­module gewöhnlich nicht im Schatten­bereich der Mittags­sonne montiert werden. Zudem müssen für einen zuver­lässigen Betrieb noch weitere Aspekte beachtet werden.

Der wirtschaftliche Erfolg der handteller­grossen elektro­nischen Optimierer am Solardach beschert dem Marktführer in diesem Segment einen globalen Umsatz von etwa 1,5 Mia. US-$. Aber führen sie auch zum verspro­chenen solaren Mehrertrag bei den Endkunden?

Die vom führenden Hersteller empfohlene Verkaufs­ansprache für Endkunden ist auf den ersten Blick klar strukturiert.[1] Fällt eine Lampe der Christ­baum­beleuch­tung in der Serien- Verschaltung aus, ist es finster. Dies soll der Optimizer am Solardach verhindern, wenn ein Solarmodul zu viel Schatten sieht. Wenn nicht genug Schatten da ist, kann die Verschmutzung durch ein Blatt oder Vogel-Exkremente oder eine unterschiedliche Halterung von Modulen ins Feld geführt werden. Die Optimizer holen immer mehr raus als der aktuelle Marktleader, der herkömmliche String-Wechselrichter, der am Ende der in Serie verschalteten Solar­module platziert wird.

Ob dies allerdings stimmt, kann heute kein erfahrener PV-Planer bzw. Installateur faktenbasiert einfach belegen. Die Sache ist komplex, mit vielen Einfluss­faktoren, und es muss eine genaue Analyse ausgeführt werden, da die Unterschiede meist sehr klein sind.

In einem Labor der ZHAW in Winterthur wurden mit grossem Aufwand solche komplexen Systeme ausgemessen und analysiert. Erste Ergebnisse zeigen, dass die Performance-Unterschiede über ein ganzes Jahr im unteren einstelligen Prozentbereich liegen und um Faktoren kleiner sind, als die vom Marketing zitierten zweistelligen Prozentgewinne.

Und wer hat es erfunden?

Schon vor fast drei Jahrzehnten hat die Elektronik­firma Schmidhauser aus dem Thurgau einen Solar­wechsel­richter mit individuellen DC/DC-Wandlern für einzelne Modulstrings und gemeinsamen DC/AC-Wandler entwickelt, aber den Markteintritt nicht gemacht. Den übernahm im Jahr 2000 der damalige Marktführer für Solar­wechsel­richter aus Deutschland. Die heutigen Optimizer, MLPE (Module Level Power Electronics) sind auch einzelne DC/DC-Wandler, um einzelne Module und nicht Strings mit dem eigentlichen DC/AC-Wandler zu verschalten. Vor etwa zehn Jahren hat die israelische Firma Solar Edge mit diesen MLPE erfolgreich begonnen, Jahr für Jahr die Märkte zu gewinnen.

Leistung mit Beschattung

Die genaue Analyse muss bei der Strom-Spannungs­analyse des inhomogen beleuch­teten Solar­moduls beginnen. Schon seit einem halben Jahrhundert wird der Ausfall oder Minderertrag einer einzelnen der heute typisch 60 Solarzellen im ca. 2 m2 grossen Solarmodul mit einer einfachen, robusten und kosten­günstigen Bypass-Diode unterbunden. Diese leitet den höheren Strom der anderen, nicht limitierten Solarmodule einfach am fehlerhaften Teilstrang von 20 Solarzellen vorbei. Der Stromfluss in den DC/AC-Wechsel­richtern am Ende des Modulstrangs ist somit garantiert. Damit wird seit Jahrzehnten verhindert, dass bei Verschmutzung oder Teilausfall ein Totalausfall der Produktion zu beklagen ist. Allerdings fehlt dann am betroffenen Solarmodul auch ein Drittel der Spannung und damit auch ein Drittel der Leistung. In einem solchen Fall des Strom­unterbruchs in einem Teil des Solarmoduls könnte auch die smarteste MLPE an den Modul­anschlüssen nichts ändern.

Es gibt aber Verschattungs­situa­tionen, bei denen der Optimizer Mehrerträge liefern kann: leichte Abschattungen an einer einzelnen Solarzelle von weniger als einem Drittel. Dies kann bei herkömmlichen Solarzellen von 15 cm x 15 cm z. B. ein kleines Blatt mit einer Fläche von kleiner als 80 cm2 sein oder eine lineare Verschmutzung am unteren Zellenrand. Mehr darf es nicht sein, wenn nur ein Teilstrang im Modul betroffen ist, um diesen MLPE- Vorteil nicht zu verspielen.

Die Verluste des Schornsteins

Dies verdeutlicht die Abschat­tungs­situation des Schornsteins in Bild 1. Der Schatten kann aber oft auch auf ein Lüftungsrohr, eine Lukarne oder einen Baum zurückzuführen sein. Im Detail zeigt sich für die Beschat­tungs­situation des südseitigen Moduls Nr. 12, kurz vor Mittag, eine maximale Ausgangs­leistung des Moduls von 74 W bei ca. 30 V Modulspannung. Es würde auch ein weniger optimales lokales Maximum der Leistung von 58 W bei einer Spannung knapp unter 10 V verfügbar sein. Dies sind 20 V weniger und beschreiben den Spannungs­verlust, der im Modul entsteht, da dann zwei Bypass-Dioden automatisch im Modul aktiviert sind.

Da aber der herkömmliche Stringwechselrichter nur den Gesamtstrom, der durch alle Module fliesst, einregeln kann, findet dieser als Arbeitspunkt für das beschattete Solarmodul 12 nur den weniger optimalen Arbeitspunkt mit diesem höheren Strom. Die MLPE ist von diesem Zwang der Stromkopplung durch den DC/DC-Wandler entkoppelt und kann so individuell die höhere Leistung bei 30 V vom Modul Nr. 12 abgreifen. Sie kann damit zu diesem Zeitpunkt auf einen eingangsseitigen Leistungsgewinn von 16 W für Nr. 12 aufbauen. Wäre aber, da zwei Teilmodulstränge von der Beschattung betroffen sind, die Verschattung hier grösser als zwei Drittel und damit der Strom kleiner, dann hätte die MLPE keinen Vorteil mehr. Dies ist der Fall für den Zeitpunkt des Schattenwurfes vor 10 Uhr. Dort ist das absolute Leistungsmaximum von 127 W beim höheren Strom zu finden, den dann auch der String-Wechselrichter einstellt. Daher bringt dort die MLPE keinen besseren Arbeitspunkt.

In den gängigen Solarmodulen sind heute drei Bypass-Dioden im Einsatz. Je mehr Dioden, desto geringer ist der Spannungsverlust bei Abschattung. Schon vor einem Jahrzehnt wurden im IEFE-Labor der ZHAW mit einem Flasher Messungen an teilbeschatteten Prototypen von 60-zelligen Solarmodulen mit neun SMD-Bypass-Dioden ausgeführt. Dabei sind wie erwartet eben nicht maximal drei lokale Leistungsmaxima sondern neun erhalten worden, mit am Ende auch hohen Durchlassverlusten aller Bypass-Dioden in Serie bei Beschattung. Diese Konzepte, die zwar zu weniger Spannungsverlust führen, haben sich damals wegen der höheren Fertigungskosten der Dioden und der Modullamination nicht durchgesetzt.

Die Messungen im Labor

Im ZHAW IEFE Indoor-Labor in Winterthur wurden zehn kommerzielle Optimizer mit je zehn unterschiedlichen DC-Stromversorgungen gespiesen und die Verluste mit zehn Leistungsmessern bestimmt. Dazu wurden die jeweiligen DC-Power-Eingänge der Optimizer mit den je nach Verschattung resultierenden Strom-Spannungscharakteristika der zugehörigen Module versorgt. Strom und Spannung für die jeweilige Tageszeit ermittelte die an der ZHAW entwickelte Software MLPE-Shade im Minutenintervall, wobei jede der 60 Solarzellen eines Moduls in 100 Teilflächen zwecks Stromberechnung unterteilt wurde.[2]

Ein Ergebnis war, dass die Wirkungsgrade der DC/DC-Wandler bis zu ca. 2% unter den Datenblattangaben von 99% im gekoppelten System mit den realen Teilspannungen lagen. Der Grund: Mit stärkerer Abweichung vom Übersetzungsverhältnis 1 sinkt der Wirkungsgrad (Bild 3a). Da die Verluste im DC/DC-Wandler und die Verluste im nachgelagerten eigentlichen Wechselrichter aber summiert werden müssen, schmelzen die theoretischen Mehrerträge (Bild 1) der MLPE markant. Dazu trägt auch die zweite Versprechung der Verkaufsempfehlung des Herstellers bei, das nahezu beliebig viele dieser Optimizer in einen Strang geschaltet werden können. Dies vereinfacht zwar die zügige Stringplanung und macht den PV-Experten fast überflüssig, führt aber nicht zwingend zu deutlich mehr Performance beim Endkunden.

Für die sorgfältigen MLPE-Planer kann folgende Empfehlung abgegeben werden: Die Anzahl eingesetzter Optimizer sollte so geplant werden, dass sie im nicht beschatteten Fall möglichst nahe am Spannungsverhältnis von 1 landen. Dabei muss man beim einphasigen von 360 V und beim dreiphasigen Inverter von 750 V Strangspannung ausgehen.

Wie hoch sind die jährlichen Gewinne wirklich?

Die Messungen im Indoor-Labor, gekoppelt mit dem MLPE-Shade-Simulationstool, haben gezeigt, dass im obigen Fall mit dem Schornstein ein Potenzial des Mehrertrags von 5% übers Jahr besteht – bei optimalen Umwandlungswirkungsgraden von MLPE und String­inverter. Bei den real vermessenen Komponenten schrumpft der jährliche Peformance-Vorteil der MLPE auf rund 2%. Dabei wurden 13 Module mit je 300 W und 60 Zellen und ein String­inverter mit einer Euro-Effizienz von 97,5% als Referenz untersucht.

Die MLPE erleiden in den Sommermonaten, am Mittag von 11 bis 15 Uhr, die meisten Verluste gegenüber dem String­inverter. Dieses Mapping der Verluste mit den realen Wirkungsgraden der Komponenten für jede Stunde im Jahr zeigt Bild 4. Die Gewinne werden wieder in den Randzeiten des Tages eingefahren, wenn die Sonne tiefer liegt und die Schatten lang sind.

Es gibt aber bei der Entscheidung für oder wider MLPE noch andere Aspekte zu beachten, die nicht auf der Jahres­perfor­mance basieren (Tabelle). Beispielsweise führt der Betrieb des beschatteten Moduls im Arbeitspunkt mit der höheren Modul­spannung, wie in Bild 1 rechts dargestellt, zu keiner lokalen Übertem­peratur an der limitierenden Zelle. Anders jedoch bei der Aktivierung der Bypass-Diode mit dem String­inverter, wenn sie im Sommer am Mittag passiert und die kritische Grösse von über 100 °C erreicht. Damit ist sie gefährlich nahe an der Delami­nations­grenze der Module. Wenn jedoch eine Modul-Platzierung gewählt wird, bei der am Mittag diese Verschattung nicht auftritt, kann dies elegant auch mit einem String­inverter verhindert werden.

Ein wesentlicher anderer Aspekt ist das Risiko, das in Bezug auf die Langzeit­stabilität der MLPE durch die höhere Betriebs­temperatur der MLPE-Elektronik­kompo­nenten hinter den Solar­modulen im Feld gegeben ist. Obwohl dazu noch keine unabhängigen Messergebnisse aus dem Feld vorliegen, sollte es trotzdem beachtet werden. Denn wenn ein Tausch der MLPE am Dach nötig wird, verbleiben – auch bei kostenlosem Ersatz der Hardware innerhalb der 25-jährigen Garantiezeit – die Kosten für Arbeitszeit und Zusatzkosten.

Fazit und Ausblick

Die bisher analy­sierten Situa­tionen Schrägdach mit Schorn­stein/Lukarne erbrachten einen Vorteil der Optimizer von bis zu ca. 2% für die jährliche Performance gegenüber dem String­inverter. Jedoch können 2% Mehrertrag durch eine effizientere Leistungs­elektronik, die nur einen Zehntel der Gesamtkosten bindet, einen um 20% höheren Wechsel­richter­preis rechtfertigen. Auch andere messtech­nische Unter­suchungen zu MLPE versus String­inverter kamen auf Unterschiede im Ertrag in der Grössenordnung von nur 1% [4] bis 4% [5] für leichte Verschattungen wie hier beschrieben.

Solche Analysen erfordern präzise Komponenten-Kenndaten der drei­dimen­sionalen Verschattungs­situation sowie die genaue Lage und Orientierung jeder Solarzelle. Es ist nicht realistisch anzunehmen, dass Planer so viel Zeit investieren sollten, um diese geometrischen Daten für die Detailanalysen vor Ort zu erheben. Es wird aber empfohlen, auf Basis von ähnlichen Situationen Dachtypen, Verschattungs­objekte und Modulzahl im String auf typische quantitative Performance- Gewinne der MLPE zu schliessen.

Wichtig wird auch sein, diese Messdaten mit denen anderer Fach­gruppen inter­national zu vergleichen, Empfehlungen für die Branche zu erarbeiten und die Ergebnisse mit der Branche zu teilen. Oft bringt der Einsatz von einzelnen MLPE nahe einem Schatten­objekt ähnliche Gewinne wie ein kompletter Satz von MLPEs für jedes Modul.

Kaum einem PV-Praktiker oder PV- Planer sind diese Zusammen­hänge im Detail bekannt und der MLPE-Mehrertrag wird oft überschätzt. Im Rahmen eines demnächst startenden BFE-Forschungsprojekts werden wir diese Analysen der Verschattungs­varianten ausweiten, weitere Labor­messungen ausführen und die Ergebnisse auch mit Messungen aus dem Feld vergleichen. Inputs aus der Praxis sind immer willkommen. Es ist geplant, wieder für die Inter­nationale Energie-Agentur im Rahmen von Arbeitsgruppe Task 13 diese MLPE-Erkenntnisse mit jenen anderer Labors zu vergleichen und zu diesem Thema eine entspre­chende gemeinsame IEA-Publikation zu koordinieren.

Referenzen

[1] www.solaredge.com/sites/default/files/how-to-sell-solaredge-eng.pdf, Download 03/2021, erstellt in 2019.

[2] C. Allenspach, V. Gonzalez de Echavarri Castro, S. Richter, C. Meier, F. Carigiet, F.P. Baumgartner; 37th European Photovoltaic Solar Energy Conference and Exhibition, 2020, p. 1188, home.zhaw.ch/~bauf/T/MLPE/index.htm.

[3] F. Baumgartner, M. Green, M. Littwin, W. van Stark; Report IEA-PVPS T13-15:2021, Performance of New Photovoltaic System Designs; ISBN 978-3-907281-04-8, Chapter 3.1.4.

[4] W. T. Franke, «The Impact of Optimizers for PV-Modules», University Research Report Uni SDU Electrical Engineering, sdu.dk, May 2019, Tab. 3.

[5] C. Deline, M. Donavan, J. Forrest, Technical Report NREL/TP-5200-54876, May 2012.

Ein besonderer Dank geht an Cyril Allenspach und Fabian Carigiet, ZHAW. Sie haben die Labor-Messungen und die Simulation wesentlich vorangetrieben.

Autor
Prof. Dr. Franz Baumgartner

ist Studien­gang­leiter Energie- und Umwelt­technik SoE an der ZHAW.

  • ZHAW, 8400 Winterthur

Kommentare

Erich Straub,

Mit Interesse habe ich den Bericht zum Thema PV-Optimizer gelesen. Mein Nachbar hat sich 2019 eine PV-Anlage mit Optimizern installieren lassen. Seither wird der Empfang meiner Amateurfunk-Anlage massiv gestört. Die Störungen reichen bis in den Bereich von 300 MHz. Aufgrund einer Verfügung des Bakom musste die Anlage saniert werden. Der Störpegel konnte vor allem im Kurzwellen-Bereich (2-30 MHz) deutlich reduziert werden. Die Anlage erfüllt die Anforderungen der Verordnung der elektromagnetischen Verträglichkeit aber nach wie vor nicht.
Die Erstellung einer EMV-konformen PV-Anlage ist möglich, bedingt aber eine Sensibilisierung und Information der Branche. Es ist nicht förderlich für das Image der Solarenergie und sehr ärgerlich für den Besitzer, wenn er durch eine Verfügung zur Sanierung der Anlage aufgefordert wird. Ich betreibe selber zwei PV-Anlagen auf meinem Haus und kann keine Störungen feststellen. Mit meinem Kommentar möchte ich helfen zu verhindern, dass Kunden durch die Installation von PV-Optimizern negative Erfahrungen machen. Störungsfreier Empfang für Funkamateure liegt mir natürlich auch am Herzen.

E. Straub, HB9MOW

Harald Schwieger,

Ich habe wegen eines Schneedrucks vor 3 Jahren einige Module tauschen müssen. Um die alten und neuen Module kombinieren und die elektrische Sicherheit auf den neuesten Stand zu bringen habe ich mich für Optimizer entschieden. Der Ertrag ist um ca. 10 % gestiegen. Aber die wichtigste Erkenntnis, die 15 Jahre alten Module laufen leistungstechnisch auseinander, nur durch die Optimizer ist das kein Problem. Das erkennt kein Labor.

Jürgen Freyer,

Interessant wäre, einmal zu untersuchen, wie sich Optimizer im Zusammenspiel mit den AR Solar (hot spot free) Paneelen verhalten. Bei den AE Solar Paneelen sind für jede Zelle Bypassdioden verbaut - somit wird so ein Paneel für einen Optimizer in etwa zu einer PV Anlage mit 3p x 9s bzw. 4p x 10s Zellen (Mikropaneelen). Wenn ich es richtig verstanden habe, einigen sich zumindest bei den Solar Edge Optimizern diese auf einen gemeinsamen Strom und variieren dafür den Spannungsabfall in den Optimizern.

Zum Thema Verschattung im Sinne gesamte Einstrahlung versus durch Verschattung mit reiner Diffuslicht-Einstrahlung habe ich bis jetzt noch nichts gefunden.

Bitte rechnen Sie 5 plus 8.