Fachartikel Messtechnik

Mehrwerte für die Energiewende

Smart-Meter-Kommunikation

23.02.2021

Smart Meter Gateways ermöglichen nicht nur netzdienliche Anwendungen, sondern neue Geschäftsmodelle und Mehrwertdienste für Energieversorger und Stadtwerke. Im lokalen Energiemarkt Quartierstrom 2.0 in Walenstadt kommen solche Smart Meter Gateways zum Einsatz.

Am 21. Mai 2017 haben die Stimmbürger und Stimmbürgerinnen der Schweiz das revidierte Energiegesetz respektive die Energiestrategie 2050 angenommen. Dies hat zur Folge, dass der Energieverbrauch reduziert, die Effizienz gesteigert und die erneuerbaren Energien ausgebaut werden müssen. Ziel der neuen Strategie ist eine grössere Unabhängigkeit der Schweiz im internationalen Strommarkt. Da die Kosten für dezentrale erneuerbare Energiequellen wie Wind- und Solarenergie erheblich gesunken sind, werden verteilte Energieressourcen zu einem wichtigen Hebel für diese Transformation des Strommarktes hin zu einer nachhaltigeren Energieversorgung für die Schweizer Bevölkerung.

Diese Dezentralisierung der Energieversorgung bringt unweigerlich mit sich, dass die bestehenden Netze optimiert werden müssen. Um Transparenz in dieser neu aufgestellten, immer kleinteiligeren Energielandschaft zu schaffen und auf die wetterbedingten Schwankungen von Solar- und Wind­energie reagieren zu können, verlangt der Gesetzgeber in Zukunft umfassende Datenerhebung zum Energieverbrauch sowie zur Produktion, die ins Netz eingespiesen wird. 80 % der mechanischen Stromzähler müssen bis 2027 durch intelligente Messsysteme ersetzt werden. Diese bestehen aus digitalen Stromzählern und Smart Meter Gateways. Die erfassten Daten ermöglichen zuvor unbekannte Einblicke in die Verbrauchsmuster von Endkonsumenten. So können völlig neue Dienstleistungen für Kunden entstehen, die Energieversorgern neue Geschäftsmodelle eröffnen.

Lokaler Energiemarkt Quartierstrom 2.0

Ein gutes Beispiel für den mehrwert­orientierten Einsatz von Smart Meter Gateways ist die Lösung Quartierstrom  2.0 von Exnaton. Im «Quartierstrom»-Folgeprojekt erlaubt die Lösung die digitale Umsetzung eines lokalen Strommarktes, welcher Prosumern ermöglicht, überschüssigen Solarstrom direkt an Nachbarn zu verkaufen. Kern der Lösung ist ein Matching-Algorithmus, der innerhalb der Community das tatsächliche Angebot an PV-Strom in Echtzeit mit der aktuellen Nachfrage abgleicht.

Auf dieser Grundlage werden dynamische Tarife entwickelt und die Transaktionen zwischen Anbieter und Abnehmer berechnet. Der Handel erfolgt damit vollautomatisch zwischen den Teilnehmern der Community. Eine App bietet diesen jederzeit einen aktuellen Überblick über ihre Aktivitäten und die Herkunft ihres verbrauchten Stroms. Die Veranschaulichung der lokalen Komponente der Energieversorgung schafft eine Emotionalisierung mit dem Thema Energie. Versorger, welche die Lösung und die Infrastruktur als Service für ihre Kunden bereitstellen, erhalten neben präzisen Messdaten aus den angeschlossenen Haushalten auch die komplette Abrechnung der Transak­tionen.

BFE-gefördertes Pilotprojekt

Das Projekt Quartierstrom 2.0 wird vom nationalen Programm Energie  Schweiz des Bundesamts für Energie (BFE) gefördert und befindet sich seit Anfang 2020 bei 37 Kunden im Einsatz. Den notwendigen Pioniergeist zur erstmaligen Umsetzung in der Praxis fand sich beim Energie- und Wasserwerk Walenstadt (WEW). Das EVU versorgt rund 3000 Kunden im Kanton St. Gallen. Der Datenaustausch zwischen Stromlieferanten und -abnehmern erfolgt über eine skalierbare Kommunikationsplattform der deutschen Theben AG. Für den Betrieb des lokalen Markts sammelt und überträgt das Gateway Lastgangsdaten der teilnehmenden Haushalte. Das Gateway wurde vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik in Deutschland offiziell zertifiziert und entspricht damit den höchsten Datenschutz- und Datensicherheitsbestimmungen in Europa, die durch technische Geräte erreicht werden können.

Smart Meter Gateways für alle Bereiche der Energiewende

Smart Meter Gateways übernehmen die eigentliche Intelligenz in einem Energiesystem als Kommunikationsschnittstelle zwischen Verbrauchern,  Prosumern und Versorgern. Sie ermöglichen es, neben netzdienlichen Anwendungen zukunftsfähige Mehrwertdienste bereitzustellen, die neue Geschäftsmodelle mit zusätzlichen Erlös- und Kundenpotenzialen eröffnen.

Smart Meter Gateways lassen sich für ein breites Einsatzspektrum nutzen. Die Anwendungen reichen von Smart Metering/Sub Metering und Smart Grid über Smart Mobility und Smart Home/Smart Building bis zu Smart Services. Alleine Theben verfolgt aktuell über 100 Feldversuche und Pilotprojekte, etwa in den Bereichen E-Ladesäulen-Management, Photovoltaik-Anlagen-Management, Heizungs-Management oder Energie-Management bis hin zu Anwendungen im landwirtschaftlichen Bereich. Für Messstellenbetreiber sowie Netz- und Vertriebsgesellschaften und Stadtwerke sind Smart Meter Gateways Schlüsselfaktoren zur nachhaltigen Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und Kundenbindung.

Autor
Steve Schild

ist Verantwortlicher Smart Metering Schweiz bei der Theben HTS AG.

  • Theben HTS AG, 8307 Effretikon

Kommentare

Was ist die Summe aus 1 und 3?