Klimawirksame Kennzahlen
CO2-Reduktion
Die Erreichung der anvisierten Klimaziele stellt die internationale Gesellschaft vor grosse Herausforderungen. Auch die Schweiz wird grosse Anstrengungen unternehmen müssen, um ihre Ziele zu erreichen. Einige Kennzahlen dazu.
Seit 1870 sind bis 2017 weltweit rund 390 Gt Kohlenstoff durch Verbrennung fossiler Brennstoffe an die Atmosphäre abgegeben worden. Um die Temperaturerhöhung relativ zur vorindustriellen Zeit auf 2 °C zu begrenzen, darf der Kohlestoffgehalt der Atmosphäre bis 2100 insgesamt höchstens 800 Gt Kohlenstoff betragen, um das 1,5-°C-Ziel einzuhalten sogar nur 550 Gt. Nicht nur die Hauptemittenten von CO2 wie die USA und China sind gefordert, sondern alle Länder müssen einen angemessenen Beitrag leisten. Wie die Verteilung der Last für das 2-°C- beziehungsweise das 1,5-°C-Klimaziel für alle Kontinente aussehen müsste, ist in [1], [2] und [3] im Detail analysiert worden.
Was ergibt sich daraus insbesondere für die Schweiz? Das obenstehende Bild zeigt den bisherigen sowie den notwendigen Verlauf der CO2-Emissionen bis 2050 zur Erreichung der erwähnten Klimaziele. Wohlgemerkt, es handelt sich lediglich um die effektiven Inlandemissionen. Beiträge, die durch den zwar notwendigen und marktwirtschaftlich sinnvollen Emissionshandel im Ausland erzielt werden, sind nicht dazuzurechnen. Dieser ist als Hilfe der starken Industrieländer für den Aufbau einer nachhaltigen Energiestruktur in Entwicklungsländern zu verstehen und ebenso als Hilfe für jene Länder, deren Wirtschaft grösstenteils durch den Abbau eigener fossiler Reserven finanziert wird, und die somit Mühe haben, den Weg zu einer nachfossilen Energiewirtschaft zu finden. Die nationale und internationale Politik muss dies unterstützen und möglichst sicherstellen.
Sinnvollerweise ist die Emissionsreduktion relativ zur Wirtschaftskraft zu bemessen, dazu dient zum Beispiel das vom Internationalen Währungsfonds ermittelte Bruttoinlandprodukt bei Kaufkraftparität BIP von 2010.[4]
Den entsprechenden Nachhaltigkeitsindex kann man in g CO2/$ ausdrücken. 2018 beträgt dieser Wert für die Schweiz rund 80 g CO2/$. Dieser Indikator ist das Produkt von Energieintensität der Wirtschaft in kWh/$ und CO2-Intensität der Energie in g CO2/kWh. Im untenstehenden Bild ist der Verlauf dieser Indikatoren für die Schweiz dargestellt. Die Energieintensität muss weiterhin abnehmen von 0,57 kWh/$ im Jahr 2018 auf etwa 0,45 im Jahr 2030 und auf unter 0,3 kWh/$ im Jahr 2050.
Dabei ist zu beachten, dass die Endenergie Elektrizität aufgrund der Elektrifizierung des Verkehrs und des vermehrten Einsatzes von Wärmepumpen kaum abnehmen wird. Umso stärker muss demzufolge die CO2-Intensität der Energie reduziert werden. Um das 1,5-°C-Ziel zu erreichen, muss der Wert von 132 g CO2/kWh im Jahr 2018 auf 120, oder noch besser auf unter 100 g CO2/kWh im Jahr 2030 und auf mindestens 100, besser aber auf 30 g CO2/kWh im Jahr 2050 sinken.
Das obenstehende Bild veranschaulicht den mit den obigen Indikatoren kompatiblen Verlauf der Pro-Kopf-Indikatoren bezüglich Bruttoinlandprodukt, Bruttoenergie und CO2-Ausstoss. Die angenommene Entwicklung des BIP entspricht bis 2024 den Voraussagen des Internationalen Währungsfonds. Die Pro-Kopf-Emissionen von CO2 sollten bis 2050 von heute etwas über 4 t pro Kopf mindestens auf 2 t CO2 sinken. Um das 1,5-°C-Ziel zu erreichen, muss der Ausstoss sogar auf unter 1 t CO2 pro Kopf reduziert werden. Bis 2050 wären zudem die Bedingungen für die 2000-W-Gesellschaft erfüllt.
Um besser zu verstehen, wo Eingriffe notwendig sind, zeigt das obenstehende Bild den detaillierten Anteil der Energieträger am Bruttoenergiebedarf der Schweiz im Jahr 2017, Letzterer bestehend aus den vier Endenergien (Wärme aus Brennstoffen, Treibstoffe, Elektrizität und Fernwärme) und den Verlusten im Energiesektor.[1] Das folgende Bild veranschaulicht die entsprechenden CO2-Emissionen der Endverbraucher und der im Energiesektor entstehenden Verluste.
Schaut man sich schliesslich den Energiefluss im Energiesektor und zu den Endverbrauchern, welcher den Statistiken der internationalen Energieagentur (IEA) [5] entnommen werden kann, und die entsprechenden CO2-Emissionen an, wird deutlich, dass für die Schweiz der Verkehr und die Beheizung von Gebäuden entscheidend für den Klimaschutz sind.
Erforderliche Massnahmen bis 2050
Vor allem um das 1,5-°C-Ziel zu erreichen, sind folgende Massnahmen notwendig:
Im Verkehr: weitgehende Elektrifizierung des Kurzstreckenverkehrs; Wasserstoff und sonstige CO2-neutrale synthetische Treibstoffe für den Langstrecken-Warenverkehr, Luft- und Schifffahrt.
Bei Gebäuden: Neubau und Gebäudesanierung mit breitem Einsatz von Wärmepumpen und Photovoltaik.
Dazu muss die Politik einen höheren CO2-Preis durchsetzen, und zwar auf alle fossilen Treib- und Brennstoffe. Die Erlöse sind teilweise den dadurch stark Betroffenen durch entsprechende Fördermassnahmen zurückzuerstatten.
Zentral ist ferner eine genügende und CO2-freie Elektrizitätserzeugung. Die Kernenergie darf möglichst nicht durch Gas-Kraftwerke und fossil belastete Stromimporte ersetzt werden. Die Option Kernenergie muss nötigenfalls offen bleiben.
Sehr wichtig und noch ausbaufähig bleibt die Hydroelektrizität mit ihren entsprechenden Speichermöglichkeiten. Der starke Einsatz von Photovoltaik und Windenergie, mit Speichermöglichkeiten als Ausgleich für deren Variabilität, sowie die entsprechende Dezentralisierung der Einspeisungen, stellen grosse Anforderungen an die Sicherheit und Stabilität der Hoch-, Mittel- und Niederspannungsnetze. Das Problem ist aber mit entsprechender digitaler Überwachung und Steuerung lösbar.[6]
Bis 2030 sind obige Forderungen nur teilweise erfüllbar. Mögliche Szenarien für 2030 sind nachfolgend veranschaulicht.
Situation im Jahr 2030 im Fall des 2-°C-Klimaziels
Um das 2-Grad-Klimaziel zu erfüllen, muss die Schweiz die CO2-Emissionen gemäss Bild 2 auf 31 Mt senken. Die entsprechenden Indikatoren sind dann 0,47 kWh/$, 121 g CO2/kWh und 57 g CO2/$. Ein Szenario für Energieträgeranteile und Energieflüsse, das dieses Ziel in etwa erfüllt, zeigen die untenstehenden Bilder. Ersteres zeigt, dass Anstrengungen vor allem im Verkehrssektor durch bessere Effizienz sowie Elektro- und Hybridmobilität schon viel bewirken. Der zusätzliche Elektrizitätsbedarf kann durch leichte Erhöhung der Hydroelektrizität und vor allem durch Photovoltaik gedeckt werden.
Situation im Jahr 2030 im Fall des 1,5-°C-Klimaziels
Um das 1,5-Grad-Klimaziel zu erreichen, müssen höhere Anforderungen erfüllt werden. Die Energieträgeranteile sind in den untenstehenden Bildern dargestellt. Die CO2-Emissionen betragen 23 Mt und die Indikatoren sind 0,43 kWh/$ sowie 100 g CO2/kWh und 43 g CO2/$. Diese entsprechen in etwa den Anforderungen von Bild 2. Im Vergleich zum 2-Grad-Ziel ist für das 1,5-Grad-Ziel, neben stärkeren Anstrengungen im Mobilitätsbereich, zusätzlich im Wärmebereich der Ölanteil zu reduzieren und durch Erdgas – und vor allem durch Geothermie (Wärmepumpen) – zu ersetzen.
Referenzen
[1] Valentin Crastan, Klimawirksame Kennzahlen, Band I, Europa + Eurasien und Afrika, 2. Auflage, Springer, 2018.
[2] Valentin Crastan, Klimawirksame Kennzahlen Band I, Europa + Eurasien und Afrika, 3. Auflage, Springer, 2020.
[3] Valentin Crastan, Klimawirksame Kennzahlen, Band II, Amerika, Nahost und Südasien, Ostasien und Ozeanien, 2. Auflage, Springer, 2019.
[4] WEO Databases, www.imf.org, Oktober 2019.
[5] «Statistics & Balances», www.iea.org, Oktober 2019.
[6] Valentin Crastan, Dirk Westermann, Elektrische Energieversorgung 3, 2. Auflage, Springer, 2018.
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