Rückschau Automation , Internet of Things , Mobilität

Frei fliessende Daten für frei fliessenden Verkehr

18. Asut-Kolloquium

22.11.2017

Selbstfahrende und selbstständig parkierende Autos, effiziente Verkehrsleit­systeme und optimierte Verkehrs­ströme: Um den Verkehrs­kollaps zu verhindern und das Verkehrs­system nachhaltiger zu gestalten, muss die Mobilität smarter werden. Am 18. Asut-Kolloquium, einer gemeinsamen Konferenz zum Thema, haben der Schweizerische Verband der Telekom­munikation (Asut), das Bundesamt für Strassen (Astra), die Schweize­rische Verkehrs­telematik-Plattform (ITS-CH) und der Touring Club Schweiz (TCS) zu ergründen versucht, wie das zu bewerk­stelligen wäre.

Wir stecken mitten in einer Übergangsphase, dieser Befund zog sich als Leitmotiv durch die Tagung im Berner Kursaal. Die Schweiz stösst raumplanerisch an ihre Grenzen, gleichzeitig wachsen der Personen- und Güterverkehr immer weiter. Der Ausbau des bestehenden Verkehrsnetzes – oder «noch mehr Beton und Schiene», wie die Verkehrspolitikerin Edith Graf-Litscher es in einem fulminanten Vortrag umschrieb –, kann als Antwort auf die wachsenden Mobilitätsbedürfnisse deshalb nicht mehr überzeugen. Mehr Kapazität schaffen kann jetzt nur noch die Digitalisierung, die Vernetzung, der bewusste Einsatz von smarten Daten, der Mut zur Innovation: «Es geht jetzt darum, gemeinsam intelligente Lösungen zu finden», sagte Edith Graf-Litscher und rapportierte aus dem Parlament, dass die Dringlichkeit der Lage dazu führe, dass noch bis vor Kurzem verhärtete Fronten sich nun aufweichen würden.

Grenzwerte und Datenschutz

Die vielfältigen Herausforderungen, die es dabei zu bewältigen gilt, wurden an der Tagung aufgezeigt. Da lancierte beispielsweise Asut-Präsident Peter Grütter einen flammenden Appell an die Unternehmenswelt, ihre Daten nicht eifersüchtig in Datensilos zu horten, sondern frei zirkulieren zu lassen, damit sie im vernetzten Informationsaustausch ihr strategisches Potenzial entfalten könnten. Und Frank Henschke, CTO Ericsson Schweiz, erklärte apodiktisch, dass der Ausbau des neuen Mobilfunkstandards 5G in der Schweiz ohne ein Anheben der geltenden Grenzwerte schlicht nicht möglich sein werde. Ohne Zweifel: Die smarte Mobilität von morgen ist darauf angewiesen, dass Maschinen miteinander kommunizieren können und 5G ist eine Grundvoraussetzung dafür.

Dr. Peter Kirchschläger, Professor für Theologische Ethik an der Universität Luzern, erinnerte jedoch daran, dass jede Innovation den geltenden Gesetzen Rechnung tragen müsse und insbesondere das Recht auf Privatsphäre und die informationelle Selbstbestimmung Menschenrechte seien, die auch in einer smarten Welt weiterhin ihre Gültigkeit behalten müssten: «Es geht hier um normative Standards, die die Menschheit in langen mühsamen Kämpfen errungen hat und die wir nicht einfach so preisgeben sollten.» Peter Goetschi, Zentralpräsident TCS, stimmte ihm zu: Ohne gesellschaftliche Akzeptanz lasse sich das innovative Potenzial der Digitalisierung nicht erreichen, warnte er. Und diese Akzeptanz wiederum hänge direkt davon ab, ob es gelinge, mit Daten sicher umzugehen.

Interessen vereinen

Mit anderen Worten: Wirklich smart wird die Mobilität der Zukunft erst, wenn es ihr gelingt, die verschiedenen Sensibilitäten von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft auszubalancieren – ein schwieriges Unterfangen, aber eines, das eben zu der Übergangsphase, in der wir stecken, gehöre, meinte ­Astra-Direktor Jürg Röthlisberger: «Die Trial-and-Error-Phase dauert sicher noch drei bis fünf Jahre», sagte er. Was an ihrem Ende stehen könnte, schien an der Tagung in diversen Referaten immer wieder auf: Etwa wenn Felix Eberli, Leiter der Abteilung Embedded & Automotive bei der Supercomputing Systems AG, vollautomatisierte Autos heraufbeschwörte, die wie von Geisterhand bewegt, jedem Hindernis ausweichen. Wenn Nils Planzer, CEO Planzer Transport AG, intelligente Laster auf die Strasse schickte, oder Prof. Dominik Herrmann von der Otto-Friedrich-Universität Bamberg die Freuden (und Leiden) im Tag eines Smart-Car-Nutzers schilderte.          

Smartes Fahren

Schweizer geben das Steuer nur ungern aus der Hand

Der Verkehr der Zukunft ist smart. Aber ist die Schweizer Bevölkerung bereit für Autos, die selber fahren, selbstständig parkieren oder sogar von allein bestimmen, welches die beste Route ist, um von A nach B zu kommen? Eine von Asut in Auftrag gegebene Studie zeigt, dass Schweizerinnen und Schweizer sich zwar mit technischer Unterstützung beim Führen eines Fahrzeuges durchaus anfreunden können, völlig automatisierten Fahrzeugen hingegen noch starke Vorbehalte entgegenbringen. Der Aussicht, dafür unterwegs im Auto zu arbeiten, könnte aber die Gruppe, die dies bereits im ÖV tut, zu einem Wechsel aufs Auto bewegen. Als nützlich erachtet wird der Einsatz von autonomen Fahrzeugen hingegen im öffentlichen Verkehr und für ältere Menschen, die dadurch länger mobil bleiben könnten.

Durchgeführt wurde die Studie vom Beratungsbüro EBP Schweiz AG unter der Leitung von Dr. Peter de Haan. Sie kann – zusammen mit allen Referaten der Tagung – unter www.asut.ch (Rubrik Publikationen/Studien bzw. Publikationen/Veranstaltungsarchiv) unentgeltlich heruntergeladen werden.

Autorin
Christine D'Anna-Huber

ist freie Wissen­schafts­jour­nalistin und Redak­torin des Asut-Bulletins.

  • CDH Wissenschaft im Text, 6900 Paradiso

Kommentare

Bitte rechnen Sie 6 plus 3.