Fachartikel Energiespeicher , Smart Grid

Energiespeicher im Stromnetz

Technische Herausforderungen

28.05.2019

In der Diskussion über den Einsatz von Energiespeichern wie zum Beispiel Batterien stehen die Optimierung von Energieflüssen und die Kosten im Vordergrund. Dass beim Betrieb von immer mehr leistungsstarken Anlagen Netzrückwirkungen entstehen, welche bereits heute zu kritischen Betriebszuständen des Stromnetzes führen können, wird gerne vergessen.

Nur unter Berücksichtigung der technischen Grenzen des Stromnetzes wird die Umsetzung der Energiestrategie 2050 ohne Einbussen bei der Versorgungsqualität gelingen. Dabei stellen sich für den Netzbetreiber beim Einsatz von Energiespeichern in seinen Verteilnetzen mindestens zwei technische Herausforderungen: Erstens sind Speicher je nach Einsatz Verbraucher oder Einspeisungen, deren Leistungen mit einem hohen Gradienten verstellbar sind. Bei zeitgleichem Verhalten kann dies die Netze überlasten. Zweitens beeinflussen die zur Umwandlung von Gleichspannung in Wechselspannung eingesetzten Wechselrichter die frequenzabhängige Netzimpedanz und koppeln insbesondere bei vorhandenen Spannungsverzerrungen Oberschwingungsströme ein, welche zu begrenzen beziehungsweise zu beherrschen sind.

Wie tickt das Stromnetz?

Als in der Schweiz ab 1903 die ersten Kraftwerke miteinander verbunden wurden, um die Versorgungssicherheit lokaler Netzinseln zu erhöhen [1], dürfte kaum jemandem bewusst gewesen sein, mit welchen Herausforderungen das Stromnetz etwas mehr als 100 Jahre später konfrontiert sein wird. Beim regionalen und überregionalen Zusam­menschluss von lokalen Niederspan­nungs­netzen (NS) über die Mittelspannungs- (MS) und die Hochspan­nungsebene (HS) spielte die zentrale Einspeisung von Kraftwerken zur Versorgung dezentraler Verbraucher die Hauptrolle. Als von 1903 bis 1958 neue Kraftwerke in den Bergen entstanden, wurden diese über die Höchstspan­nungsebene mit den Hochspannungsnetzen verbunden. Durch die interna­tionale Verbindung mit Frankreich und Deutschland am Stern von Laufenburg 1958 wurde es möglich, Energie von leistungsstarken Kraftwerken über weite Distanzen zu übertragen. Der in eine Richtung existierende Leistungsfluss «Vom Kraftwerk zum Verbraucher» hatte für rund 100 Jahre Bestand und erlaubte, die eingespeisten und verbrauchten Leistungen im Tagesgeschäft relativ genau zu prognostizieren und aufeinander abzustimmen. Seit einigen Jahren nehmen erneuerbare Energieträger eine wesentliche Rolle ein und prägen das Verhalten des Stromnetzes massgeblich (Bild 1). Durch die Zunahme fluktuierender Strom­erzeugung steigt der Bedarf an Tages-, Wochen- und Saisonspeicherung. Damit verändert sich das Verhalten des Stromnetzes grundlegend. Elektrische Energie kann in grossen Mengen auf jeder Netzebene eingespeist und zwischen­gespeichert werden, sei es mit Batterien, Speicherseen oder Power-to-Gas. Im Schweizer Stromnetz, dessen Leitungen insgesamt rund sechsmal um die Erde reichen würden [2], ist der Anschluss von Energie­speichern an einer fast unbegrenzten Anzahl von Verknüp­fungs­punkten denkbar.

Der ideale Anschlusspunkt

Zur Speicherung elektrischer Energie bietet sich für den Prosumer im Privathaushalt eine Batterie im NS-Netz an. Die Verbindung eines Speichers mit der Hauptverteilung ist ohne zusätzliche Infrastruktur möglich. Durch die kleineren Leitungsquerschnitte und die höheren Ströme gelangt das NS-Netz eher an seine Leistungs- und Spannungsgrenzen als die anderen Netzebenen. Zusammen mit PV-Anlagen, Wärmepumpen, Elek­troautos und Klimaanlagen werden die Planung und der Betrieb des NS-Netzes für den Netzbetreiber komplexer – auch hinsichtlich der Einhaltung der Spannungsqualität, welche unter der zunehmenden Anzahl an Umrichtern leiden kann. Zudem stellt sich aus Sicht des Gesamtsystems die Frage, wie viel dezentrales Haushaltsspeichervolumen optimal ist. Speicher im NS-Netz sind dann sinnvoll, wenn sie beim Bau von PV-Anlagen und Lade­infrastruktur Netzinvestitionen verhindern können. Dagegen haben grös­sere Speicher auf höheren Netzebenen den Vorteil, dass sie eine grosse Anzahl an Kunden versorgen und somit die Verschachtelung von Verbrauchs- und Einspeiseprofilen nutzbar ist: Zu viel produzierte Energie eines Prosumers kann oft direkt durch andere Verbraucher im Netz bezogen werden – ohne Zwischenspeicherung. Dies reduziert das benötigte Speichervolumen. Grosse Batterien sind zudem aufgrund ihrer Leistung und ihres schnellen Reaktionsvermögens zur Primärregelung in «beide Richtungen» geeignet. Weil durch die Abnahme konventioneller Grosskraftwerke zunehmend Trägheit von rotierender Masse (Momentanreserve) wegfällt, könnten Batterien auch die Frequenzhaltung in Form von virtueller Trägheit unterstützen.

Wieso Energie nicht gleich Leistung ist

Ein Vorteil einer Batterie ist die Möglichkeit, den Eigenverbrauch zu optimieren. Dies kann besonders beim Zusammenschluss zum Eigenverbrauch (ZEV) durch Einsparung von Netznutzungsentgelten einen Mehrwert generieren. Dass weniger Energie über die Leitungen des Netzbetreibers übertragen wird, bedeutet aber nicht automatisch, dass Leistungsspitzen reduziert werden. Doch genau diese sind es, welche die Dimensionierung des Netzes bestimmen. Die Stromkosten pro kWh steigen insgesamt an, wenn weniger Energie übertragen wird, ohne dass dabei vom Netzbetreiber Netzkosten eingespart werden können. Damit findet eine Umverteilung der Netzkosten auf die übrigen Kunden statt, wodurch die Verursachergerechtigkeit bei der Netzkostenzuweisung sinkt. Wenn die Betreiberin eines ZEV dank Arbeitstarifen (CHF/kWh) von einem geringeren Netznutzungsentgelt profitiert, so wäre ein netzdienliches Verhalten wünschenswert oder die Anwendung von verursachergerechten Leistungstarifen (CHF/kW). Durch Anpassung der Netznutzungstarife hin zu Tarifen mit grös­seren Leistungskomponenten könnten die entsprechenden Anreize gesetzt und Netzkosten reduziert werden. Nur wenn Prosumer ihren Leistungsbedarf langfristig und verbindlich reduzieren, ­können Einsparungen beim Netzbau realisiert werden.[3] Dies ist eine Voraussetzung für den weiteren Ausbau von PV-Anlagen in Wohngegenden und Gewerbegebieten, ohne in das Netz investieren zu müssen. Die neuen Tarifvorgaben im StromVV Art. 18 begünstigen den Ausbau von dezentraler Stromproduktion stärker als bisher, was grundsätzlich zu begrüssen ist. Es gilt aber zu beachten, dass ohne Anreize zur Leistungsreduktion die Netzkosten eher steigen als sinken werden. Eine Batterie kann je nach Einsatzregime positive oder negative Auswirkungen auf das Stromnetz haben. Sie entlastet dieses nachhaltig, wenn sie netzdienlich arbeitet, und ist selbst in einem Szenario ohne Solarstrom, also bei reinem Verbrauch, in der Lage, Bezugsspitzen aus dem Netz zu brechen.

Wie entstehen Netzrückwirkungen?

Beim Anschluss von Geräten an das Stromnetz verursachen diese über den eingespeisten oder bezogenen Strom Netzrückwirkungen, welche andere Geräte stören können. Wenn im Folgenden von nicht idealen Strömen und Spannungen die Rede ist, so ist damit gemeint, dass die betroffene Grösse keine ideale Sinusform aufweist. Zur Vereinfachung wird die Betrachtung nur für einen Phasenleiter durchgeführt. In der Realität treten Netzrückwirkungen auf allen drei Phasenleitern und oft unsymmetrisch, also nicht auf allen Phasen gleich, auf. Bild 2 zeigt ein Beispielnetz mit einem Generator, der an den Klemmen eine ideale Sinusspannung von 50 Hz mit einem Effektivwert von 230 V erzeugt (schwarz). Über die Kurzschlussimpedanz ist ein Verknüpfungspunkt VP mit dem Generator verbunden. Am VP bezieht ein Gerät einen nicht idealen, mit Oberschwingungen überlagerten Strom. Wenn die Impedanz ZKV mit 2 Ω und der Strom I2 mit 0 A angenommen wird, so ist der Strom I gleich I1 und der nicht ideale Strom I (rot) bewirkt über der Netzimpedanz einen Spannungsabfall mit einer nicht idealen Spannungsform (blau). Der Spannungsabfall überlagert die Generatorspannung und führt zu einer verzerrten Spannung am Verknüpfungspunkt. Dadurch werden auch alle anderen Geräte, die am VP angeschlossen sind, mit einer verzerrten Spannung gespeist.

Können Energiespeicher das Netz stören?

Netzrückwirkungen können verschiedene Qualitätsmerkmale der Versorgungsspannung beeinflussen, wie die Amplitude, die Form, die Unsymmetrie zwischen den Phasenleitern und die Frequenz. Letztere ist im gesamten westeuropäischen Verbundnetz identisch und ausserhalb des Einfluss­bereichs der Verteilnetzbetreiber. Amplitude, Form und Unsymmetrie der Spannung in einem Verteilnetz werden zum grössten Teil durch die Anlagen in diesem Netz selbst bestimmt. Daher bewilligt der Verteilnetzbetreiber nur Anlagen, welche die Anforderungen zum Netzanschluss erfüllen, z. B. gemäss den D-A-CH-CZ-Regeln.[4] Die Norm EN 50160 spezifiziert zudem Merkmale der Spannung in öffentlichen Versorgungsnetzen [5], an denen sich der Netzbetreiber orientiert. Durch geeignete Dimensionierung von Leitungen und Transformatoren verhindert der Netzbetreiber Überlastungen sowie Über- und Unterspannungen beim Laden und Entladen der Speicher über das Netz.

Wird Wirkleistung am Verknüpfungspunkt eingespeist (Speicherentladung), steigt die Amplitude der Versorgungsspannung. Umgekehrt sinkt diese, sobald Wirkleistung bezogen wird (Speicherladung). Die Höhe der Amplitudenänderung ist abhängig von der Höhe der Anlagenleistung sowie von der Netzdimensionierung. Im NS-Netz werden vermehrt einphasige Anlagen angeschlossen. Bei nicht gleichmässiger Verteilung von leistungsstarken, einphasigen Geräten werden die drei Phasenleiter unsymmetrisch belastet. Dies verursacht unterschiedliche Spannungsabfälle über den Phasenleitern und somit unterschiedliche Phasenspannungen (Unsymmetrie) an einem Verknüpfungspunkt. Die Leistungselektronik von Wechselrichtern bezieht vom Netz einen Strom oder speist in das Netz einen Strom ein, der nicht einem idealen Sinus entspricht. Wie im vorherigen Abschnitt anhand von Bild 2 erklärt wurde, beeinflusst dies die Spannungskurvenform am betroffenen Verknüpfungspunkt. Die Stromform (Stromqualität eines Geräts) und die Dimensionierung der Netzelemente, durch welche der nicht sinusförmige Strom fliesst, bestimmen die Ausprägung der erzeugten Spannungsverzerrungen (Oberschwingungen). Emis­sionen bei der Schaltfrequenz (und der Vielfachen davon) der Umrichter sind zu beachten. Filtersysteme haben hierbei eine wichtige Funktion zur Eindämmung von Emissionen. Zusätzlich zur Beeinflussung der Versorgungsspannung bewirkt der Einbau jeder neuen Anlage im Stromnetz eine Veränderung der frequenzabhängigen Netzimpedanz durch das Hinzuschalten zusätzlicher Leistungselektronik (Bild 3). Im schlimmsten Fall führt dies zu einer Beeinträchtigung der Kommunikation (z. B. Rundsteuerung) durch Dämpfung vorhandener Signale oder sogar zu Wechselwirkungen zwischen Anlagen bis zur Instabilität, was bei Wechselrichtern von PV-Anlagen nach dem Einbau eines Längsreglers beobachtet werden konnte.[6]

Auf in die Zukunft!

Die Zunahme von Energiespeichern mit ihrer Leistungselektronik beeinflusst die Versor­gungs­qualität des Stromnetzes. Das Einhalten von Gerätenormen wie der EN 61000-3-x trägt dazu bei, kritische Zustände zu vermeiden. Für Emissionen von Geräten existieren heute Grenzwerte für Frequenzen von 50 Hz bis 2,5 kHz. In diesem Frequenzband treten darum auch kaum Störungen auf. Normen müssen aber auch für höhere Frequenzen festgelegt werden, um moderne Kommunikationsgeräte im Cenelec-A-Band (9 – 95 kHz) und im FCC-Frequenzband (150 – 490 kHz) nicht zu beeinträchtigen. Der zunehmende Ersatz von fossilen und nuklearen Treibstoffen durch erneuerbare Energieträger belastet das Niederspan­nungs­netz stärker und weniger vorhersehbar als bisher. Um lokale Netzausbauten zu vermeiden oder zur Optimierung des Eigenverbrauchs kann ein Einsatz eines Quartier- oder Haushaltsspeichers sinnvoll sein. Auch Speicher von Elektromobilen sollen in die Betrachtung miteinbezogen werden.

Zur nachhaltigen Reduktion des Leistungsbedarfs sind höhere Leistungstarife oder andere Anreize für netzdienliches Verhalten notwendig. Allein die Reduktion der übertragenen Energiemenge spart keine Netzinvestitionen ein. Im Sinne eines volkswirtschaftlichen Optimums und um das Niederspan­nungs­netz nicht zusätzlich zu belasten, sind Speicherlösungen in Form von Grossspeichern auf den höheren Netzebenen zu berücksichtigen. In der Diskussion sollte mögliches Speicherseevolumen nicht vergessen – und auch nicht benachteiligt – werden. Das Stromnetz muss für die neuen Leistungen und potenziellen Störquellen bereit sein. Gemäss der Strategie Stromnetze des Bundes, die voraussichtlich Mitte 2019 in Kraft treten wird, ist das Netz in der Regel nur dann auszubauen, wenn die Gewährleistung eines sicheren, leistungsfähigen und effizienten Netzes während des gesamten Planungshorizonts nicht durch eine Optimierung oder Verstärkung erreicht werden kann ([7], Änderung des StromVG Art. 9b Abs. 2). Die verschiedenen Optionen fundiert zu prüfen, ist eine grosse Herausforderung, bei der das BFH-Zentrum Energiespeicherung gerne unterstützt.

Referenzen

[1] strom-online.ch/die-geschichte-des-stromnetzes

[2] www.swissgrid.ch/de/home/operation/power-grid/grid-levels.html

[3] www.bulletin.ch/de/news-detail/wasserkraft-versus-batterien.html

[4] D-A-CH-CZ, Technische Regeln zur Beurteilung von Netzrückwirkungen

[5] EN 50160:2010 + Cor. :2010, Merkmale der Spannung in öffentlichen Elektrizitätsversorgungsnetzen

[6] Swinging Grids, Schlussbericht, www.aramis.admin.ch/Texte/?ProjectID=35403

[7] www.bfe.admin.ch/bfe/de/home/versorgung/stromversorgung/stromnetze/netzentwicklung-strategie-stromnetze.html

Link

BFH-Zentrum Energiespeicherung

Autor
Stefan Schori

ist ist Tenure-Track-Dozent und Gruppen­leiter im Labor für Elektri­zitäts­netze der Berner Fach­hoch­schule.

Autor
Yoann Moullet

arbeitet als Forscher am BFH-Zentrum Energiespeicherung der Berner Fachhochschule.

  • Berner Fachhochschule BFH, 2560 Nidau
Autor
Prof. Michael Höckel

ist Dozent für Energiesysteme an der BFH.

Kommentare

Bitte addieren Sie 9 und 8.