Fachartikel Energieeffizienz

Energiekarten für die Schweiz

Gebäude- und Wohnungsstatistik im Hektarraster

29.03.2018

Novatlantis GmbH – ein PSI-Spin-off – hat die Informationen aus der Gebäude- und Wohnungsstatistik auf «Energiekarten» visualisiert. Diese Daten bieten eine verbesserte Diskussions- und Entscheidgrundlage für Gemeinden und leisten damit einen Beitrag zur Umsetzung der Energiestrategie 2050 auf kommunaler Ebene.

Die Schweiz ist ein Land der kleinen Strukturen: Rund 2300 Gemeinden, davon die Hälfte mit weniger als 2000 Einwohnerinnen und Einwohnern, sind für einen gros­sen Teil des Vollzugs in Raum- und Verkehrsplanung, Bauwesen und Energieversorgung zuständig. Die Aufgaben werden von Gemeinderäten und Exekutivmitgliedern mit viel persönlichem Einsatz und Engagement für die Gemeinschaft gemeistert. Die Arbeit all dieser Personen ist anerkennenswert. Schade ist jedoch, dass vorhandene Grundlagen und Informationen nicht so genutzt werden, wie es möglich wäre: Grundlagenkenntnisse, Statistiken und Daten verschwinden in Tabellen, Datenbanken oder Schubladen und werden in Entscheidfindungsprozessen nur ungenügend oder gar nicht berücksichtigt.

Dies ist eine Verschwendung von Informationen, Ressourcen und Finanzen. Kräfte werden zu wenig gebündelt, Handlungsspielräume unnötig eingeschränkt und Fehl­entscheide in Kauf genommen. Gerade für kleinere Ge­meinden ist es schwierig und aufwendig, die Grundlagendaten selbst aufzubereiten oder sie in Auftrag zu geben. Ein grosses Informationspotenzial liegt brach.

Datenschatz der Gemeinden

Das Bundesamt für Statistik veröffentlicht jährlich die Gebäude- und Wohnungsstatistik (GWS). Basis der GWS ist das eidgenössische Gebäude- und Wohnungsregister (GWR) in Kombination mit Daten der harmonisierten Einwohnerregister sowie der Strukturerhebung. Die GWS liefert Informationen zu Struktur und Alter des Gebäude- und Wohnungsparks, über die Wohnverhältnisse (zum Beispiel Wohn- und Belegungsdichte, Fläche pro Bewohnerin und Bewohner) der Bevölkerung und über die Energieträger eines Gebäudes. Die Erhebung der Daten erfolgt durch die für die Bewilligung eines Bauvorhabens zuständigen Bauämter. Die Praxis der Kantone und Gemeinden ist sehr heterogen; dies führte dazu, dass insbesondere im Energiebereich die Datenqualität unterschiedlich ist.

Das Bundesamt für Statistik hat daher entschieden, keine Energiedaten mehr zu veröffentlichen, bis die Aussagekraft der Daten durch die Ergänzung von Sekundärdaten verbessert worden ist. Zurzeit sind Daten für Gebäude mit Wohnnutzung aufgeführt, mit der neuen GWR-Verordnung (Inkrafttreten 1.  Juli 2017) werden jedoch auch sämtliche Dienstleistungs- und Produktionsstätten bis spätestens Ende 2020 erfasst und nachgeführt.

Die Macht der Visualisierung

Trotz der vorhandenen Nachteile und der momentanen Beschränkung auf Gebäude mit Wohnnutzung birgt die GWS ein grosses Informationspotenzial. Dieses kann durch eine Visualisierung mit einem Geographischen Informationssystem GIS erschlossen werden: Karten im Hektarraster erlauben eine Einschätzung der Energieversorgung einer Gemeinde und der Struktur des Gebäudeparks nach Bauperioden und ermöglichen so einen neuen Blick auf ein Gebiet. Zusammen mit dem lokal vorhandenen Wissen können diese Karten interpretiert und damit Rückschlüsse auf die Datenqualität gezogen und strategische Diskussionen geführt werden.

Thematische Karten

Zur Erstellung des Gemeinde-Energiekarten-Sets wurden aus Datenschutzgründen die pseudonymisierten Einzeldaten der GWS verwendet. Insgesamt sind Datensätze von 1 712 893 Gebäuden und 4 351 846 Wohnungen nach Hektaren und Gemeinden aggregiert, ausgewertet und in vier thematischen Karten visualisiert worden. Die folgenden Beispiele zeigen Ausschnitte aus den Energiekarten der Gemeinde Stetten (AG). Aus Datenschutzgründen werden Werte kleiner 3 als 3 ausgewiesen:

In diesen Karten ist die bauliche Struktur einer Gemeinde deutlich zu sehen: Die dunkelrot eingefärbten Hektaren in Bild  1 sind durch Bauten, welche vor 1919 entstanden sind, geprägt. Die dunkelgrün eingefärbten Hektaren stehen für Bauten, welche nach 2006 entstanden sind. Bei den neueren Bauten sticht die Verbreitung von Wärmepumpen als Energieträger für die Raumwärme (Bild  2, dunkelblau dargestellt) hervor. Zusätzlich zu den thematischen Karten wird für jede Gemeinde ein Datenblatt bereitgestellt, welches Kennzahlen zum Gebäudepark, aber auch Grafiken und Visualisierungen zu diesen Kenndaten enthält. Insbesondere die Grafiken zur Verteilung der Wohngebäude und der Wohnflächen nach Bauperioden zeigen die Struktur des Gebäudeparks auf und erlauben eine Einschätzung des Einsparpotenzials durch energetische Sanierungsmassnahmen (Bilder  5 und 6).

Weitere Möglichkeiten zur Darstellung

Die GWS-Daten und das Geoinformationssystem erlauben darüber hinaus die Visualisierung weiterer Merkmalsausprägungen. Die Bilder 7–9 zeigen beispielsweise die Auswertungen nach den Energieträgern Elektrizität und Fernwärme und ihre Gegenüberstellung zu Öl- und Gasfeuerungen. In Bild  7 ist ersichtlich, dass die Elektrizität als Energieträger für Raumwärme in der Gemeinde Stetten (AG) von untergeordneter Bedeutung ist. Nur in zwei Hektaren wird Strom mit 4 Nennungen geführt. Die restlichen Hektaren weisen eine Anzahl von 1, 2 oder 3 Anlagen aus.

Hingegen ist die Elektrizität bei der Warmwassererzeugung ein wichtiger Energieträger (Bild  8). Die Auswertung nach dem Energieträger Fernwärme (Bild  9) stellt die Verbreitung eines Fernwärmenetzes in einer Beispielgemeinde sowie den Anschlussgrad dar. Je kleiner die erste Zahl im Vergleich zur zweiten, umso höher ist das noch vorhandene Anschlusspotenzial. Dieses spiegelt sich zusätzlich in den gelb dargestellten Feldern, welche die Öl- und Gasheizungen repräsentieren.

Nutzen der Energiekarten

In einigen Kantonen werden den Gemeinden bereits GIS-Viewer mit ihren gebäudescharfen GWR-Daten zur Verfügung gestellt. Diese dürfen aus Datenschutzgründen nur berechtigte Personen (zum Beispiel Behördenmitglieder, Bauverwaltungen und beauftragten Planungsbüros) einsehen und verwenden. Die hektarbasierten Energiekarten von Novatlantis füllen überall dort eine Lücke, wo die Kartendarstellung der gemeindeeigenen, gebäudescharfen Daten entweder zu aufwendig, nicht problemangepasst oder nicht erlaubt ist.

Zu aufwendig: Es gibt Kantone, die GWS- oder GWR-Daten nicht in einem GIS-Viewer anbieten. In diesen Kantonen kann es teuer und aufwendig sein, einen separaten Auftrag zur Visualisierung dieser Daten in Auftrag zu geben. Eine externe Bearbeitung verlangt einen klar definierten Auftrag, welcher gemeindeinterne Ressourcen voraussetzt.
Nicht problemangepasst: Nicht jede strategische Diskussion verlangt Daten in ihrer kleinstmöglichen Auflösung. Manchmal ist es besser, die Übersicht zu behalten und die grossen Züge der Energiesituation eines Gebietes zu sehen. Indem die Gemeindeenergiekarten auf den häufigsten und den zweithäufigsten Energieträger fokussieren, blenden sie weniger relevante Energieträger aus. Die Muster der Energieversorgung werden deutlich und können so in ein Leitbild, eine strategische Planung oder in eine Auftragsformulierung für vertiefende Abklärungen einfliessen. Zudem ist ein einfach handhabbares Produkt gut für Diskussionen geeignet. Diese lassen sich am Tisch besser als am Bildschirm führen.
Nicht erlaubt: Gebäudescharfe Energiekarten dürfen nicht veröffentlich werden. Wenn aber beispielsweise eine Gemeinde die Öffentlichkeit über ihre Energieplanung informieren und dazu auf ihre GWR-Daten zurückgreifen will, kann sie dies mit den hektarbasierten Energiekarten tun. Oder wenn eine Liegenschaftsverwaltung Auskunft über die Energieversorgung in ihrer Umgebung haben möchte, erhält sie diese schnell und einfach durch den Einblick in die Gemeindeenergiekarten. Auch ein Monitoring, das die Entwicklung beim Ersatz von fossilen Energieträgern durch erneuerbare Energien darstellt, ist möglich und darf im Hektarraster auf der Website der Gemeinde publiziert werden.

Datenaufbereitung für die thematischen Karten

Zur Datenaufbereitung und Visualisierung wird die Open-Source-Datenbank-Software PostgreSQL mit der räumlichen Erweiterung PostGIS sowie QGIS als geografisches Informationssystem verwendet. Für die drei Karten Raumwärme, Warmwasser und Bauperioden wurden die Merkmale nach Hektare aggregiert und die Daten so umgeformt, dass für jede Hektare alle Merkmale mit der Anzahl ihres Vorkommens ausgewiesen werden. Die Kartendarstellung in QGIS erfolgt wiederum aus Datenschutzgründen im Hektarraster.

Doch welches Merkmal soll in diesem Raster dargestellt werden? Nur jenes, welches am häufigsten vorkommt? Dann gehen Informationen verloren. Deshalb wird in der Karte der häufigste und der zweithäufigste Energieträger bestimmt. Diese werden mit ihrem jeweiligen Anteil am Total der Energieträger gewichtet, woraus sich schliesslich die Breite ihrer Schraffur ergibt (vgl. Bilder 1–4 und Lesehilfe in der linken Spalte). Als Zusatzinformation wird der Anteil des häufigsten Energieträgers am Total der Energieträger in die Hektare geschrieben. Für die Merkmale Warmwasser und Bauperiode wird das gleiche Verfahren angewendet.

Die Darstellung der Heizöläquivalente in Litern pro Hektare erfordert zusätzliche Arbeitsschritte. Zuerst wird die Wohnfläche nach Gebäude bestimmt. Dazu werden die beiden Tabellen «Gebäude» und «Wohnungen» der GWS über den Gebäude-Identifikator verknüpft und die Wohnflächen nach Gebäude aggregiert. Danach wird der Energiebedarf mit nach Bauperioden standardisierten Energiekennzahlen [1] pro Gebäude berechnet und wiederum nach Hektaren aggregiert. Die so berechnete Energiedichte stellt eine äusserst grobe Abschätzung des Energieverbrauchs für die Raumwärme dar. Aus diesem Grund wird darauf verzichtet, numerische Werte für die Energiedichte anzugeben – es werden lediglich Kategorien ausgewiesen: je dunkler das Rot einer Hektare, umso höher die Energiedichte. Als zusätzliche Interpretationshilfe dieser Karte wird hier pro Hektare die ständige Wohnbevölkerung notiert.

Für die Hintergrundkarte wird auf OSM-Daten (Open-Street-Map) zurückgegriffen. Da die Informationsdichte der thematischen Karten sehr hoch ist, muss die Hintergrundkarte zwar die notwendige Orientierungshilfe im Raum liefern, sich selbst aber visuell zurücknehmen. Die Darstellung der Hintergrundkarte wird zu diesem Zweck grafisch optimiert und als Tiles in QGIS eingebunden. Da die Karten ab einem Massstab von 1:25 000 schlecht lesbar sind, werden für grossflächige Gemeinden rund 900 Zoom-Ausschnitte definiert, welche sich auf das Baugebiet einer Gemeinde konzentrieren.

Ausgabe der Karten und Datenblätter

Der Anspruch, für jede Gemeinde der Schweiz ein Energiekarten-Set, bestehend aus einem Datenblatt, vier thematischen Karten und je nach Gemeindegrösse und -struktur Fokusausschnitten und weiteren Karten für Weiler, Exklaven und fusionierte Gemeindeteile zu produzieren, mündet in einer Dateienflut: Bei 2255 Gemeinden ergeben sich total 12 800 Karten (davon 3564 Fokus-Ausschnitte) und 2255 zweiseitige Datenblätter, insgesamt 15 055 Dateien.

Die Produktion der Karten mit der Atlasfunktion von QGIS funktioniert reibungslos, benötigt jedoch ihre Zeit. Um den Output der zu generierenden Karten zu erhöhen, wurden mehrere Instanzen von QGIS (bis zu zwölf Instanzen verteilt auf zwei Rechner) gleichzeitig bedient. Damit konnte die Produktionszeit erheblich reduziert werden. Das Zusammenfügen aller Dateien einer Gemeinde in einer PDF-Datei erfolgt mittels Bash Script. Der Vertrieb der Karten geschieht nun online über einen Kartenwebshop. Für jede Gemeinde der Schweiz ist ein Energie-Kartenset in einem downloadbaren PDF-Dokument zusammengefasst.

Fazit

Der Aufbau der Geoinfrastruktur sowie die Entwicklung der Datenabfragen, der einzelnen Arbeitsschritte und das Zusammenfügen der Resultate war eine zeitintensive Grundlagenarbeit. Nun steht ein funktionsfähiger und einfach wandelbarer Visualisierungsprozess zur Verfügung. Damit können die Daten nach weiteren Merkmalen wie Energiedichte nach Energieträgern oder Verbreitung von erneuerbaren Energien ausgewertet, regional aggregiert oder weiter aufgeteilt werden, je nach Fragestellung und Bedürfnis. Mit der erstmaligen Visualisierung der GWS-Daten für alle Gemeinden der Schweiz wurde mit einfach verfügbaren Daten und Open-Source-Produkten eine gute Diskussionsgrundlage für Gemeinden und ihre Werke, für Energiedienstleistungsunternehmen sowie Planungsbüros und weitere Fachkreise geschaffen.

Referenz

[1]   Peter Hofer, im Auftrag des Bundesamts für Energie (BFE), «Erarbeitung einer dem vorliegenden Bundesergebnis vergleichbaren Darstellung der kantonalen Heizwärmebedarfe nach Gebäudetypen und Baualtersklassen», Prognos AG, Basel, 2007.

Autorin
Regina Flury von Arx

ist Geschäftsführerin von Novatlantis GmbH.

  • Novatlantis GmbH, 8005 Zürich
Autorin
Anna Roschewitz

ist Geschäftsführerin und Co-Gründerin von Novatlantis GmbH.

  • Novatlantis GmbH, 5232 Villigen

Lesehilfe

Lesehilfe am Beispiel der Karte Raumwärmeerzeugung (Bild  2): Der Karteneintrag 4/5 bedeutet: Häufigster Energieträger der Wohngebäude (hier 4) zum Total der Wohngebäude (hier 5) pro Hektare. Die Grundfarbe (hier rot) steht für den häufigsten Energieträger (hier Öl), die Schraffur für den zweithäufigsten (hier Holz). Je schmaler die Schraffur, desto kleiner die Anzahl des zweithäufigsten Energieträgers.

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