Fachartikel Installationstechnik , Mobilität

Elektromobilität – wo stehen wir heute?

Auswirkungen auf die Installationsbranche

23.04.2018

Batteriebetrieben und zunehmend autonom. So sehen viele Experten die Zukunft des Autos. Welche Entwicklungen können bereits heute mit einer vorausschauenden Elektroplanung eines Gebäudes vorweggenommen werden? Und was sind die ersten Schritte bei der Installation einer Ladeinfrastruktur?

Seit den turbulenten Anfängen der neuen Elektromobilität 2003 rund um den Pionier Elon Musk hat sich das Elektroauto von einem Statussymbol für begüterte Lenker zu einem alltagstauglichen und bezahlbaren Fahrzeug entwickelt.

Die weltweiten klimapolitischen Anstrengungen (z. B. Emissionsvorschriften für Personenwagen) stimmen optimistisch, was die Zukunft der Elektromobilität betrifft. Elektrofahrzeuge standen zwar in der Schweiz bisher nicht besonders weit oben auf der politischen Prioritätenliste, aber Experten gehen davon aus, dass sie ab zirka 2025 massentauglich sein werden. Mit diesem Wachstum gehen ein steigendes Angebot an Fahrzeugen und ein Ausbau der Ladeinfrastruktur einher.

In einer BFE-Studie aus dem Jahr 2010 geht ein Szenario davon aus, dass per Ende 2020 300 000 elektrische Fahrzeuge auf Schweizer Strassen unterwegs sein werden. Aktuell sind es rund 13 000 rein elektrische und 10 000 Plug-in-Hybrid-Fahrzeuge. Bezüglich Marktanteil bei den Neuzulassungen bis 2030 ist kein eindeutiger Trend bei den Prognosen zu erkennen. Die Schätzungen liegen zwischen 5% und 80%.

Vorteile

Die ökologischen und ökonomischen Vorteile der Elektromobilität liegen auf der Hand. Sie ist ein wichtiges Instrument einer nachhaltigen Mobilität und dient den Klimaschutzzielen, indem sie die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und den Ausstoss des klimaschädlichen Kohlendioxids reduziert. Dabei darf man nicht vergessen, dass der Antriebsstrom zwar aus der Steckdose kommt, aber vorher produziert werden muss. Die Umweltbilanz fällt somit umso besser aus, je mehr man mit erneuerbarem Strom fährt. Elek­trofahrzeuge punkten auch in Sachen Energieeffizienz, denn der Wirkungsgrad eines Elektromotors ist um ein Vielfaches höher als der eines Verbrennungsmotors (80–90% gegenüber 30–40%). Zudem verbessert sich die Luft- und Lebensqualität in der unmittelbaren Umgebung von Strassen, da Elektroautos keinen Lärm oder lokale Abgase produzieren.

Der steigende Anteil an dezentraler erneuerbarer Stromerzeugung führt zu einem wachsenden Bedarf an Stromspeicherung. Elektrofahrzeuge können ab einer gewissen Marktdurchdringung als dezentrale Stromspeicher dienen. Sie können das elektrische Netz entlasten, indem ihre Aufladung netzschonend erfolgt, unterstützt durch intelligente Algorithmen.

Dank einer vergleichsweise hohen Beschleunigung kommt der Fahrspass nicht zu kurz. Schliesslich lohnt sich die Anschaffung eines Elektrofahrzeugs auch wirtschaftlich, wenn man den ganzen Lebenszyklus des Fahrzeugs betrachtet. Während es in der Anschaffung nach wie vor teurer ist als ein vergleichbares Modell mit Verbrennungsmotor, fallen der Energiebezug und der Fahrzeugunterhalt günstiger aus, auch weil Elektroantriebe weniger mechanische Verschleissteile haben. Zudem lohnt sich ein Elektroauto aus steuerlicher Sicht. Es ist von der Automobilsteuer befreit, die 4 % des Fahrzeugwertes entspricht. Die Mineralölsteuer entfällt wie auch – befristet oder unbefristet – die Motorfahrzeugsteuer in den meisten Kantonen. Fazit: Es gibt heute immer weniger Gründe, ein konventionelles Auto zu kaufen.

Wachstumsmarkt für die Installationsbranche

Das Netz an öffentlichen Ladestationen in der Schweiz und im angrenzenden Ausland wurde in den letzten Jahren immer dichter. Es gibt immer mehr Schnellladestationen entlang den Hauptverkehrsachsen. 90 % der Fahrzeuge werden jedoch zu Hause an sogenannten Home Charge Devices geladen. Bisherige Erfahrungen lassen vermuten, dass sich auf absehbare Zeit nicht viel an diesem Sleep & Charge- System ändern wird. Da die ­Lademöglichkeiten bei Mehrfamilienhäusern ohne Tiefgarage für «Laternenparkierer» teilweise stark eingeschränkt sind, erarbeitet der Bund Lösungen wie beispielsweise die Anpassung der Leitfäden für Baureglemente.

Da es sich bei der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge um eine elektrische Installation nach Art. 2 NIV handelt, darf nur ein Elektroinstallateur mit einer Installationsbewilligung Arbeiten an ihr ausführen (Art. 6 NIV). Falls bestehende Elektroinstallationen als Stromtankstelle genutzt werden, so muss deren Eignung durch einen Installateur oder das EVU geprüft werden. Denn längst nicht jede Steckdose eignet sich für das Laden der Batterien von Elektrofahrzeugen. Bei einer regelmässigen Nutzung eines Stromanschlusses empfiehlt sich aus Sicherheitsgründen eine mit einer CEE-Steckdose oder einem Home Charge Device (HCD) ausgestattete Installation. Bereits bei wenigen Anschlüssen für Elektrofahrzeuge kann es zudem zu einer Überlastung des bestehenden Hausanschlusses kommen. Bei der Planung sind deshalb seine Leistungsgrenzen zu beachten wie auch die Laststeuerung durch das EVU, Stichwort «Smart Grid», um Lastspitzen zu vermeiden.

In den nächsten Jahren ist von einem grossen Installationsbedarf auf dem Gebiet der Ladeinfrastruktur in Gebäuden auszugehen, die Firmen oder Privatpersonen gehören. Für die Installationsbranche ist die wachsende Elektromobilität ein Zukunftsmarkt mit grossem Auftragspotenzial. Diese Entwicklung erfordert neues Fachwissen, das sich Elektroinstallateure mit entsprechenden Ausbildungs- und Weiterbildungsmassnahmen so schnell wie möglich aneignen sollten.

Ladeinfrastruktur

Eine der Achillesfersen der Elektromobilität war die bis anhin ungleich verteilte und technisch uneinheitliche Ladeinfrastruktur. Wie aber kann die Ladeinfrastruktur Schritt halten mit dem Zuwachs an Elektroautos?

Aktuell hat sich der Typ-2-Stecker für die Wechselstromladung durchgesetzt. Für die Schnellladung mit Gleichstrom kommen hauptsächlich die Systeme Chademo (asiatische Fahrzeuge) und Combo CCS (europäische Fahrzeuge) zum Einsatz. Neue Entwicklungen wie kabelloses (induktives) Laden sind bereits in Kleinserien im Einsatz.

Die vier in der Schweiz zulässigen Ladebetriebsarten (Modi) werden in der Broschüre «Anschluss finden» ausführlich beschrieben.[1] Der Stand der Technik einer Ladeinstallation ist in der NIN Teil 7.22 «Stromversorgung von Elektrofahrzeugen» erläutert und wurde in [2] im Detail beschrieben.

Planung und Installation

Bevor man mit der Installation einer Ladeinfrastruktur beginnt, sollten folgende Punkte geklärt werden: Welche Infrastruktur kann oder soll angeboten werden? Für wen soll diese gebaut werden? Wie ist die Nutzung der Installation? Muss schnell geladen werden? Welche Investitionen sind nötig? Wie hoch sind die Unterhalts- und Betriebskosten? Wie soll die Zählung und Abrechnung erfolgen?

Geht man davon aus, dass sich Elektrofahrzeuge längerfristig durchsetzen werden, sollten alle neu erstellten Parkplätze für solche Anschlüsse vorbereitet sein. Bereits beim Bau sollten ausreichend Leerrohre verlegt und Kabelschächte und Fundamente angelegt werden. Dies reduziert die Kosten für eine Nachrüstung.

Der Leistungsbedarf für ein Mehrfamilienhaus mit 15 Parkplätzen ist in der Tabelle unten beispielhaft dargestellt. In einem ersten Ausbauschritt wird auf einem Besucherparkplatz eine Lademöglichkeit Typ 2 mit 22 kW realisiert. Damit kann ein Besucher in einer Stunde rund 100 km Fahrleistung laden. Zudem werden zwei Parkplätze mit einer Lademöglichkeit Typ 2 (11 kW) ausgestattet. Dort können Fahrzeuge mit 60-kWh-Akku innerhalb von rund 6 h vollständig geladen werden. Wie in derTabelle dargestellt, reicht die Leistung des Hausanschlusses für diese drei Lademöglichkeiten aus. Die theoretische Mehrleistung von 8 kW wird mit der Gleichzeitigkeit von allen Verbrauchern aufgefangen. Als Variante könnte auch die Ladeleistung der Stationen reduziert werden, zum Beispiel von 11 kW auf 9 kW bzw. 7 kW.

Mit dem Endausbau von zwei Besucherparkplätzen und 14 Dauernutzer-Parkplätzen steigt der Leistungsbedarf in Zukunft massiv an. Um diesen abdecken zu können, gibt es zwei Lösungen: Entweder wird heute in eine einfache Installation investiert, welche während des Ausbaus teilweise ersetzt wird. Oder man entscheidet sich von Anfang an für ein Lastmanagementsystem, das für die zukünftigen Bedürfnisse ausgelegt ist. Ob damit zukünftige Anforderungen erfüllt werden können, die sich etwa aus der Sperrung oder der Lastreduktion von Seiten EVU oder der Priorisierung über Apps ergeben, ist einzeln zu prüfen. Jedenfalls sind die meisten aktuellen Systeme nur mit einer bestimmten Hardware und entsprechenden Anbietern kompatibel. In der Zukunft dürften sich hier jedoch offene Systeme durchsetzen.

Reichweite

Es ist offen, ob die Entwicklung in der Elektromobilität so schnell vorangeht, wie es das BFE in seiner Studie 2010 angenommen hatte. Die bisherigen Kernfragen waren stets: Genügt die Reichweite der Batterie, oder wo befindet sich die nächste Ladestation?

Die meisten in der Schweiz gefahrenen Tagesdistanzen unterschreiten die Maximalreichweite von Elektrofahrzeugen (BFS 2012) deutlich. Trotzdem wird die beschränkte Reichweite als einer der Hauptknackpunkte der Elektromobilität genannt. Es wird erwartet, dass eine Batterie für die wenigen längeren Fahrten ausgelegt ist. Der Aufbau einer flächendeckenden Schnelllade­infrastruktur, eine kombinierte Mobilitätsnutzung und Car-Sharing könnten dieses Problem verringern.

Die Reichweitendiskussion erübrigt sich praktisch mit der neuen Fahrzeuggeneration mit Batterien ab 40 kWh. Mit einem Fahrzeug, für das 300 km Reichweite deklariert wird, bewältigt man problemlos 70 km zu einer Verabredung in die nächste Stadt und zurück.

Wo ist die nächste Ladestation?

Entsprechende Apps oder moderne Navigationssysteme geben Auskunft darüber, wo sich die nächste Ladestation befindet und welche Steckertypen vorhanden sind.

Ein Grossteil der Ladestationen kann via SMS bedient werden. Ansonsten ist es in der Schweiz momentan immer noch notwendig, sich mit unterschiedlichen Ladesystemen / Ladekarten einzudecken, denn die Interoperabilität zwischen den einzelnen Anbietern ist sehr unterschiedlich. Im nahen Ausland kommt man mit «Plugsurfing» oder «The New Motion» sehr weit. Aber auch da gibt es teilweise noch lokale Anbieter, die noch nicht mit überregionalen Systemen vernetzt sind. Für grössere Touren ins Ausland braucht es heute eine gewisse Planung, damit man über die richtigen Apps zum Auffinden und Nutzen der Ladestationen verfügt (siehe Links).

Bei der öffentlichen Ladeinfrastruktur gibt es somit noch Klärungsbedarf bezüglich eines einheitlichen Zugangs- und Abrechnungssystems. Lange Ladezeiten werden hier dank dem Schnellladen vermieden. Aber über 90 % der Batterieladungen werden am günstigsten und stressfrei zu Hause vorgenommen.

Fazit

Die Signale bezüglich E-Mobilität stimmen optimistisch. Aufgrund fallender Preise und grösserem Angebot an Fahrzeugtypen ist sie heute massentauglich. Über kurz oder lang, darin sind sich die meisten Experten einig, wird die elektrische Mobilität die auf fossilen Treibstoffen basierende Mobilität ersetzen.

Wächst die Elektromobilität, so steigt auch die Nachfrage nach Lademöglichkeiten. Die batteriebetriebene Zukunft der Autoindustrie birgt somit ein grosses Wachstumspotenzial für die Installationsbranche und beschert ihr Aufträge im Bereich der Planung, der Installation und des Unterhalts der Ladeinfrastruktur. Deshalb empfehlen die Experten von Electrosuisse dringend ein gestaffeltes Vorgehen bei der Ladeinfrastruktur in Neubauten. Schon zu Beginn der Realisation sollte der zukünftige Ausbaustandard definiert und mit Massnahmen wie dem Verlegen von Leerrohren vorweggenommen werden. Ebenso lohnt es sich, ein Lademanagement für die Zukunft in Betracht zu ziehen.

Referenzen

[1]       Electrosuisse, e’mobile und VSE (Hrsg.), Anschluss finden. Elektromobilität und Infrastruktur, 2015.

[2]      Thomas Hausherr, «Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCD) nachrüsten – Empfehlungen und Pflichten bei Altbauten», ET 04/2016.

Literatur

  • SN EN 62196 Stecker, Steckdosen und Fahrzeugsteckvorrichtungen – Konduktives Laden von Elektrofahrzeugen
  • SN 411000 Niederspannungs-Installationsnorm (NIN 2015)
  • ASTRA, ARE, BAFU und BFE (Hrsg.). Bericht in Erfüllung der Motion 12.3652. Elektromobilität. Masterplan für eine sinnvolle Entwicklung. 2015
  • Dominik Feldges, «Flotte Elektroautos – langwieriger Ladevorgang», NZZ, 31.08.16
  • Stephan Hauri, «Die nachhaltige Mobilität ist in Sichtweite», NZZ, 15.09.17
  • Stephan Hauri, «Der hohe Norden unter Strom», NZZ, 13.10.17
  • Andreas Hirstein, «Traum von unbegrenzter Reichweite», NZZ, 18.06.17
  • Paul Schneeberger, «Zukunft der Mobilität in der Schweiz. Unsicherheit bremst elektrische Autos» in NZZ.

Links

 

Autor
Christian Frei

ist Leiter Beratung und Engineering.

  • Electrosuisse, 8320 Fehraltorf

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