Elektroautos intelligent laden
Pilotprojekt zu Lademanagement-Lösungen
In der Schweiz wird gut ein Drittel des Endenergieverbrauchs durch Treibstoffe verursacht. Die Elektromobilität kann einen wesentlichen Beitrag zur Reduktion der dadurch entstehenden Emissionen leisten. Ein Pilotprojekt zeigt nun, dass intelligente Ladelösungen Kosten für Gebäudeeigentümer senken und kritische Situationen im Verteilnetz vermeiden.
Elektrofahrzeuge haben lange ein Nischendasein geführt. In den letzten Jahren sind sie jedoch immer häufiger auf den Strassen zu sehen. Dies zeigen auch die Zahlen zu Neuzulassungen von reinen Elektroautos (BEV) und Plugin-Hybrid-Fahrzeugen (PHEV) in Bild 1.
Massgeblichen Anteil am Aufschwung von Elektroautos hat das kalifornische Unternehmen Tesla. Es hat mit seinen Modellen neue Massstäbe in Bezug auf Reichweite und Funktionalitäten gesetzt. Auch mehrere etablierte Automobilhersteller bieten mittlerweile elektrische Serienmodelle mit Alltagsreichweiten von über 300 km zu erschwinglichen Preisen an. Die Elektromobilität steht also an der Schwelle zur Massentauglichkeit. Szenarien für die Schweiz gehen davon aus, dass Elektrofahrzeuge im Jahr 2035 einen Anteil von bis zu 60 % des Neuwagenmarkts ausmachen werden.[1]
Analysen zeigen, dass mehr als 80 % der Ladungen zu Hause oder bei der Arbeit stattfinden.[2] An öffentlichen Ladestationen wird üblicherweise nur bei längeren Fahrten geladen. Der Grossteil der Ladeinfrastruktur muss also in Gebäuden bereitgestellt werden. Heimladestationen, auch Wallboxen genannt, verfügen mittlerweile oft über Ladeleistungen von 11 oder 22 kW. Diese ermöglichen es, die mit steigender Reichweite immer grösser werdenden Batterien flexibel zu laden. Diese hohen Ladeleistungen wurden bisher aber weder bei der Dimensionierung der Netzanschlüsse von Gebäuden noch bei der Planung der Verteilnetze berücksichtigt. Die Ladeleistungen von Elektrofahrzeugen stellen daher sowohl für Gebäudeeigentümer als auch für Verteilnetzbetreiber eine neue Herausforderung dar.
Zukunftssichere Ladelösung für Gebäude und Verteilnetze
EWZ hat zur Lösung dieser Herausforderung ein zukunftssicheres Konzept entwickelt, das besonders für die Elektrifizierung von einer Vielzahl an Parkplätzen, z.B. in Tiefgaragen oder Parkhäusern, geeignet ist. Das Konzept sieht in einem ersten Schritt die Installation einer Grundinstallation zur Erschliessung des mittelfristig erwarteten Bedarfs an elektrifizierten Parkplätzen vor (Bild 2).
Diese kann zum Beispiel mit einer Stromschiene oder einem Flachkabel entlang der Garagenwand realisiert werden. Die gleichzeitige Erschliessung mehrerer Parkplätze ist im Vergleich zu einer Einzelerschliessung jedes Parkplatzes preisgünstiger. Zudem kann der Gebäudeeigentümer dank der Grundinstallation Ladestationen bedarfsgerecht anbringen. Wenn sich ein Parkplatznutzer ein Elektroauto beschafft, muss nur noch die Ladestation montiert werden und über eine kurze Kabelverbindung an die vorhandene Grundinstallation angeschlossen werden.
Sobald die Anzahl Elektroautos in Tiefgaragen oder Parkhäusern eine kritische Schwelle erreicht, kann es bei ungesteuertem gleichzeitigem Laden von mehreren Elektrofahrzeugen zu Leistungsspitzen kommen. Am Arbeitsort wäre dies typischerweise am Morgen bei der Ankunft der Mitarbeitenden der Fall. Am Wohnort sind die grössten Leistungsspitzen am Abend nach der Rückkehr der Bewohner zu erwarten. Ein intelligentes Lademanagement kann das Laden der verschiedenen Elektroautos optimal über einen längeren Zeitraum verteilen und damit Leistungsspitzen vermeiden. Müssen bestimmte Elektroautos schnell weiterfahren, können diese prioritär geladen werden. Dank der Ladeintelligenz wird eine Überlastung der Grundinstallation durch kurzzeitige Leistungsspitzen vermieden. Dadurch können Gebäudeeigentümer die Kapazität der Grundinstallation bedeutend geringer dimensionieren als bei ungesteuertem Laden, womit weitere Kosten gespart werden können. Zudem kann mit intelligentem Lademanagement und einer zusätzlichen Leistungsmessung am Hausanschlusskasten eine Überlastung der Hausanschlussleitung und damit eine Erhöhung der Anschlussleistung vermieden werden. Die Kombination von Grundinstallation und intelligentem Lademanagement ermöglicht Gebäudeeigentümern also im Vergleich zu einer separaten Erschliessung jedes einzelnen Parkplatzes mit ungesteuerter Ladung eine zukunftssichere Lösung, die über den gesamten Lebenszyklus am kostengünstigsten ist.
Bei steigendem Anteil von Elektrofahrzeugen können auch in den Verteilnetzen kritische Situationen entstehen. Die Ladeleistungsspitzen können beispielsweise zu Überlastungen von Kabeln und Transformatoren oder Spannungsproblemen im Netz führen. Um aufkommende Probleme im Netz rechtzeitig feststellen zu können, werden Verteilnetzbetreiber schrittweise an mehr Orten als bisher messen und ein entsprechendes Monitoringsystem aufbauen müssen. Dies betrifft insbesondere die Niederspannungsebene, auf der die Heimladestationen für Elektrofahrzeuge angeschlossen werden und wo die Verteilnetzbetreiber heute üblicherweise noch keine Echtzeitmessungen erheben. Stellt das Monitoringsystem eine kritische Netzsituation fest, könnte in Zukunft über eine noch zu definierende Schnittstelle ein Signal an die entsprechenden Gebäude gesendet werden. Diese könnten daraufhin ihre Bezugsleistung vorübergehend reduzieren, z.B. indem sie mit intelligentem Management die Ladeleistung der Elektrofahrzeuge in der Tiefgarage auf einen späteren Zeitpunkt verschieben. Durch diesen netzdienlichen Einsatz des intelligenten Lademanagements können Überlastungen bzw. ein teurer Ausbau der Verteilnetze vermieden werden.
Ein intelligentes Lademanagement von Elektrofahrzeugen ermöglicht also eine Win-win-Situation für Gebäudeeigentümer und Verteilnetzbetreiber und leistet somit einen Beitrag zur kosteneffizienten Dekarbonisierung des Verkehrssektors.
Pilotprojekt zu intelligentem Lademanagement
EWZ hat in der firmeneigenen Flotte bereits 46 Elektrofahrzeuge und Plugin-Hybrid-Fahrzeuge. In der Tiefgarage des EWZ-Werkhofs am Standort Pfingstweidstrasse wurden acht dieser Fahrzeuge für ein Pilotprojekt ausgewählt. Von diesen acht Fahrzeugen werden fünf von Elektromonteuren für ihre täglichen Einsätze auf dem Stadtgebiet verwendet; drei sind Poolfahrzeuge, die von allen Mitarbeitern verwendet werden können. Alle acht Elektrofahrzeuge laden einphasig mit maximal 16 A bzw. 3,7 kW. Im Pilotprojekt testet EWZ das beschriebene Konzept aus Grundinstallation und intelligentem Lastmanagement mit Ladestationen und Systemen verschiedener Hersteller. Zunächst wurden alle acht Parkplätze mit Ladestationen eines norwegischen Herstellers ausgestattet und an die bereits vorhandene Grundinstallation angeschlossen (Bild 3).
Auf jeder Ladestation läuft eine Software, welche u.a. die Kommunikation zwischen allen Ladestationen über Powerline Communication (PLC) ermöglicht. Für Konfiguration und Monitoring auch aus der Ferne sind die Ladestationen an eine Cloud-Lösung angebunden. Diese ermöglicht ohne Zusatz-Hardware weitere intelligente Funktionalitäten wie z.B. ein sogenanntes Phase Balancing. Dieses sorgt dafür, dass die dreiphasig angeschlossenen Ladestationen die einphasig ladenden Fahrzeuge nicht alle auf der gleichen Phase laden lassen, sondern dass alle drei Phasen möglichst gleichmässig genutzt werden. Somit werden asymmetrische Belastungen automatisch vermieden und der Elektroinstallateur muss die einzelnen Ladestationen nicht mehr wie bisher üblich fix auf die drei Phasen verteilen. Eine weitere Funktionalität ist das intelligente Lastmanagement. Dieses wird aktiviert, wenn die gesamte Ladeleistung aller Fahrzeuge die maximal verfügbare Kapazität erreicht. In einem Testlauf wurde der maximal zulässige Ladestrom während einer Woche in der Cloud-Lösung schrittweise von 63 A (Nennkapazität der Grundinstallation) über 20 A auf 10 A reduziert. In Bild 4 sind die resultierenden Ströme auf den drei Phasen der Grundinstallation und die gesamte 3-phasige Ladeleistung während einer Arbeitswoche dargestellt.
Es ist ersichtlich, dass das intelligente Lademanagement die Ladung der Fahrzeuge so verteilt, dass das jeweilige Stromlimit von 63 A, 20 A bzw. 10 A nicht überschritten wird. Dank der gleichmässigen Nutzung aller Phasen durch das Phase Balancing wird trotz der Reduktion des maximalen Stroms von 63 A auf 20 A mit einer ähnlich hohen Gesamtleistung von knapp 13 kW geladen. Mit einem maximalen Ladestrom von 10 A, der einer maximalen Ladeleistung von 6,9 kW entspricht, erhöht sich die Ladedauer leicht. Jedoch ist es mit den Fahrprofilen der acht Flottenfahrzeuge von EWZ auch bei diesem Ladestrom, d.h. mit weniger als einem Sechstel der Nennkapazität des Kabels der Grundinstallation von 63 A (43,5 kW Leistung), möglich, die Batterien aller Fahrzeuge wieder rechtzeitig voll zu laden. Oder anders formuliert: An die vorhandene Grundinstallation kann man dank dem intelligenten Lademanagement über sechs Mal mehr Elektrofahrzeuge anschliessen. Und auch der Verteilnetzbetreiber profitiert von der Symmetrisierung der Belastung und der Reduktion der Bezugsspitzen.
Bereits in der ersten Phase des Pilotprojekts konnte also das Potenzial von intelligentem Lademanagement für Elektrofahrzeuge gezeigt werden. In einer zweiten Phase werden demnächst Ladestationen von drei bis vier weiteren Herstellern bzgl. ihrer Eignung für intelligentes Lademanagement getestet.
Fazit
Die Elektromobilität wird in den kommenden Jahrzehnten fossilbetriebene Fahrzeuge nach und nach ersetzen. Das zeigen die Entwicklungen der letzten Jahre sowie Prognosen von Fachexperten. Die Elektromobilität kann zwar einen grossen Beitrag zur Reduktion der CO2-Emissionen leisten, aber es entstehen auch neue Herausforderungen bei der Bereitstellung der Ladeinfrastruktur in Gebäuden und bei der Netzintegration. Intelligentes Lademanagement ist der Schlüssel zur Bewältigung dieser Herausforderungen. Es ermöglicht Gebäudeeigentümern eine kostengünstige Bereitstellung der erforderlichen Ladeinfrastruktur und Verteilnetzbetreibern eine effiziente Netzintegration der Elektromobilität. Durch den Einsatz der Flexibilität beim Laden sowohl für die Gebäude (Smart Building) als auch für die Verteilnetze (Smart Grid) kann intelligentes Lademanagement einen Beitrag zu einer volkswirtschaftlich effizienten Marktdurchdringung der Elektromobilität leisten.
Referenzen
[1] Szenarien der Elektromobilität in der Schweiz – Update 2016, Ernst Basler + Partner AG, Oktober 2016.
[2] Plugged In: How Americans Charge Their Electric Vehicles, Idaho National Laboratory, Dezember 2015.
Kommentare
Diego Dudli,
Ausgezeichneter Artikel mit Potenzial, weiter so!
Funktioniert das auch, wenn künftig Autos in der Garage stehen, die eine Akkukapazität von 100 kWh haben (wie bei Tesla), mit einer Fahrleistung von 25000 kWh?
Meinen lade ich zurzeit mit 11 kW (16 A, 400 V, 3-Phasen) und generiere beim Laden 50 km Reichweite pro Stunde. Pro Woche lade ich in der Regel 2 mal je 5 Std. = 500 km. Mehr Power braucht es nicht, weniger wenn möglich aber auch nicht.
Bitte künftig jeden Artikel auch mit einem Datum versehen :-)