Eindrücke vom Stromkongress 2025
Die Energiewende umsetzen
Am 15. und 16. Januar traf sich die Energiebranche in Bern, um die konkrete Umsetzung der energetischen Transformation zu diskutieren. Es wurde klar, dass die Elektrizität im künftigen Energiesystem die Hauptrolle spielen wird. Von allen Akteuren braucht es dazu Engagement und Ausdauer, um die gesetzten Ziele zu erreichen.
Zum Einstieg brachte die Moderatorin Barbara Lüthi das Motto des diesjährigen Kongresses ins Spiel: «Deliver!» Auf welche Aspekte des Energiesystems sich dieses Schlagwort bezieht, wurde am Kongress leidenschaftlich diskutiert.
Martin Schwab, Präsident des VSE und CEO von CKW, erläuterte den Auftrag der Energiewirtschaft, das Energiegesetz umzusetzen. Das Ziel sei eine stabile, relativ preiswerte Stromversorgung, die zugleich praktisch CO2-frei ist. Dabei blickte er einerseits zurück auf die Errungenschaften der Vorgänger, die für genügend Produktionskapazitäten und ein stabiles Netz sorgten. Andererseits auch in die Zukunft: «Wir müssen dafür sorgen, dass unseren Nachfolgern ein System überlassen wird, das ebenso sicher und preisgünstig ist wie das heutige.» Dazu ist der Ausbau der erneuerbaren Energien und der Energiespeicher nötig und ein Stromabkommen mit der EU essenziell. Sein Appell: «Lasst uns Position beziehen. Lasst uns klar auftreten. Dann werden wir unseren Nachfolgern eine starke und sichere Stromversorgung übergeben.»
Zahlen und Fakten der aktualisierten VSE-Studie stellte Nadine Brauchli vor. In der Studie werden vier Varianten für die ergänzende Produktion untersucht: Gaskraftwerke, LTO (Langzeitbetrieb des KKW Gösgen), mehr Import sowie mehr Windkraft. Dabei wäre rund 15 TWh Windkraft optimal, um das System ausgeglichener und kostengünstiger zu machen. Brauchli betonte: «Jede Kilowattstunde Wind hilft uns, den Bedarf an anderen Energien zu senken, aber es ist eine Frage des gesellschaftlichen und politischen Willens.» Die Kosten des erforderlichen Ausbaus liegen bei Wind erfreulicherweise etwas tiefer.
Internationale Sichtweisen
Nach der Schweizer Perspektive folgte die Sicht der EU. Petros Mavromichalis, Botschafter der Europäischen Union für die Schweiz und das Fürstentum Liechtenstein, plädierte für eine engere Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und der EU. Seit zwanzig Jahren wird ein Abkommen mit der EU angestrebt, um eine höhere Versorgungssicherheit, eine engere Zusammenarbeit in Krisen, Rechtssicherheit, effizientere Handelsbedingungen sowie Einsitz in Gremien des europäischen Binnenmarktes zu erreichen. Hier muss sich etwas bewegen. Heute ist die Schweiz von Systemen ausgeschlossen, die durch EU-Recht geregelt sind.
Die zentrale Frage von Peter Heydecker, Vorstandsmitglied und COO der EnBW, lautete: «Braucht es ein neues Marktdesign?» Das wichtigste sei das Kraftwerkssicherheitsgesetz, da immer mehr erneuerbare Energien im System seien. Um die nötige disponible Leistung zur Verfügung zu haben, sollen in Deutschland neue Gaskraftwerke gebaut werden, insgesamt 12 GW, wobei 7 GW in acht Jahren zum Betrieb mit Wasserstoff umgestellt werden sollen. Wegen der weltweiten Nachfrage nach Generatoren plädierte er für standardisierte Produkte. Ausserdem wünscht er sich, dass jedes Gaskraftwerk mit Phasenschiebern ausgestattet wird.
Im Gespräch mit Moderatorin Barbara Lüthi erläuterte Werner Luginbühl, Präsident der Eidgenössischen Elektrizitätskommission ElCom, die Zusammenarbeit CH-EU. In der Schweiz müssten die Prognosen verbessert werden; in Deutschland sei dies besser gelöst. Dynamische Energie- und Netztarife könnten die Effizienz des Systems verbessern.
Konkrete Anwendungen
Dann wurde es konkret. Claudio Deplazes von Energia Alpina schilderte die Erfahrungen mit dem ersten realisierten Alpinsolarprojekt: «Mitentscheidend ist der Anfang, wie man das Projekt ansetzt.» Eigentlich stünden nicht die technischen Fragen im Vordergrund, sondern die Wirtschaftlichkeit. Zuerst wird eine Stakeholder-Map erstellt und die Projektskizze allen präsentiert, denn die Akzeptanz ist sehr wichtig. Die Gespräche führten dann unter anderem dazu, eine Standseilbahn statt Helikopter für den Materialtransport einzusetzen.
Der Projektleiter des Solarprojektes von Morgeten Peter Stutz erläuterte, wie man mit Widerständen umgeht. Er erwähnte skurrile Einsprachen, die PV-Anlagen grundsätzlich ablehnen, weil beispielsweise die reflektierenden Oberflächen von Vögeln als Wasserflächen interpretiert werden, die sich dann beim «Eintauchen» das Genick brechen. Und dies, obwohl die Panels in einem steilen Winkel aufgeständert sind. Weil das Projekt von einer Berggenossenschaft initiiert wurde, war die Akzeptanz grundsätzlich gewährleistet. Die Genossenschaft profitiert mehrfach davon, denn sie bekommt so einen Strom- und Wasseranschluss auf 2000 m.ü.M.
Romy Biner-Hauser, Gemeindepräsidentin von Zermatt, erläuterte das Spannungsfeld zwischen Energie und Natur. Man müsse Prioritäten setzen und Entgegenkommen zeigen. «Natürlich gibt es Hindernisse und Herausforderungen, aber auch Chancen.» Durchhaltewillen sei dabei zentral.
Die Situation bei der Windkraft
Margarita Aleksieva, Leiterin Wind & Solar bei BKW, wies auf eine grosse Diskrepanz hin: «In den Innovationsratings ist die Schweiz zuoberst, aber bezüglich der Windkraft-Installation ist sie ein Schlusslicht». Heute stünden lediglich 47 Windanlagen, während es in Deutschland 28’700, in Österreich 1400, in Italien 6000 und in Frankreich 9000 sind. Sie zeigte die hiesigen Herausforderungen anhand des Projektes in Tramelan auf, das seit 17 Jahren in der Planungsphase ist. Da die Einsprachen in Tramelan rein privater Natur waren, schlug sie vor, das öffentliche Interesse über das private zu stellen, um Windprojekte realisieren zu können.
Im Podiumsgespräch mit Jacques Mauron, CEO von Groupe E; Claus Schmidt, CEO von IWB; Martin Simioni, CEO der SAK wurden die Hürden, die es zu nehmen gilt, analysiert. Fazit: Wir haben zwar das Know-how in der Schweiz, aber es ist eine Frage der Akzeptanz und der Bewilligungsprozesse. Technologisch ist es möglich, aber alles hängt von der Politik ab.
Innovationen und Hürden
Der Direktor des Research Center for Energy Networks der ETH Zürich, Turhan Demiray, präsentierte Resultate einer Flexibilitätsstudie, bei der diverse netzstützende Massnahmen untersucht wurden – der traditionelle Netzausbau, die Wirkleistungsbegrenzung sowie die Blindleistungsregelung. Die Erkenntnis aus über 60 untersuchten Verteilnetzen: Die Netze haben sehr unterschiedliche Charakteristika, wobei die Typologie nicht ausschlaggebend ist. Wie viel bereits in die Netze investiert wurde, ist für den weiteren Ausbau relevant. Um die Dominanz der Photovoltaik zu reduzieren, ist die Einspeisebegrenzung die wirksamste Lösung, wobei Batteriesysteme auch nützlich sind. Seine Hauptbotschaft: Flexibilitäten – wie die Lastverschiebung durch verändertes Kundenverhalten – sollen gefördert werden, weil sie Netzausbaukosten reduzieren. Räumlich differenzierte dynamische Netztarife wären auch zielführend.
Auf die Veränderungen in der Energiewelt wies der CEO von Hitachi Energy, Andreas Schierenbeck, hin: «Die Elektrizität wächst in einem Masse, wie wir es lange nicht mehr erlebt haben.» Um die Energieversorgung sicher und zuverlässig zu gestalten, sind die erneuerbaren Energien der günstigste und schnellste Weg. Die Rolle der Netze nehme massiv zu, da die Offshore-Windparks weit von urbanen Zentren entfernt seien. Er verwies auf den am schnellsten wachsenden Sektor, die Datenzentren. Die Herausforderung sei hier der Planungshorizont von zwei Jahren. In dieser kurzen Zeit einen Netzanschluss für 500 MW bereitzustellen, sei fast unmöglich. Ein weiteres Problem ist die hohe und praktisch nicht planbare Volatilität der Last. «Wenn ein Rechenzentrum mit AI zu lernen beginnt, kann der Verbrauch um das Zehnfache steigen», so Schierenbeck. Energiespeicher können das Problem aber entschärfen.
Die vielen Seiten der Forschung
Christian Schaffner, Leiter des Energy Science Center der ETH Zürich, machte auf die wachsenden Herausforderungen bei der Dekarbonisierung aufmerksam, und stellte aktuelle Forschungsthemen der ETH vor. Da ist Grundlagenforschung dabei, aber auch Systemaspekte. In der Elektrochemie geht es darum, Batterien effizienter zu machen. Im Systembereich stehen Analysen im Vordergrund, die die ganze CO2-Kette untersuchen. Dabei wird KI eingesetzt, um die Prozesse effizienter zu machen. Eine weitere aktuelle Frage ist, wie viel Flexibilität Wärmepumpen bieten können. Eine Forschungsrichtung befasst sich mit den Auswirkungen des Klimawandels auf die Stromversorgung. Dazu werden Wetterszenarien generiert und zum Testen der Szenarien verwendet. Erfreulich ist, dass die Energiewende die Energieimporte und die Abhängigkeit vom Ausland massiv reduziert. Schaffners Fazit: Flexibilität wird immer wichtiger und die Bandproduktion verliert an Attraktivität.
Manfred Hafner, ausserordentlicher Professor an der Johns Hopkins University School of Advanced International Studies (SAIS-Europe) und CEO der HEAS AG, stellte die aktuelle Situation beim Wasserstoff vor, der hauptsächlich in der chemischen Industrie zur Herstellung von Düngern usw. verwendet wird. Der heute eingesetzte Wasserstoff ist fossil erzeugt und stellt daher aus Klimasicht keine Lösung, sondern ein Problem dar. Es ist nötig, sogenannten grünen Wasserstoff zu fördern, der zur Dekarbonisierung in verschiedenen Bereichen wie Mobilität und Energiespeicherung verwendet werden kann. Peter Meier, CEO der Geo-Energie Suisse AG, stellte ein neues Verfahren vor, mit dem die Probleme der Erdbeben bei Geothermie-Bohrungen gelöst werden können. In den USA wird diese Schweizer Technologie bereits eingesetzt. Sie soll auch in der Schweiz genutzt werden, um die Wirtschaftlichkeit zu verbessern und der Geothermie zum Durchbruch zu verhelfen. Heute liegen die Gestehungskosten bei 25 Rp. pro kWh, künftig sollen sie 15 Rp betragen. Er wies auf das Pilotprojekt Haute-Sorne hin, das 5 MW Strom erzeugen soll.
Die Sicht des Bundesrats
Das Schlusswort war Albert Rösti, Bundesrat und Vorsteher des Uvek, vorbehalten. Er plädierte dafür, die zeitliche Perspektive im Auge zu behalten: «Wir können alles gleichzeitig bedenken, aber wir müssen entscheiden, was kurzfristig, mittelfristig und langfristig getan werden muss.» Damit auch die nächste Generation genug Strom hat, denn wir sind eine Schicksalsgemeinschaft. Die Beschleunigung des Ausbaus der erneuerbaren Energien habe höchste Priorität, langfristig werde aber auch die Aufhebung des Technologieverbots immer wichtiger, damit die Branche selbst entscheiden kann, wo sie investieren will. Rösti betonte: «Wir müssen die Rahmenbedingungen so setzen, dass die Branche alle Möglichkeiten hat.»
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