Ein Tool zur Reduzierung des Stromverbrauchs
StromGT
Bei Bauprojekten (Sanierungen und Neubauten) wäre es nützlich, den Stromverbrauch der Gebäudeautomation im Voraus zu kennen, um ihn in der Planungsphase minimieren zu können. Zu diesem Zweck steht das Tool «StromGT» zur Verfügung. Was bietet es den Planern von Gebäudeautomation und Gebäudetechnik, und welchen Nutzen bringt es?
Seit rund 10 Jahren ist das Institut für Gebäudetechnik und Energie IGE der Hochschule Luzern im Rahmen von drei durch EnergieSchweiz (BFE) mitfinanzierten Projekten im Thema «Stromverbrauch der Gebäudeautomation» aktiv. Im ersten Projekt [1], das von 2013 bis 2017 lief, wurden Bauten bezüglich des Stromverbrauchs der Gebäudeautomation untersucht, Labormessungen durchgeführt, und es wurde eine Berechnungsmethodik inklusive eines projektinternen Tools entwickelt. Anschliessend wurden im zweiten Projekt [2] weitere Bauten untersucht und deren Optimierungspotenzial ausgelotet. Aus dem projektinternen Analysewerkzeug ist im dritten Projekt das Tool «StromGT» [3] hervorgegangen.
Mit diesem neuen Berechnungstool lässt sich der Stromverbrauch von Gebäudeautomationssystemen und der gesamten Gebäudetechnik analysieren. Der Fokus liegt dabei bei der Gebäudeautomation. Da jedoch die gesamte Gebäudetechnik im Tool abgebildet werden kann, wurde im Namen «GT» für «Gebäude-Technik» gewählt.
Mit geringem Aufwand erhält der Planer bereits in den frühen Planungsphasen ein realistisches, detailliertes Bild des Stromverbrauchs. Durch Änderungen am System lassen sich Verbrauchsreduzierungen erkennen. Der Planende soll dabei die Automations-Funktionalität voll erhalten.
Das kostenlose Tool basiert auf einer Excel-Datei. Um es nutzen zu können, müssen die Systemeinstellungen die Ausführung von VBA-Code erlauben. Das Tool ist in Deutsch, Englisch und Französisch verfügbar. Inhaltlich zur Auswahl stehen zurzeit ein Tool-File mit leeren Falldaten sowie eines, das ein fiktives Fallbeispiel enthält.
Auswertungen
Das Tool ermöglicht mit einem geringen Arbeitsaufwand von wenigen Stunden eine detaillierte und umfassende Aufschlüsselung des Stromverbrauchs:
- Nach Geräten mit und ohne Berücksichtigung der Anzahl im System.
- Aggregiert nach Gerätetyp bzw. Gewerk; optional zusätzlich aufgeschlüsselt nach direktem/indirektem Verbrauch (als indirekter Verbrauch werden die Stromverluste externer Netzteile den versorgten Geräten zugeordnet).
- Obige Auswertungen zusätzlich nach Zugehörigkeit zur Gebäudeautomation: Es wird zwischen den Anteilen «GA» und «nGA» («Nicht GA») unterschieden. Dabei steht «nGA» für den Teil der Gebäudetechnik, der nicht der GA zugeordnet ist.
Alle diese Auswertungen können in der gewünschten Einheit (W, W/m², kWh, kWh/m²) angezeigt werden. Sie sind in Tabellenform und als interaktive Grafik verfügbar (Bild 1).
Weitere Auswertungen sind die maximale und minimale interne Leistungsaufnahme in Watt nach Geräten mit und ohne Berücksichtigung der Anzahl im System. Die Maximalwerte können dem Planer bei der Dimensionierung der Anschlussleistung helfen. Die Minimalwerte stellen die Standby-Leistungsaufnahme dar. Zudem wird die prozentuale Auslastung von Netzteilen ausgegeben. Dieser Wert ist nützlich für die Dimensionierung von Stromversorgungen und kann insbesondere helfen, eine Überdimensionierung zu vermeiden (Effizienz- und Kostengewinn).
In beliebigen Anwendungsfeldern nutzbar
Das Tool kann für beliebige Systeme verwendet werden, z. B. für Zutrittssysteme oder ausserhalb der GA. Die Gewerke können vom Benutzer konfiguriert werden, und die Felder «Gerätetyp» (Haupt- und Untertyp) können mit Freitext gefüllt werden. Vorkonfiguriert ist das Tool für die Gebäudeautomation mit den klassischen Gewerken Heizung, Kühlung, Lüftung, Beleuchtung und Beschattung. Für die Beleuchtung stehen spezifische Eingabefelder (Leistungsaufnahme, Lichtstrom, Lichtausbeute, Dimmlevel) inklusive einer Berechnungsfunktion für den redundanten Eingabewert zur Verfügung.
Berechnungsmethodik
Die Berechnungsmethodik [4] basiert auf einem Gerätemodell mit einem bis mehreren strombeziehenden Eingängen und zwei Betriebszuständen (aktiv, Standby). Entsprechende Verbrauchsangaben findet der Nutzer in den Produktedatenblättern. Zudem gibt der Nutzer die Topologie der Stromflüsse ein. Daraus werden die Speisungsverluste berechnet und auf die gespiesenen Geräte umgelagert. Der Nutzer kann pro speisendes Gerät den Wirkungsgrad bei Nominal-Ausgangsleistung sowie den Leerlaufverlust angeben. Für gewisse Gerätearten werden der Zeitanteil im aktiven Betrieb, die Gewerkszugehörigkeit und die GA-Zugehörigkeit automatisch ergänzt und sind vom Nutzer übersteuerbar. Die Aggregierungen erfolgen nach Geräteart, Gewerk und der Zuweisung GA/nGA.
Reduzierung des Stromverbrauchs
Der Stromverbrauch der Gebäudeautomation ist nicht vernachlässigbar. So ergab eine Untersuchung [5] zum Roche-Bau 1 in Basel einen Anteil der Gebäudeautomation von 21 %, also rund ein Fünftel des Gesamtenergieverbrauchs der Gebäudetechnik. Der direkte Vergleich war hier möglich, da die Wärme- und Kälteerzeugung ausschliesslich strombasiert durch Grundwasser- und Abwärmenutzung erfolgt. Zusätzlich zur realisierten GA-Anlage wurde eine funktional äquivalente, optimierte GA-Anlage berechnet. Der jährliche spezifische GA-Stromverbrauch konnte von 3,6 kWh/m² auf 1,2 kWh/m² reduziert werden (Bild 2).
Handlungsbedarf
Nach Ansicht der Verfasser wird dem Stromverbrauch der Gebäudeautomation derzeit noch zu wenig Beachtung geschenkt. Ein wesentlicher Grund dafür dürfte sein, dass die Bauherren diesbezüglich keine Vorgaben machen. Somit ist die Berücksichtigung des Stromverbrauchs ein zusätzlicher Aufwand, der vom Planer unentgeltlich erbracht werden müsste. Es braucht wohl zusätzliche Anreize über Labels wie Minergie oder SNBS und allenfalls über normative Vorgaben (SIA, Muken, ...).
Wenn der Markt bezüglich Stromverbrauch vorbildliche Geräte nachfragt, dürften die Gerätehersteller vermehrt entsprechende Entwicklungen anstossen.
Zudem sind relevante Verbrauchsangaben in den Produktdatenblättern zu machen, die heute nicht bei allen Produkten vorhanden sind. Wichtig wäre in diesem Zusammenhang die typische Leistungsaufnahme im Betrieb mit Unterscheidung der wichtigsten Konfigurationen. Für die Vergleichbarkeit von Produkten verschiedener Hersteller sollte ein Konsens über die Messbedingungen angestrebt werden.
Ausblick
Neben Produktdatenblättern wären elektronisch klassifizierte Produktdatenverzeichnisse hilfreich. In Klassifizierungssystemen wie «Etim» oder «Eclass» sind bereits geeignete Verbrauchsattribute vorhanden. Künftig könnte unter Nutzung solcher Klassifizierungssysteme eine Produktdatenbank in «StromGT» integriert werden. Dadurch könnten Analysen noch effizienter erstellt und Optimierungsoptionen schneller geprüft werden.
Aus dem digitalen Planungsprozess (BIM) kann eine Geräteliste mit Geräteanzahlen exportiert werden. Mit Copy/Paste kann diese in «StromGT» übernommen werden, wodurch ein Grossteil des Eingabeaufwands entfällt. Zukünftig könnte in BIM-Tools eine Auswertungsfunktion analog zu «StromGT» oder alternativ eine Exportschnittstelle zu «StromGT» zur Verfügung stehen.
Referenzen
[1] P. Kräuchi, D. Jurt, C. Dahinden, «Projekt ‹Eigenenergieverbrauch der Gebäudeautomation› (EEV-GA)». Ergebnisbericht», BFE, 2016.
[2] P. Kräuchi, «Projekt ‹Musterbeispiele von Gebäudeautomationssystemen mit geringem Stromverbrauch›, BFE, 2022.
[3] P. Kräuchi, A. Zakovorotnyi, O. Steiger, «Stromverbrauch der Gebäudetechnik: ein Berechnungstool für Planer», Brenet Status-Seminar, S. 44–51, 2022.
[4] P. Kräuchi, O. Steiger, «Stromverbrauch der Gebäudeautomation: eine Berechnungsmethodik», Brenet Status-Seminar, 2018.
[5] P. Kräuchi, O. Steiger, «Stromverbrauch der Gebäudeautomation: eine Fallstudie», Brenet Status-Seminar, S. 80–89, 2020.
Link
Kostenloser Download des Tools.
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