Interview Erneuerbare Energien

«Der Schlüssel zur Verteilung erneuerbarer Energie»

Interview mit Empa-Forscher Sinan Teske

02.05.2019

Überschüssigen Strom aus erneuerbaren Energien in Gas umzuwandeln, zu speichern und bei Bedarf wieder zu verstromen – das hört sich nach einer sehr sinnvollen Technologie an. Ganz so einfach ist es aber nicht, erklärt Sinan Teske im Interview.

Bulletin: Sinan Teske, das Prinzip, überschüssigen Strom aus erneuerbarer Produktion in Gas umzuwandeln, hört sich doch toll an. Warum hat sich die Power-to-Gas-Technologie trotzdem noch nicht auf breiter Front durchgesetzt?

Sinan Teske: Für ein erfolgreiches Geschäftsmodell Power to Gas fehlen im Moment noch die nötigen Rahmenbedingungen und eine ganzheitlichere Betrachtung des Energiesystems.

Wie meinen Sie das?

Power to Gas ist technologisch problemlos umsetzbar. Doch für einen erfolgreichen Einsatz von Power to Gas braucht es darüber hinaus den überschüssigen Strom, die Ausgangsstoffe und einen Abnehmer möglichst zeitnah und, beispielsweise bei Wasserstoff, besser nicht zu weit entfernt. Ausserdem sind regulatorische Rahmenbedingungen noch sehr relevant.

Wir haben im Sommer doch eigenen überschüssigen Strom aus erneuerbarer Produktion, den wir in Gasform speichern und im Winter wieder abrufen können. Warum sollten wir im Winter noch welchen importieren?

Die Nachfrage nach erneuerbarer Energie vor allem im Winter wird dramatisch steigen und wir werden ein Versorgungsproblem haben, nicht nur im Strommarkt. Power to Gas ist eine Umwandlungstechnologie, keine Speichertechnologie. Europaweit fehlen noch genügend Speicherkapazitäten für eine saisonale Speicherung. Vermutlich wäre eine Speicherung in Gasfeldern (zum Beispiel in Norwegen oder Russland) möglich. Ich denke jedoch, dass dies politisch nicht immer akzeptiert ist. Power to Gas, im spezifischen Methan, erlaubt, erneuerbaren Strom zum Beispiel als Flüssiggas weltweit zu handeln. Warum sollte man dies nur mit fossiler Energie tun? Die südliche Hemisphäre hat zu der Zeit schliesslich Sommer.

Wo sehen Sie konkrete Anwendungsmöglichkeiten für Power to Gas?

Da bietet sich aufgrund der Kosten­struktur der Mobilitätsbereich an. Vor allem in der Transport- und Logistikbranche könnten synthetische Treibstoffe schnell Fuss fassen. Dafür braucht es anfänglich kein grosses Verteilnetz. Die Fahrzeuge kehren am Ende des Tages wieder zu ihrem Ausgangspunkt zurück und können daher zentral versorgt werden.

Und der Individualverkehr?

Aufgrund der hohen Kosten für das Fahrzeug und der noch nicht flächendeckend vorhandenen Infrastruktur ist die Wasserstofftechnologie für den Individualverkehr wohl erst in einer zweiten Phase interessant. Synthetisches Methan in Gasfahrzeugen oder auch flüssige E-Fuels könnten dort jedoch schneller umgesetzt werden.

Reichen solche Anreize, oder braucht es zusätzlich Druck vom Gesetzgeber?

Im Hinblick auf die Klimaveränderungen sollten wir schnell umsetzbare Lösungen weiterverfolgen. Es könnte bereits vermehrt auf Gasfahrzeuge gesetzt werden, die sukzessive mit erneuerbarem Methan betrieben werden. Diese Nutzung schafft auch neue Anreize für den Ausbau erneuerbarer Energien, da damit ein neuer Absatzmarkt für Strom geschaffen wäre. Natürlich sollte im gleichen Zuge auch die Elektromobilität vorangetrieben werden. Denn es ist immer besser, die Energie so zeitnah und so direkt zu nutzen, wie möglich.

Welches Potenzial attestieren Sie der Power-to-Gas-Technologie?

Im Einzelfall hängt das stark von den jeweiligen Bedingungen vor Ort ab. Grundsätzlich lässt sich aber sagen, dass Power to Gas der Schlüssel zur weltweiten Verteilung erneuerbarer Energie ist und bei richtigem Einsatz den extensiven Zubau von Photovoltaik und Wind mit den einhergehenden Überschüssen durch Schaffung neuer Märkte möglich macht. Dieses Potenzial müssen wir lernen, besser zu verstehen, statt es durch Abregelung oder verhindertem Ausbau von Photovoltaik einfach verpuffen zu lassen.

Mehr Informationen zu diesem Thema bietet die Empa-Studie «Potentialanalyse Power-to-Gas in der Schweiz», welche am 9. Mai 2019 publiziert worden ist.

Zur Person

Dr. Sinan Levent Teske ist Wissenschaftler in der Abteilung Urban Energy Systems der Empa. Er leitet das Team Energy Systems Impacts Research.
Empa, 8600 Dübendorf
sinan.teske@empa.ch

Autor
Ralph Möll

ist Kom­mu­ni­kations­spezia­list beim VSE.

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