Buch: Insolvent
How to reorient computing for just sustainability

Insolvent – zahlungsunfähig – zu sein, ist nichts Angenehmes. Aber das ist gemäss diesem Buch die Lage, in der sich die IT bezüglich Nachhaltigkeit befindet: Sie ist nicht fähig, den Betrag, den sie der Welt schuldet, zurückzuzahlen. Zur Illustration ein dramatischer Auftakt: Eine einzige Bitcoin-Transaktion sei verantwortlich für den Ausstoss von über 1 t CO2 und 350 g Elektronikschrott. Also 2,6 Millionen Mal mehr, als eine Transaktion mit einer Kreditkarte. Grund dafür ist eine Designentscheidung, die die Validierung einer Transaktion an die Rechenleistung koppelt. Die Leidtragenden der Folgen dieser Weichenstellung sind hauptsächlich die, die keine Bitcoins besitzen. Dieses Beispiel illustriert überdeutlich, welche Folgen es hat, wenn die Themen Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit bei Designentscheidungen in der Informatik ausgeblendet werden.
Ursächlich für solche Fehler, die sich später kaum korrigieren lassen, ist die eindimensionale technikorientierte Denkweise, die davon ausgeht, dass das Lösen von technischen Aufgaben frei von Wertvorstellungen ist. Das Buch bleibt aber nicht bei der Kritik stehen, sondern führt eine Methode ein, mit der sich solche Fehler künftig vermeiden lassen sollten: das Just Sustainability Design (JSD). Dieser Ansatz soll das System Design, die Forschung und Lehre so verändern, dass nicht nur Schäden vermieden, sondern echte Verbesserungen in und mit der IT möglich werden.
Für den Autor ist ein Nachhaltigkeitsdesign eher ein Mindset, eine «Region» statt ein einzelner «Punkt», eine spezifische Theorie oder Methode. Es ist ein Design mit diversen Prinzipien: kritisch und konstruktiv, systemisch, dialektisch, vernünftig, replizierbar usw. Der Autor drückt die Motivation für dieses Design so aus: «Like many, I want a computing that supports me in living my life, connecting with others, and staying alive and well without sacrificing the planet or my bodily autonomy for it.» Dies scheint eigentlich nicht zu viel verlangt, ist aber ein hoch gestecktes Ziel.
Die Lektüre ist vom persönlichen Werdegang des Autors und vom Unverständnis geprägt, mit dem er in der IT-Welt konfrontiert wurde. Das Buch zeigt ungeahnte Zusammenhänge auf und macht klar, was unter gerechterem Rechnen verstanden werden kann. Es wird sicher eine Weile dauern, bis dieser Ansatz, der auch beim Autor über Jahre ausreifen musste, in Forschung und Industrie ankommt, aber das Umdenken dürfte sich lohnen.
Kommentare