Fachartikel Erneuerbare Energien , Integration ins Netz

Bieler Busse fahren bald mit Strom vom Schiff

Schwimmendes Kraftwerk

26.05.2018

Die Speicherkapazität des Solarkatamarans «Mobicat» der Bielerseeschifffahrts-Gesellschaft wurde verdoppelt. Neu wird der Produktionsüberschuss ins städtische Stromnetz eingespeist. Ab Anfang 2019 sollen damit elektrisch betriebene Linienbusse versorgt werden.

Die Digitalisierung verändert die Energiebranche von Grund auf. Sie ermöglicht beispielsweise das Ablesen von Verbrauchszählerständen bequem via Datenverbindung. Im Smart Home wird der Energieverbrauch dank vernetzter und zentral gesteuerter Anlagen und Geräte minimiert. Und im Hafen der Stadt Biel stellt ein schwimmendes Kraftwerk den Betrieb städtischer Busse sicher.

Zwar ist Letzteres noch Zukunftsmusik, doch das Lied, welches gespielt wird, handelt von einer sehr nahen Zukunft. Seit der Jungfernfahrt im Jahr 2001 kreuzt der Solarkatamaran «Mobicat» über den Bielersee. Dieser Grossraumkatamaran der Bielerseeschifffahrts-Gesellschaft BSG mit einer Länge von 33 und einer Breite von knapp 12  Metern wird ausschliesslich durch Sonnenenergie betrieben.

Speicherkapazität verdoppelt

Zur neuen Saison hin wurde der «Mobicat» nun einem «Repowering» unterzogen. Dabei wurde die bisherige Speicherkapazität der bordeigenen Batterien von 244 kWh auf 488 kWh verdoppelt. Diese Speichererweiterung wurde möglich, weil die neuen Batterien leichter und kompakter sind als die bisherigen. Statt den freigewordenen Raum mit reinem Gewicht zu füllen, um die Stabilität des Schiffes zu gewährleisten, wurden zusätzliche Batterien verbaut. Die BSG arbeitete dabei mit dem städtischen Energieversorgungsunternehmen Energie Service Biel/Bienne (ESB), dem Batteriehersteller Lithium Storage sowie dem Schiffsbauer Shiptec zusammen.

Oben erwähnte Zukunft beginnt schliesslich Anfang 2019. Dannzumal soll ein Testbetrieb mit strombetriebenen Linienbussen aufgenommen werden. Den dafür nötigen Strom werden diese Busse vom «Mobicat» beziehen. Dessen Produktionsüberschuss beträgt rund 85%. Die Photovoltaik-Anlage des «Mobicat» produziert pro Jahr rund 30 000  kWh, wovon der «Mobicat» rund 5000  kWh selbst verbraucht. Liegt das Schiff im Hafen, wird der überschüssige Strom ins Netz des ESB eingespeist.

Der «Mobicat» ist damit nicht mehr «nur» ein mit Solarenergie betriebenes Fahrzeug, sondern ein regelrechtes schwimmendes Kraftwerk. Die bereits vorhandene Photovoltaik-Anlage auf dem «Mobicat» wird neu also nicht nur während des Fahrbetriebs genutzt, sondern jederzeit, wenn die meteorologischen Bedingungen die Stromerzeugung zulassen.

In dieser Form vereint der Katamaran eine Produktionseinheit (Photovoltaik-Anlage), eine Speichereinheit (Batterie), Verbrauchseinheiten (Elek­tromotoren, Licht etc.) sowie eine Verbindung zum Stromverteilnetz. Der Katamaran ist damit ein Smart Grid auf kleinstem Raum.

Neues Geschäftsmodell

In Zeiten, in denen die Branche händeringend nach neuen Geschäftsmodellen sucht, zeigen BSG und ESB einen zukunftsträchtigen Weg auf. Liegt der «Mobicat» im Hafen, wird er ans Stromnetz angehängt. Digitale Steuersysteme und Zentralen sorgen schliesslich dafür, dass der Strom aus den «Mobicat»-Batterien auch wirklich ins Stromnetz gelangt.

Michael Frank, Direktor des Verbandes der Schweizerischen Elektrizitätsunternehmen VSE, erkennt in dieser Anlage noch viel Potenzial: «Der ‹Mobicat› vereint vieles, was in den nächsten Jahren auf die Energiebranche zukommt: dezentrale Produktion wird wichtiger, Eigenverbrauch wird gefördert und die Sektorkopplung spielt im Energiesystem der Zukunft eine massgebliche Rolle.»

Im Vorjahr hatte der VSE in seinen Energiewelten mögliche Szenarien skizziert. Dabei zeigte er fünf Dimensio­nen auf, welche die Energiewelt von morgen massgeblich bestimmen: Nachfrage/Flexibilisierung, zentrale/dezentrale Versorgung, Regulierung, Digitalisierung sowie die Marktsituation der Schweiz mit der EU. Der «Mobicat» sei nun ein ideales Beispiel, um zu zeigen, wie solche Dimensionen in der Realität aussehen. «Der ‹Mobicat› produziert dezentral Energie und erlaubt dank seiner Speichermöglichkeiten auch Flexibilität beim Strombezug», sagt Michael Frank.» Digitalisierte Systeme machten die Einspeisung des Produktionsüberschusses vom «Mobicat» in das städtische Stromnetz überhaupt erst möglich. «Es braucht spezielle Plattformen und Intelligenz im System, um diesen Vorgang verwalten zu können.»

Ein Schritt in die Energiezukunft

Der «regepowerte» «Mobicat» ist ein wichtiger Schritt in Richtung Energiezukunft und in Richtung Smart City. Hier werden moderne Mittel der Digitalisierung und Speicherung angewendet, um ein neues Geschäftsmodell zu erschaffen – und dies mit erneuerbarer Energie.

Autor
Ralph Möll

ist Kom­mu­ni­kations­spezia­list beim VSE.

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