Meinung Electrosuisse , Energiemarkt , Regulierung

Wer gestaltet die Zukunft?

Einen einfachen Stromhandel in den untersten Netzebenen schaffen

27.11.2023

Wenn der Sprit­preis über die magische 2-Fr.-Grenze steigt, werden E-Autos wieder interessant für die Masse. Und wenn ein Rohöl­barrel die 100-$-Marke überschreitet oder ein Haushalt für Erdgas fast 1000 Fr. mehr zahlt, wagen mehr Personen den Schritt von der Klima­betroffenheit zum tatsächlichen Handeln – in Form konkreter Investitionen ins Solar­dach, in EV-Lade­stationen, vielleicht in eine Batterie oder eine Wärme­pumpe. Es sieht also leider nicht nach einem breit abgestützten, langfristigen Vernunft­entscheid oder gar Strategie aus, trotz aller positiven Beispiele für die Realisierung neuer erneuerbarer Energie­lösungen und Effizienz­steigerungen. Gestalten also nur die aktuellen Energie­preis-Ausschläge die Zukunft? Und was ist aus den vielen Projekten der Bewusstseins­bildung, also den viel­beschworenen, nicht­technischen Lösungs­ansätzen geworden? Warum haben beispiels­weise die alten Smart Meter da faktisch nichts beigetragen und nur gekostet?

Ich habe täglich an der Hochschule mit jungen Menschen zu tun und sehe dort die Hoffnung, denn bei ihnen haben solide, dezentrale technische Lösungen, die langzeit­stabil sind, die maximale Entkopplung von den teilweise spekulativen Energie­märkten bieten, die besten Chancen. Die breite internationale Herstellung der notwendigen Energie­komponenten – Solarmodule, Batterien, Leistungs­halbleiter, Solar­inverter, Windräder und Trafos – sollte die Liefer­ketten stabilisieren, aber nur, wenn auch in Europa noch langfristig produziert wird. Eine kluge Politik mit Augen­mass fördert massiv diesen Schritt ins Dezentrale, statt die Bevölkerung mit den Preis­ausschlägen bei der Energie alleine zu lassen.

Jetzt muss der einfache, lokale Stromhandel in den untersten Netzebenen gelingen. Also der Strom­fluss vom Solardach ins gegenüberliegende Gebäude oder ins benachbarte Stadt­viertel mit der stabilisierenden Wirkung der wachsenden Batterie­speicher­flotte in den E-Autos. Erst dann haben wir in der gesellschaftlichen Breite aus der historischen Ölkrise gelernt, auch wenn es über ein halbes Jahrhundert gedauert hat.

 

Autor
Prof. Dr. Franz Baumgartner

ist Studien­gang­leiter Energie- und Umwelt­technik SoE an der ZHAW und Mitglied des Expert Board von Electrosuisse.

  • ZHAW, 8400 Winterthur

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