Wasserstoff – Stoff der Zukunft?
Brennstoffzellen-Fahrzeuge
Sind wasserstoffbetriebene Fahrzeuge die Lösung für einen CO2-armen Verkehr? Wenn es nach dem Förderverein H2 Mobilität geht, dann ja. Dieser will bis 2023 schweizweit flächendeckend Wasserstofftankstellen errichten.
Wie sieht unsere Energiezukunft aus? Diese Frage treibt nicht nur die Strombranche um, sondern betrifft im Prinzip alles und jeden. Die moderne Gesellschaft braucht Strom, um zu funktionieren, und zwar immer mehr davon. Mit der Annahme der Energiestrategie 2050 hat das Schweizer Stimmvolk 2017 seinen Willen zur Erneuerung des Energiesystems deutlich gemacht. Kernenergie kommt darin nicht mehr vor. Stattdessen sollen erneuerbare Energien stärker gefördert werden, um den steigenden Strombedarf abzudecken. Neben der ES2050 hat aus energiepolitischer Sicht auch die Ratifizierung des Pariser Klimaabkommens (COP 21) grosse Auswirkungen auf das künftige Energiesystem der Schweiz. Mit dem Klimaabkommen wird – analog zur ES2050 – eine Stossrichtung weg von fossilen Energieträgern und hin zu erneuerbaren Energien vorgegeben. Die Ziele sind die Begrenzung der Erderwärmung auf deutlich unter 2° Celsius sowie eine ausgeglichene Treibhausgas-Bilanz in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts. Grosse Bedeutung kommt dabei auch dem CO2-Gesetz zu, dessen Totalrevision in der eben abgelaufenen Wintersession auf dem Programm stand.
Von der Theorie zur Praxis ist es ein weiter Weg
Was sich in der Theorie als «Strategie» gut anhört und an der Urne viele Stimmen auf sich vereint, ist in der Praxis allerdings noch lange nicht umgesetzt – und verlangt in der Realität Einsichten und finanzielle Opfer, die zu erbringen manch ein Befürworter der ES2050 (noch) nicht bereit ist. Im Juni 2018 schmetterten beispielsweise die Stimmbürgerinnen und -bürger im Kanton Solothurn die Teilrevision des kantonalen Energiegesetzes, welches von den Befürwortern als «logische und harmlose Fortsetzung» der ES2050 verkauft worden war, in Bausch und Bogen mit 70 % (!) Nein-Stimmen ab. Gleichentags sprach sich hingegen der Luzerner Souverän an der Urne mit einer satten Drei-Fünftel-Mehrheit für ein neues kantonales Energiegesetz aus.
Mit ihrem Fokus auf erneuerbaren Energien leistet die ES2050 auch Technologien Vorschub, die bislang eher ein Schatten- oder zumindest ein Nischendasein fristeten. Allenthalben wird verkündet, dass die Elektromobilität in den kommenden Jahren den Durchbruch schaffen werde. Die Europakommission rechnet laut Kristian Ruby, Generalsekretär von Eurelectric, mit 40 Millionen immatrikulierten Elektrofahrzeugen bis 2030. Auch in der Schweiz dürften in naher Zukunft deutlich mehr Elektrofahrzeuge unterwegs sein. Nicht zuletzt wegen des CO2-Gesetzes, das ab 2020 eine Senkung des durchschnittlichen CO2-Ausstosses pro Fahrzeug von 130 auf 95 g/km verlangt. Wird diese Vorgabe nicht erfüllt, drohen den Schweizer Autoimporteuren finanzielle Sanktionen, welche letztlich auf die Autokäuferinnen und -käufer abgewälzt würden.
Reines Gewissen dank Elektrofahrzeug?
Mit einem batteriebetriebenen Elektrofahrzeug muss sich ein Autokäufer keine Gedanken mehr um den Ausstoss von Treibhausgasen seines Vehikels machen – zumindest im Betrieb. Umweltfreundlicher unterwegs ist er damit – gesamtheitlich betrachtet – allerdings nicht zwingend, wie eine Studie des ADAC zeigt. Entscheidend ist dabei, mit welchem Strommix die Batterie dieser Fahrzeuge «gefüttert» wird. Wie hoch ist der Anteil Kohlestrom? Wie viel Strom stammt aus erneuerbaren Energien?
Elektrofahrzeuge, welche über eine Brennstoffzelle verfügen, sind im Betrieb ebenfalls emissionsfrei. Aber auch hier spielt der Strommix eine entscheidende Rolle. Könnte die Brennstoffzelle also die lange verkannte Lösung aller künftigen Mobilitäts-Herausforderungen sein? Gegenüber batteriebetriebenen Elektrofahrzeugen punkten wasserstoffbetriebene mit Reichweiten, wie sie vergleichbare Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren aufweisen. Und auch das Betanken geht ähnlich schnell wie bei Verbrennern. Langfristig ermöglicht Wasserstoff als Energiespeicher ausserdem, einen Teil der saisonalen Angebotsdifferenzen zwischen Sommer- und Winterstromproduktion auszugleichen, und er ist ein wichtiger Baustein zur Sektorkopplung von Strom und Transport. Nachteile sind die (noch) hohen Produktionskosten und die massiven Umwandlungsverluste. Wird Wasserstoff mittels Elektrolyse hergestellt und anschliessend im Fahrzeug wieder zu Strom umgewandelt, gehen rund zwei Drittel der Ursprungsenergie verloren. Ausserdem ist auch das Wasserstofftankstellen-Netz in der Schweiz quasi inexistent.
Flächendeckend Wasserstofftankstellen in der Schweiz
Und genau diesem letzten Aspekt will der «Förderverein H2 Mobilität» Rechnung tragen. Sein Ziel ist der Aufbau einer flächendeckenden Wasserstofftankstellen-Infrastruktur in der Schweiz. Bisher gibt es erst zwei – mehr oder weniger öffentliche – Wasserstofftankstellen: Eine auf dem Gelände der Empa in Dübendorf sowie eine in Hunzenschwil, welche von Coop betrieben wird. Coop gehört denn auch zu den Gründungsmitgliedern des Fördervereins, welcher seit Mai 2018 aktiv ist. Ebenfalls von Anfang an dabei waren Coop Mineraloel AG, Agrola AG, Avia-Vereinigung, Fenaco-Genossenschaft, Migrol AG und der Migros-Genossenschafts-Bund. Unterdessen sind auch noch Socar Energy International, Shell (Switzerland) AG sowie die Emil-Frey-Gruppe zum Verein dazugestossen.
Jörg Ackermann ist Präsident des Fördervereins und Mitglied des Managements von Coop. Er betont, dass der Förderverein keine «Coop-Show» sei. Die Initiative zu einem Mobilitätssystem im geschlossenen Wasserkreislauf sei zwar von Coop ausgegangen, «aber wenn wir Erfolg haben wollen, muss dieses Ansinnen in der ganzen Schweiz unterstützt werden». Dass es sich bei den Vereinsmitgliedern primär um Grosshändler und Mineralölgesellschaften handelt, kommt nicht von ungefähr. Solche Unternehmen haben grossen Logistikaufwand und verfügen über entsprechende Transport-Flotten. Das Augenmerk richte sich denn zunächst auch auf wasserstoffbetriebene Lastwagen. Personenwagen sind noch kein Thema. Ist das bereits eine Kapitulation? Die Brennstoffzellen-Technik für Personenwagen wurde schliesslich schon mehrfach totgeschrieben.
«Nein, Lastwagen haben gegenüber Personenwagen schlicht den Vorteil, dass ihr Einsatz planbar ist», entgegnet Philipp Dietrich, CEO der H2 Energy AG, welche das Wasserstofftankstellen-Projekt als Dienstleister mit dem nötigen Know-how und der erforderlichen Manpower für den Förderverein umsetzt. «Lastwagen kommen immer wieder zum Verteilzentrum zurück. Im Prinzip reicht also eine einzige Wasserstofftankstelle, um eine ganze Flotte sternförmig betreiben zu können.» Und da ein Lastwagen etwa 50-mal mehr Energie als ein Personenwagen verbraucht, könne eine solche Tankstelle bereits mit zehn Lastwagen amortisiert werden. Das Argument der teuren Anschaffungskosten für wasserstoffbetriebene Lastwagen lässt Philipp Dietrich übrigens nicht gelten: «Da diese Fahrzeuge von der LSVA befreit sind, ist der Wechsel von Diesel auf Wasserstoff für einen Transporteur quasi ein Nullsummenspiel. Allerdings mit dem Unterschied, dass seine neue Flotte erneuerbar, viel leiser und ohne Emissionen fährt.»
«Erneuerbar, privatwirtschaftlich und profitabel»
Im Gegensatz zu ähnlichen Vereinigungen in Europa kommt der «Förderverein H2 Mobilität» vom Markt her. «Hier verbünden sich Lieferanten und Grossverbraucher, um gemeinsam etwas zur Dekarbonisierung beizutragen», erklärt Philipp Dietrich. Für die Initianten stehen bei diesem Projekt drei Punkte im Vordergrund. «Wir wollen Wasserstoff aus erneuerbarer Energie verwenden. Wir wollen privatwirtschaftlich – also ohne Subventionen – agieren. Und wir wollen profitabel arbeiten», sagt Jörg Ackermann. Damit dieser Ansatz Erfolg hat, braucht es ein entsprechendes Ökosystem, in dem Produktion, Verteilung und Abnehmer zusammen funktionieren. Die Coop-Tankstelle, die seit zwei Jahren in Hunzenschwil betrieben wird, ist ein solches – allerdings sehr kleines – Ökosystem. Die Eniwa AG ist im nahen Flusskraftwerk für die Stromproduktion verantwortlich, H2 Energy betreibt die H2-Produktion und die Logistik zur Tankstelle, während Coop die Abnahme durch aktuell einen wasserstoffbetriebenen Lastwagen und zwölf Personenwagen übernimmt. «Wir werden nicht am ersten Tag reich. Aber wir legen jetzt den Teppich aus, um dereinst profitabel wirtschaften zu können.» Und: Die Vereinsmitglieder finanzieren die Infrastruktur selbst.
Bis 2023 sollen in der Schweiz flächendeckend Wasserstofftankstellen eingerichtet werden. Das hört sich sehr ambitioniert an. Ausserdem stellt sich die Frage, ob der Bedarf nach diesen Tankstellen überhaupt besteht. «Wir schaffen den Bedarf selbst», sagt Jörg Ackermann. «Wir haben grosse Logistikflotten, dank denen Tankstellen profitabel betrieben werden können. Und wir haben Mineralölgesellschaften. Wir können uns also gegenseitig skalieren.» Gleichzeitig hat der Autobauer Hyundai – der gemeinsam mit Toyota als führend in der Entwicklung von Brennstoffzellen-Fahrzeugen gilt – in einem «Memorandum of Understanding» bekräftigt, bis 2023 1000 wasserstoffbetriebene Lastwagen in die Schweiz liefern zu wollen.
Primär werden die Wasserstoffzapfsäulen bei bestehenden Tankstellen gebaut, denn der Treibstoff wird dort gebraucht, wo der Verkehr ist. Weil es aber auch noch einen Produzenten in der Nähe braucht, um Wasserstoff aus erneuerbarer Energie herzustellen, eignet sich nicht jede bestehende Tankstelle gleichermassen; zum Teil sind aber auch bauliche Gründe ausschlaggebend.
Die Macht der Gewohnheit
Philipp Dietrich und Jörg Ackermann sind davon überzeugt, dass der momentan noch überschaubare Absatz von Brennstoffzellen-Fahrzeugen auch bei den Personenwagen über kurz oder lang stark steigen werde. «Henry Ford verkaufte von seinem Modell T auch nicht am ersten Tag 10 000 Stück. Aber innerhalb von zehn Jahren setzte er 18 Millionen Fahrzeuge ab», sagt Jörg Ackermann. Ausserdem steige aufgrund der CO2-Gesetzgebung auch bei den Personenwagen der Druck, emissionsarm zu fahren. Neben den ökologischen Vorteilen macht er aber auch einen ganz praktischen Aspekt aus, weshalb wasserstoffbetriebene Elektrofahrzeuge den batteriebetriebenen den Rang abfahren werden: «Im Gegensatz zu einem Batterie-Elektrofahrzeug müssen Kunden bei Brennstoffzellen-Fahrzeugen ihre Gewohnheiten kaum ändern. Sie können weiterhin zu «ihrer» Tankstelle fahren und ihr Auto in drei Minuten betanken. Das geht mit einem Batterie-Elektrofahrzeug nicht, weil dessen Ladezeit bei normalen Ladestationen deutlich länger dauert.»
Ob sich die Brennstoffzellen-Technologie tatsächlich auf breiter Ebene durchzusetzen vermag, oder ob sich nicht doch die etwas etabliertere und bekanntere Batterie-Lösung behaupten kann, wird die Zeit zeigen. Beide Technologien haben unbestreitbare Vorteile, sind im Betrieb emissionsarm und erfüllen die Anforderungen an sinkende CO2-Grenzwerte. Beide haben aber auch noch gewisse Hürden zu überwinden: Produktionskosten, Gesamtbilanz, Reichweite oder Ladedauer, um nur einige zu nennen. Diese Entwicklung ist noch lange nicht abgeschlossen und wird beide Technologien vorantreiben. Sicher ist nur, dass die Mobilität in Zukunft elektrisch sein wird; möglicherweise mit einer Ko-Existenz von batterie- und wasserstoffbetriebenen Fahrzeugen.
Kommentare
Martin Willers,
Ich würde das Wasserstoffauto sehr begrüssen. Auf die Weise würde ein echter Beitrag zum Umweltschutz gemacht.
Könnte sogar weltweite Nachahmer finden.
Arbeitsplätze würden ebenfalls erhalten.
Die E-Mobilität, das muss doch jeder sehen, hat so keine Zukunft.
Weg von dieser Spinnerei.
Alain Geier,
Man kann nicht genügend unterstreichen, dass Wasserstoff der ideale Energiespeicher ist, der mit Überschussstrom aus Wind- und Sonnenenergie hergestellt werden kann. Brennstoffzellen gehört nur schon deshalb die Zukunft, oder mindestens ein Teil davon.
Batteriebetriebene Elektroautos sind nur schwer skalierbar, weil die Produktion der Batterie so umweltschädlich ist. Zudem brauchen sie den Strom auch zu Spitzenzeiten und fördern so den heutigen Strommix mit Kohle und Atom.
Brennstoffzellen und Elektrolyse werden zudem fast im Monatsrhythmus effizienter und auch billiger. Diese Lösung gehört ganz an die Spitze jeglicher nachhaltiger Politik und Energiestrategien !
Dieter Laetsch,
Zur Kenntnis, es geht vorwärts, persönlich bleibe ich dabei, Elektromotor
ja, Batterie ganz klar nein, SFC, Smart-Fuel-Cell. Grüsse Reto