Fachartikel Beleuchtung , Energieeffizienz , ICT

Licht nach Bedarf

Radar-LED

31.05.2019

Rund 12% des landesweiten Stromverbrauchs entfallen auf die Beleuchtung. Viele Lampen sind auch dann einge­schaltet, wenn niemand von ihrem Licht profitiert. Diese Ineffizienz lässt sich mit Leucht­mitteln vermeiden, die sich selbständig dimmen. Ein Zürcher Jung­unter­nehmen hat eine entsprechende Lösung entwickelt, bei der ein integrierter Radar­sensor LED-Röhren bedarfs­gerecht steuert.

Immer mehr Dinge in unserem Alltag geschehen wie von Geisterhand: Schiebetüren öffnen sich, wenn man sich ihnen nähert. Die Roll­treppe nimmt Fahrt auf, wenn man auf sie zugeht. Das Licht springt an, wenn man abends die Haustür aufsperren will oder man die Parkgarage betritt. Wenn die Dinge auf uns Menschen reagieren, dann machen das oft Bewegungs­sensoren möglich. Seit einiger Zeit kommt diese Technik auch in einer Fussgänger- und Velo­unterführung an der Sihl­promenade im Zürcher Stadtteil Enge zum Einsatz: Solange hier niemand unterwegs ist, ist die Beleuchtung gedimmt. Nähert sich ein Fussgänger oder ein Velofahrer, blenden die LED-Leuchtmittel auf volle Lichtstärke auf – um dann, wenn die Person die Unterführung verlassen hat, wieder in den Dämmer­zustand zu versinken.

«Mit LED-Röhren sinkt der Durchschnittsverbrauch gegenüber den früheren Leuchtstoffröhren bei gleicher Leuchtstärke von 53 Watt auf 19 Watt. Indem wir die LED-Röhren zusätzlich mit einer intelligenten Radarsteuerung versehen, senken wir den durchschnittlichen Verbrauch nochmals drastisch von 19 Watt auf 6 Watt, was einer Einsparung von 90% gegenüber den Neonröhren entspricht», sagt Patrik Deuss. Der 27-Jährige ist Geschäftsführer der LEDCity AG, welche die innovative Beleuchtung für die Zürcher Unterführung entwickelt hat. Partner des Projekts war das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich (EWZ), das für die öffentliche Beleuchtung in der Stadt verantwortlich ist. Im Winterhalbjahr 2018/19 hat das Beleuchtungssystem störungsfrei funktioniert.

Bachelor-Arbeit bringt neue Geschäftsidee hervor

Die LEDCity AG besteht seit 2017. Die im Zürcher Technopark ansässige Firma besteht heute aus acht Personen im Alter zwischen 25 und 52 Jahren, darunter Entwickler und Konstrukteure, aber auch Verkäufer. Anders als viele Start-ups schreibt die Firma zwei Jahre nach der Gründung bereits schwarze Zahlen. Die Geschäftsidee hatte Patrik Deuss im Jahr 2016. Damals schloss er an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Winterthur sein Studium der Energie- und Umwelttechnik mit der Bachelor-Arbeit ab. Er wollte mit dem neu erworbenen Wissen «etwas Sinnvolles machen», wie er sagt. Er und eine Mitstudentin erweiterten eine bestehende LED-Röhre um eine Steuerung, damit das Leuchtmittel nur dann eingeschaltet war, so lange Personen in der Nähe waren. Ein Funktionsmuster zeigte die technische Machbarkeit und das Einsparpotenzial der Idee auf.

2017 tat sich Deuss mit Florian Gärtner zusammen, der sich an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) zum Elektroingenieur hatte ausbilden lassen und unterdessen am Paul-Scherrer-Institut (Villigen/AG) im Bereich Hochfrequenztechnologie arbeitete. Gemeinsam gründeten sie den Start-up und brachten das zuvor an der ZHAW entwickelte Funktionsmuster zur Marktreife. Im Sommer 2017 testeten sie eine erste Version der intelligenten LED-Röhre mit Unterstützung des Bundesamts für Energie in einer Zürcher Fussgänger-Unterführung. Ein Jahr später kam die verbesserte Version in der Fussgänger- und Velo-Unterführung in Zürich-Enge zum Einsatz.

Technologie

LED-Röhre mit Radarsensor

Die Grundlage der Neuentwicklung von LEDCity sind handelsübliche LED-Röhren. Sie enthalten eine grosse Zahl von Leuchtdioden (LED). Im Fall der 1,5 m langen LED-Röhre sind es 196 LED. Das Licht stammt hier also nicht von einem Glühfaden (Glühbirne) oder einem fluoreszierenden Gas (Leuchtstoffröhre), sondern wird von einem Halbleitermaterial erzeugt. LED-Röhren haben – bei gleicher Lichtmenge (ca. 3000 lm) – einen Verbrauch von nur 19 W, gegenüber 53 W einer Leuchtstoffröhre (davon 40 W für die Leuchtstoffröhre und 13 W für das Vorschaltgerät). LED-Röhren sind in beliebigen Farbtemperaturen erhältlich.

Die Entwickler haben die LED-Röhren mit einem Radarsensor ausgerüstet, der Bewegungen mit einer Radiofrequenz von 5,8 GHz in einem Umkreis von rund 10 m detektieren kann. Die autonome LED-Röhre ist zudem mit einem Helligkeitssensor ausgerüstet. Er misst das vorhandene Licht und blendet das Licht des Leuchtmittels so auf, dass der benötigte Pegel erreicht wird.

Passend für bestehende Fassungen

Die sich selbst steuernden LED-Röhren haben unterdessen verschiedene Einsatzfelder gefunden. In der Hochschule der Künste auf dem Zürcher Toni-Areal beleuchten sie Flure und Treppenhäuser, in der ETH Zürich unterirdische Korridore und in Laax (GR) und am Flughafen Zürich Parkhäuser. Nun ist die Lichtsteuerung mit Bewegungsmeldern an sich nichts Neues. Neu an der autonomen LED-Röhre von LEDCity ist, dass hier jeder Leuchtkörper über eine eigene, Radar-basierte Steuerung verfügt, welche den Leuchtkörper bedarfsgerecht regelt. Damit wird das Licht kleinflächiger gesteuert, und auf den gesonderten und vergleichsweise trägen Bewegungsmelder einschliesslich Verkabelung kann verzichtet werden.

Ein weiterer Vorteil, auf den die Entwickler verweisen, ist die Anwenderfreundlichkeit: Die autonome LED-Röhre kann in eine bestehende Fassung von Leuchtstoffröhren eingesetzt werden. Dazu muss vorgängig einzig das Vorschaltgerät ausgebaut werden, das in der Leuchtstoffröhre das Leuchtgas zündet. Die Einfachheit des Systems scheint zu überzeugen: Ein Schweizer Verkehrsbetrieb interessiert sich für die Radar-gesteuerten LED-Röhren, um die Perrons in der Nacht, wenn nur noch wenig Passagiere unterwegs sind, bedarfsgerecht zu beleuchten. Mit einem Schweizer Detailhandelsunternehmen verhandelt LEDCity über einen Gesamtvertrag, der Büro-, Produktions-, Lager- und Verkaufsräumlichkeiten einschliesst. «Energiesparsysteme sind sehr gefragt, wir sind in einem spannenden Markt unterwegs», freut sich Patrik Deuss.

Anwendung im Facility Management denkbar

Die autonomen LED-Röhren der ersten Generation waren zunächst nur mit einem Radar ausgerüstet, welches die Leuchtstärke der Röhre bedarfsgerecht gesteuert hat. In der zweiten Generation haben die autonomen LED-Röhren die Fähigkeit, per Bluetooth untereinander zu kommunizieren. Das bringt einen Vorteil für schnellere Verkehrsteilnehmer wie Fahrradfahrer: Wird jede LED-Leuchte allein durch den eigenen Radarsensor gesteuert, wird eine Velo-Unterführung nämlich mitunter zu wenig schnell erhellt. Anders ist das, wenn die LED-Leuchten kommunizieren können: In diesem Fall gehen all die benachbarten LED-Röhren auf volle Lichtstärke, sobald die erste von ihnen den Velofahrer per Radar wahrgenommen hat. Auch wenn es bei der vorliegenden Anwendung nicht unbedingt nötig erscheint, werden immer alle LED-Röhren mit einem Radar ausgerüstet. Das stellt sicher, dass die einzelnen Leuchten auch in komplexen Situationen (z. B. Parkhäuser) optimal gesteuert werden können.

Um neue Einsatzgebiete für die LED-Leuchten zu ermöglichen, ist die zweite Generation mit weiteren Sensoren zum Beispiel für Temperatur und Feuchtigkeit bestückt. Die Licht-, Temperatur- und Feuchtigkeitsdaten können dann an einen zentralen Server übermittelt werden. Benutzt wird für die Übermittlung unter anderem das für die Übertragung von geringen Datenmengen ausgelegte LoRa-Netz der Swisscom, mit dem der Schweizer Telekom-Konzern das Internet der Dinge und Smart Cities ermöglichen will. Die Lichtdaten (Ein/Aus) verschaffen den Betreibern von Lichtanlagen einen Überblick über die Funk­tionstüchtigkeit jeder einzelnen Leuchte, was einen schnellen Ersatz möglich macht. Dank Temperatur- und Feuchtigkeitsdaten könnten in Zukunft neue Anwendungen zum Beispiel im Facility Management möglich werden. Aus den Daten kann der Hausdienst etwa ablesen, wie viele Leute ein Treppenhaus benutzt haben und abhängig davon den Reinigungszyklus organisieren. Auch die Ausrüstung von Autotunnels möchten die Zürcher Jungunternehmer mittelfristig angehen, dies im Wissen, dass dieses Geschäftsfeld noch eine Reihe von technischen und regulatorischen Hürden parat hält.

Nach zwei Jahren amortisiert

Man darf also gespannt sein, wie sich die neue Beleuchtungstechnologie weiterentwickelt und wie sie sich über längere Zeiträume hinweg bewährt. Wie stark die autonomen LED-Leuchtröhren Verbreitung finden, dürfte sich nicht zuletzt auf dem Feld der Wirtschaftlichkeit entscheiden. Eine intelligente LED-Röhre ist mit 90 CHF deutlich teurer als eine Leuchtstoffröhre (ca. 8 CHF). Die Stromersparnis macht diesen Nachteil aber mehr als wett. Die Jungunternehmer veranschlagen die Einsparung pro Radar-LED-Röhre gegenüber einer klassischen Leuchtstoffröhre auf rund 415 kWh pro Jahr und errechnen daraus – mit einem kWh-Preis von 19 Rappen – eine Jahresersparnis von 79 CHF. Damit seien die Anschaffungskosten einer autonomen Röhre innerhalb von ein bis zwei Jahren durch die Strom­einsparung amortisiert. «Wir geben auf unsere LED-Leuchtmittel eine Garantie in der Länge der Amortisationszeit, somit trägt der Kunde kein Risiko», sagt Deuss zum Geschäftsmodell von LEDCity. Er verweist zudem auf die deutlich längere Lebensdauer von LED-Röhren im Vergleich zu Leuchtstoffröhren (> 50 000 gegenüber 13 000 Betriebsstunden).

«Meine Vision ist, dass alle Leuchtmittel intelligent werden», sagt Patrik Deuss. Wenn der Zürcher Firmengründer recht behält, wird sich in Zukunft niemand mehr um das Lichterlöschen kümmern müssen – jedenfalls nicht aus Gründen des Energiesparens.

Literatur

  • Den Schlussbericht zum Projekt «Entwicklung einer energieeffizienten Beleuchtung für Unterführungen – Autonome LED-Röhren» findet man hier.
  • Weitere Beiträge über Forschungs-, Pilot-, Demonstrations- und Leuchtturmprojekte im Bereich Elektrizitätstechnologien findet man hier.

Auskünfte zu dem Projekt erteilt Dr. Yasmine Calisesi, verantwortlich für das Pilot-, Demonstrations- und Leuchtturmprogramm des BFE.

Autor
Dr. Benedikt Vogel

ist Wissen­schafts­journalist.

  • Dr. Vogel Kommunikation
    DE-10437 Berlin

Unterstützung

Das BFE unterstützt Projekte

Die Entwicklung einer autonomen LED-Röhre durch die LEDCity AG gehört zu den Pilot- und Demon­stra­­tions­pro­jekten, mit denen das Bundes­amt für Energie (BFE) die Ent­wicklung von sparsamen und rationellen Energie­techno­logien fördert und die Nutzung erneuer­barer Energien vorantreibt. Das BFE fördert Pilot-, Demon­stra­tions- und Leucht­turm­pro­jekte mit 40 % der nicht amorti­sier­baren, anrechen­baren Kosten. Gesuche können jederzeit eingereicht werden.

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