Fachartikel Installationstechnik , Verbrauch

Erzeuger von Energie … und von Störungen

Elektromagnetische Verträglichkeit von Umrichtern

11.12.2017

Frequenzumrichter sind allgegenwärtig: Man findet sie in nahezu allen modernen elektrischen Systemen. Sie stellen jedoch eine der Hauptquellen für elektromagnetische Störungen dar. Am Beispiel von Solarwechselrichtern werden grundsätzliche Mechanismen erläutert.

Von kleinen SMD-Reglern im Milliwattbereich bis hin zu leistungsfähigen, mit modernen IGBTs bestückten Energieumwandlungssystemen bieten Frequenzumrichter heute ein vielseitiges Einsatzspektrum. Zu verdanken ist dies ihrem hohen Wirkungsgrad (bis 99%), ihrem kompakten Design und ihrer flexiblen Verwendung. Zu den Umrichtern zählen Solarwechselrichter, elektrische Antriebe von Motoren (von der Waschmaschine bis zur Lokomotive), Ladesysteme, LED-Beleuchtungen, Systeme mit vorgeschaltetem Regler, Hilfsspannungsversorgungen usw.

Allerdings senden diese Umrichter elektromagnetische Störungen über einen breiten Frequenzbereich aus. So wurde in einer kürzlich veröffentlichten Studie [1, 2] ihr Einfluss auf Elektro- und Telekommunikationssysteme nachgewiesen. Einige elektronische Zähler reagieren beispielsweise empfindlich auf Regel- und Ladevorrichtungen im Heimbereich und zeigen deutliche Mess­abweichungen.[3] Kommunikationssysteme, die das Stromnetz zur Diagnose oder Fernsteuerung nutzen, werden oft gestört. Dies erschwert die Entwicklung eines Smart Grids. Zudem altern elektronische Komponenten vorzeitig. Aber nicht nur die «empfindliche» Elektronik ist betroffen: Auch bei Motoren kann es zu Funktionsstörungen, überhitzten Motorwicklungen und erhöhtem Verschleiss kommen.

Derzeit werden Lösungen auf Einzelfallbasis umgesetzt, die jedoch keine allgemeine Anwendbarkeit besitzen, da eine Kompatibilität untereinander nicht immer gegeben ist.

Ursprung der Störungen

Frequenzumrichter unterteilen die Eingangsspannung (AC oder DC) in präzise Frequenzbereiche (zwischen 1 kHz und 1 MHz). Für jeden Bereich folgt anschliessend eine Modulation zwischen 0 und 100% zur Regelung der Ausgangsspannung vor der Umformung (AC oder DC).

Bezüglich Ursprung der elektromagnetischen Störungen werden mehrere Zonen unterschieden (Bild 1). Umrichter müssen nicht zwingend über alle Zonen verfügen.

Zone A: Das Schalten der Netzspannung durch die Gleichrichterdioden erzeugt unerwünschte Oberschwingungen der Netzfrequenz im Bereich von 50 Hz bis etwa 2 kHz.

Zone B: Dieser Bereich umfasst mehrere Störquellen. Zum einen verursacht das Schalten der Leistungsschalter Störspannungen, deren Oberschwingungen bis zu 100 MHz erreichen können. Zum anderen erzeugen die schalterinternen oder -externen Dioden bei Stromlöschung parasitäre Schwingungen. Weitere Strahlungsquellen sind die durch die starken Stromschwankungen der Schalter durchlaufenen Schleifen, die induktiven Elemente (Transformatoren und Drosselspulen) und sogar die Kühler.

Zone C: Das Schalten der Ausgangsdioden erzeugt den gleichen Effekt wie im Bereich A, aber mit der Grundfrequenz von Bereich B.

Zone D: Die Hilfssteuer- und Kommunikationselektronik induziert in der Regel hochfrequente Störungen, welche durch die Schaltflanken der Oszillatoren und Digitalelektronik verursacht werden. Sie wird mit niedriger Spannung betrieben und ist sehr schnell. Ihre Emissionen können sich auf die Leistungsein- und -ausgänge einkoppeln und stören.

Die Schaltoberschwingungen der Leistungsschalter (Bereich B) weisen eine besondere Dynamik auf (Bild 2). Sie nehmen nach zwei Grenzfrequenzen (fc1 und fc2) ab, besonders nach fc2. Diese Frequenz steht in Verbindung mit den Schaltflanken. Je schneller die Schaltzeit Tr ausfällt, desto stärker breiten sich die Störspannungen in den hohen Frequenzbereich aus. Das Beispiel in Bild 3 zeigt die leitungsgebundenen Emissionen an einem DC-Eingang eines Wechselrichters, dessen Taktfrequenz 200 kHz beträgt. Die Oberschwingungen reichen bis zu 10 MHz! Das Beispiel in Bild 4 zeigt Oberschwingungen bis 150 kHz bei einer Schaltfrequenz von 8 kHz.

Zudem finden in den Bereichen A, B und C Resonanzeffekte zwischen parasitären Kapazitäten und Induktivitäten statt, die in allen aktiven und passiven Elementen sowie Kabeln und Leiterbahnen enthalten sind. Es ergeben sich also im Zeitbereich bei jedem Schalten schnelle Schwingungen und im Frequenzbereich «breitbandige» Emissionen. Bild 4 zeigt mehrere dieser Emissionen bei 2 und 5 MHz. Eine hohe Impedanz in Kabeln, Verbindungen oder Masseflächen verstärkt die Störspannungen bei Wirbelströmen. Bei Impedanzen sollte auch die Induktivität berücksichtigt werden, da ihr Einfluss bei hoher Frequenz erheblich ist.

Ausbreitung

Bei der Ausbreitung ist es unerheblich, ob der Umrichter Energie aufnimmt oder wieder ins Netz speist. Die Störspannungen gehen durch fehlende Filter oder Kopplung zu den Schaltelementen zuerst von den Kabeln aus oder werden durch kapazitive Kopplung zwischen benachbarten Leitungen verursacht. Parasitärkapazitäten gegen Erde stellen zudem einen günstigen Ableitungsweg für leitungsgebundene Störungen dar.

Im Bereich weniger MHz bleiben die Störungen auf die Kabel beschränkt, bei höheren Frequenzen kommt es zu einer Abstrahlung, denn jedes Kabel ab einer Länge von 5 bis 10% der Wellenlänge (λ=300/f, Frequenz in MHz angegeben) verhält sich wie eine Antenne. Bei 100 MHz beträgt die Wellenlänge 3 m.

Umrichter verursachen bei geringer Leistung häufig mehr Störungen als bei voller Leistung. So liefern sie zwar bei 100% die maximale Energie, schalten jedoch nicht zwangsläufig den maximal möglichen Strom.

Ansätze zur Optimierung

Man sollte vorzugsweise an der Störquelle, d.h. am Umrichter, ansetzen. Da die Ausbreitung der Oberschwingungen mit den Schaltflanken in Verbindung steht, macht es wenig Sinn, die Grundfrequenz zu verändern. Die Schaltflankensteilheit der Leistungsschalter muss verringert werden, Snubber-Schaltungen müssen eingesetzt werden oder gar eine Resonanzschaltung oder Methode zur Spreizung der Grundfrequenz realisiert werden. Der Einsatz von Soft-Recovery-Dioden beugt negativen Effekten vor.

Masse-, Verbindungs- und Leiterbahnimpedanzen sollten in elektronischen Schaltungen minimal sein. Dies mindert hochfrequente Störschwingungen und ungewollte galvanische Kopplungen. Alle Stromschnittstellen, die potenzielle Strahlungsflächen darstellen, sind zu minimieren. Dies gilt auch für die allgemeine interne Verdrahtung.

Dann steht der Umrichter im Fokus. Um leitungsgebundene Störungen zu reduzieren, müssen Leistungsein- und -ausgänge zunächst mit Filtern bestückt werden. Auch die übrigen Kabel sind mit Filtern (Sinusfiltern oder dU/dt-Filtern für Motorleitungen) oder mit Ferriten zu versehen. Viele EMV-Filter am Eingang der Umrichter können sich aber ungünstig auswirken, denn ihre Kapazitäten gegen Erde reduzieren die Netzimpedanz, wodurch es zu einem Anstieg von Stör- und Ableitströmen kommen kann. Es besteht auch das Risiko von Resonanzen zwischen benachbarten Filtern.[4]

Zur Strahlungsreduzierung können Kabel mit Flechtschirmen, flächig an Metallwände montiert, eingesetzt werden. Kopplungen nach aussen werden durch Abschirmung des elektrischen Systems und der Kabel mit entsprechend versehenen Verbindungen an den Ein-/Ausgängen verhindert. Die Öffnungen müssen kleiner als 1/20 der Wellenlänge des zu dämpfenden Signals sein.

Anwendung auf Solarwechselrichter

Solaranlagen (Bild 5) stören durch Abstrahlung aus dem Gebäude nach aussen (z.B. Amateurfunk) und durch leitungsgeführte Störungen in den Kabeln des Gebäudes in Richtung des Versorgungsnetzes. Betroffen sind somit alle Haushalts- und Industrie­geräte. Häufig werden fälschlicherweise DC-Ableitströme verantwortlich gemacht.

Die störenden Komponenten sind der Wechselrichter und die gesamte (Eingangs-, Ausgangs- und Hilfs-) Verkabelung. Seit Kurzem gibt es kleine DC/DC-Wandler, auch Optimierer genannt. Sie werden hinter jedem PV-Modul befestigt und tragen zur Verbesserung des Wirkungsgrads der Solaranlage bei, indem sie verhindern, dass ein einziges Modul die Gesamtfunktion verschlechtert. Diese Komponenten können allerdings eine Störquelle darstellen.

Um die elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) zu verbessern, kann man zunächst den AC-Ausgang mit einem Netzfilter oder mit Ferriten bestücken. Die DC-Seite ist über lange Leitungen mit den Photovoltaik-Modulen verbunden, die schon bei niedriger Frequenz zu Antennen werden. Eine DC-Spannung mag am Oszilloskop betrachtet perfekt erscheinen, da schwache Störspannungen (im mV-Bereich) nicht immer erkennbar sind, doch Letztere reichen bereits aus, um Störungen zu verursachen (Bild 3). Ein solcher DC-Eingang muss daher ebenfalls mit einem speziellen Filter versehen werden – ein einfacher Kondensator genügt nicht. Schliesslich müssen bei der Verkabelung Schleifenbildungen verhindert werden, insbesondere beim Anschluss an die Photovoltaik-Module. Im schlimmsten Fall kann es nötig werden, störende Komponenten wie Optimierer, die nicht alle individuell gefiltert werden können, zu ersetzen.

CE-Kennzeichnung genügt nicht

Die Auswahl richtlinienkonformer Geräte allein genügt nicht; die Konformität muss auch überprüft werden. Das CE-Kennzeichen bedeutet nicht automatisch, dass die EMV ordnungsgemäss berücksichtigt wurde. Eine kürzlich durchgeführte europäische Studie [5] ergab, dass nur 5% der untersuchten Solarwechselrichter konform waren!

Speziell für Umrichter existieren nur wenige Produktnormen. Eine Ausnahme sind Umrichter für Elektroantriebe (EN 61800-3). Anzuwenden sind Fachgrundnormen oder Bereichsnormen (Medizin, Aufzüge, Eisenbahn usw.). Solarwechselrichter und Optimierer dürfen zudem nicht zu viele Oberschwingungen erzeugen (EN 61000-3-2/12) und müssen die Fachgrundnormen EN 61000-6-3 (Störaussendung) und wenigstens EN 61000-6-1 (Störfestigkeit für häusliche Umgebungen) einhalten.

Eine Solaranlage ist hingegen ein besonderer Fall, da sie als ortsfeste Einrichtung ([6] Artikel 3–1.3) gilt. Die Verantwortung für die Konformität geht demnach auf den Eigentümer über, der entsprechend eine EMV-Überprüfung durchführen sollte. Die reine Zusammenstellung richtlinienkonformer Komponenten (Wechselrichter und Optimierer) reicht für eine EMV-gerechte Installation nicht aus, denn der durchschnittliche Emissionsgrad steigt mit jedem hinzugefügten System an, wobei die Effekte, die durch Kabel und Resonanzen zwischen Komponenten verursacht werden, noch nicht inbegriffen sind.

Auch sind in den harmonisierten Normen nicht sämtliche EMV-Risiken berücksichtigt. So wird kaum auf Emissionen zwischen 9 und150 kHz eingegangen, obwohl Umrichter erhebliche Oberschwingungen in diesem Bereich erzeugen (Bild 4). Die Normung hinkt hier nach; es wird seit geraumer Zeit um die Grenzwerte gestritten. Zudem werden nur wenige Anforderungen in Bezug auf die Störfestigkeit unterhalb von 150 kHz gestellt. Somit hat man es in der Praxis mit Geräten zu tun, die zwar konform, aber potenziell störend für in der Nähe befindliche empfindliche Geräte in diesem Frequenzbereich sind. Eine mögliche Massnahme wäre die Installation von Niederfrequenzfiltern. Deren Grösse und Preis begünstigen eine Integration allerdings nicht und machen den Vorteil moderner Umrichter in Sachen Kompaktheit zunichte.

Elektrogeräte sollten daher schon bei der Konzeption optimiert und umfassender geprüft werden. Seit 2016 ist durch die Richtlinie 2014/30/EU eine EMV-spezifische Risikoanalyse vorgeschrieben ([6], Anhang II), die dazu dient, Lücken in den harmonisierten Normen in Bezug auf die endgültige Verwendung des Produktes zu identifizieren. Dies könnte beispielsweise ein Anreiz sein, Prüfungen auch unterhalb von 150 kHz durchzuführen. Überdies werden derzeit neue Normen für niederfrequente Emissionen von Leistungswandlern ausgearbeitet.

Zusammengebaute Geräte testen

Dass Frequenzumrichter Störaussendungen von einigen kHz bis zu mehreren MHz verursachen, ist kein neues Problem. Doch die Situation wird durch die Verbreitung moderner elek­trischer Systeme in beschränkten Umgebungen und durch das Fehlen gesetzlicher Auflagen für Emissionen zwischen 9 und 150 kHz verschärft. In der Praxis gibt es zahlreiche strahlende oder empfindliche Geräte, die alle schwer zu filtern sind.

Durch die Verpflichtung zur Risikoanalyse und Grenzwerte für Frequenzen unterhalb 150 kHz sollte es bei den Geräten in Zukunft zu einer Verbesserung der elektromagnetischen Verträglichkeit kommen, wodurch eine «Grundsatzkonformität» verhindert wird. Derweil müssen Anwender und Käufer die EMV weiterhin mit Aufmerksamkeit verfolgen, angefangen bei der Konformitätsüberprüfung der erworbenen Produkte bis hin zu zusätzlichen Tests zur Störaussendung und Störfestigkeit der zusammengebauten und anschliessend in Verkehr gebrachter Geräte. Solche Tests können in den EMV-Laboren von Eurofins Electrosuisse durchgeführt werden.

Referenzen

[1] Cenelec, CLC/TR 50627, Study report on electromagnetic interference between electrical equipment/systems in the frequency range below 150 kHz, November 2015.

[2] P. Kotsampopoulos et al., «EMC issues in the interaction between smart meters and power electronic interfaces», IEEE Transactions on Power Delivery, Volume PP, Issue 99, May 2016.

[3] F. Leferink, C. Keyer, A. Mlentjev, «Static energy meters errors caused by conducted electromagnetic interference», IEEE Electromagnetic Compatibility Magazine, Vol. 5, Issue 4, 2016, S. 49–55.

[4] D. Roggo, «CEM et réseaux intelligents», Bulletin SEV/AES 6/2015, S. 33–37.

[5] EMC Adco, Report on the 6th Joint cross-border EMC market surveillance campaign, 2014.

[6] Directive EMC 2014/30/EU.

Autor
Olivier Cardou

ist EPFL-Prüfingenieur im Bereich EMV.

  • Eurofins Electrosuisse Product Testing AG
    1728 Rossens
Autor
Christophe Perrenoud

ist Ingenieur HES und leitet die Labore Rossens und Bern.

  • Eurofins Electrosuisse Product Testing AG
    1728 Rossens

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