Fachartikel Gebäudeautomation , Smart Grid

Das Stromnetz der Zukunft ist intelligent

Home Energy Management Systeme

13.08.2025

Für die Energie­wende sind smarte Strom­netze, in denen Verbraucher und Erzeuger miteinander kom­muni­zieren können, unabdingbar. Im Rahmen eines Innosuisse-Projekts forscht die Fach­hoch­schule Wallis mit ihrem Industrie­partner Wago daran, wie sich diese Anfor­de­rungen steuerungs­tech­nisch am besten realisieren lassen.

Photovoltaik- und Wind­kraft­anlagen liefern sauberen Strom. Für die Umwelt und das Klima ist das sehr gut. Weniger Freude an diesem nach­haltigen Ansatz haben die Elektri­zitäts­werke. Weil der Strom nicht wie bisher nur in eine Richtung fliesst, nämlich vom Erzeuger zum Verbraucher, müssen diese nun einen deutlich grösseren Aufwand betreiben, um ihre Versor­gungs­netze zu stabilisieren. Und dieser erhöht sich mit jeder zusätzlich instal­lierten PV-Anlage, die ans Netz geht.

Ursachen für Netzbelastung

Doch wie lassen sich die Verteilnetze entlasten? Die beste Möglichkeit wäre es, die überschüssige Energie zu speichern, beispiels­weise in Pump­speicher­kraft­werken, um sie bei grosser Nach­frage wieder nutzen zu können. Das Problem: Dieser Ansatz destabili­siert die Verteil­netze ebenfalls. Schliesslich muss der Sonnen­strom dafür zunächst einmal von den Haus­dächern durchs Ortsnetz hin zu den Speichern geleitet werden. Diese Heraus­forderung, dass der Strom plötzlich in die entgegen­gesetzte Richtung fliesst, haben aber auch andere Speicher­verfahren. Daher sind grosse Batterie­speicher oder Power-to-X-Verfahren ebenfalls nur bedingt für eine Netz­stabili­sierung geeignet.

Möglichkeiten der Netzentlastung

Welche Möglich­keiten gibt es, den über­schüs­sigen Solarstrom effizient im Netz zu managen? Eine Möglichkeit ist dessen konse­quenter Ausbau. Dieser ist aber sehr kost­spielig und löst das Problem nur kurzfristig, da sich die Menge des Solar­stroms mittel­fristig ver­zehn­fachen wird. Schon heute führt der Zuwachs an PV-Anlagen dazu, dass in manchen Regionen bis zu 30% der Anschluss­gesuche erst gar nicht mehr genehmigt werden – Tendenz steigend. Kurioser­weise stehen diese nicht genehmigten Anschlüsse in einem krassen Gegensatz zur aktuellen politischen Debatte, die den weiteren PV-Ausbau fordert und fördert.

Eine Alternative, um die Netz­infra­struktur zukunfts­fähig zu machen, ist deren Opti­mierung und Ver­stärkung. Um die vor­han­denen Über­tragungs­kapazi­täten besser zu nutzen, können die Leiterseile durch solche mit grösserem Quer­schnitt und einer höheren Tempera­tur­bestän­digkeit ausge­tauscht werden. Zudem ist der Einsatz von FACTS (Flexible AC Transmission Systems) und Phasen­schieber­gene­ratoren zur Blind­leistungs­kompen­sation denkbar.

Ein weiterer Ansatz zur Netz­stabili­sierung ist die Eigen­verbrauchs­opti­mierung. Wird der Strom an Ort und Stelle flexibel genutzt, also dann, wenn er erzeugt wird, muss er erst gar nicht zu Pump­speicher­becken, Batterien oder Ähnlichem geleitet werden.

Die Eigen­verbrauchs­opti­mierung und somit die Steigerung der Wirt­schaft­lichkeit der Anlage geschieht primär mit einem Home Energy Management System (HEMS), einer Software, die PV-Anlage, Stromspeicher und grosse Strom­ver­braucher wie Wallbox oder Wärmepumpe intelligent miteinander verknüpft. Als Taktgeber des lokalen Energie­systems erfasst und analysiert das HEMS die PV-Erzeugung auf dem Dach sowie den Betrieb des Speichers und den Strom­verbrauch im Haushalt und steuert die bedarfs­gerechte Verteilung des Solarstroms.

Harmoni­sierung der Schnitt­stellen

Nun gibt es aber auch das intelli­gente Strom­netz nicht umsonst und auch hier müssen zunächst noch Antworten auf dringende Fragen gefunden werden. So fehlt bisher eine einheitliche Schnittstelle, über welche Elektri­zitäts­werke und Verbraucher miteinander kommuni­zieren können. Zudem ist bislang nicht geklärt, wie Wärme­pumpen oder E-Lade­stationen als Verbraucher sowie PV-Anlagen als Erzeuger in ein intelli­gentes Strom­netz zu integrieren sind. Für beides fehlen Standards, weshalb der Verein SmartGridready genau hier ansetzt.

Der in Bern ansässige Verein setzt daher auf eine Har­moni­sierung der Kom­muni­kations­schnitt­stellen. Diese sind gemäss Stefan Minder, dem Leiter der Geschäfts­stelle des Vereins, die Voraus­setzung dafür, dass Elektri­zitäts­werke beispiels­weise anhand von Echt­zeit­daten ihr Netz stabilisieren und gezielt erweitern können. Des Weiteren sind sie für innovative und neue Geschäfts­modelle wichtig, beispiels­weise dyna­mische Strom- und Netz-Tarife oder Anreiz­modelle für netz­dien­liches Verhalten.

Einer, den solche dyna­mischen Abrech­nungs­modelle beschäf­tigen, ist Martial Beutler aus Bösingen. Der Besitzer eines Ein­familien­hauses ist Strom­verbraucher und -erzeuger und interessiert sich vor allem für einen kosten­opti­mierten Energiebezug: «Ich möchte unsere Elektroautos möglichst günstig laden. Wenn das morgens zwischen 3 und 6 Uhr ist, muss das auto­matisch erfolgen», sagt er und ergänzt: «Im Moment müsste ich den Wecker stellen und den Ladvorgang selbst auslösen.»

Da dies für ihn keine Option ist, stimmte er gleich zu, als ihn seine Arbeitgeberin, die Wago Contact SA in Domdidier, fragte, ob er nicht an einem Innosuisse-Projekt der Fach­hoch­schule HES-SO Wallis teilnehmen möchte. In dessen Rahmen wurden zwölf Haushalte in der Westschweiz mit Messtechnik ausgestattet, um zwei Jahre lang die Stromzu- und -abflüsse zu erfassen. Mit den erhobenen Daten soll später eine Software dahingehend optimiert werden, Strom­erzeuger und -ver­braucher autonom zu steuern.

Verknüpfung OT und IT

Wieso das wichtig ist, erklärt Martial Beutlers Arbeitskollege Stéphane Rey: «Nur wenn alle diese Geräte miteinander sprechen können, lassen sich Ein­familien­häuser zu einem günstigen Preis energie­optimiert betreiben.» Im Auge hat er dabei vor allem die Regel­energie, die sich für zukünftige Dienst­leistungen wie das «Peak Shaving» eignet. Da diese nicht zu festen Zeiten benötigt wird, ist sie ideal, um die Last grosser Verbraucher wie Wärme­pumpen oder E-Lade­säulen gezielt zu drosseln. Die Frage, die sich hierbei allerdings stellt: Wie steuert man ein solches Haus?

«Dafür braucht es eine fehlerfrei funktio­nierende Plattform, bei der eine industrielle Steuerung beispiels­weise über PC oder Tablet Cloud-basiert kommuniziert», sagt Stéphane Rey. Aus seiner Arbeit als Appli­kations­ingenieur kennt er seit Jahren diese Verknüp­fung von OT und IT.

Weil eine solche industrielle Steuerung über­dimensio­niert und den meisten Anwendern als Home Energy Management System vermutlich zu teuer wäre, optimiert Wago einen seiner industrie­taug­lichen Controller für den Einsatz im Energiemarkt. Das Ziel: Elektriker müssen Wärme­pumpen, Wechsel­richter und weitere Geräte möglichst einfach ins intelligente Stromnetz integrieren können.

Treiber für flexible Kommunikation

Diese problemlose Integration ist eine Aufgabe, der sich innerhalb des Innosuisse-Projekts die Fach­hoch­schule Wallis verschrieben hat. Professor Frédéric Revaz ist aufgrund seiner Forschungsarbeit mit Begriffen wie «Eigen­ver­brauchs­opti­mierung», «Dynamische Tarife» oder «Dienste für Verteil­netz­betreiber» vertraut und weiss daher, in welche Richtung sich der Energiemarkt in kommender Zeit entwickeln wird: «Es entstehen neue Geschäftsmodelle, mit denen sich der Energiebedarf von Gebäuden flexibel steuern lässt.»

Voraussetzung für eine solch flexible Kommunikation innerhalb des Smart Grids ist die einfache Einbindung der Geräte. «Für diese entwickeln wir die benötigten Treiber», so Frédéric Revaz. Ziel ist es, mit diesen Smart-Grid-fähige Geräte möglichst einfach in ein Netzwerk einzubinden – vom Aufwand soll das nicht viel schwerer sein als zum Beispiel einen Drucker in sein Heimnetzwerk zu integrieren.

Was in der Praxis möglich ist, wenn Strom­ver­braucher sich unter­einander austauschen können, testet die Fach­hoch­schule Wallis in einem weiteren Projekt. In diesem schliesst sie mehrere Wärme­pumpen im Pool zusammen und betreibt diese mit Regel­energie. So kann sie die Wärme­pumpen mit einem dynamischen Tarif kosten­optimiert steuern: Weicht die Differenz vom gebuchten Energiebezug zu stark ab, fährt ein Signal automatisch die Wärmepumpen hoch beziehungsweise runter.

HEMS als zentraler Knotenpunkt

Die Rollen von Wago und der Fach­hoch­schule Wallis sind im Innosuisse-Projekt definiert. Wie ist in diesem Kontext aber SmartGridready zu sehen? «Uns interessiert vor allem, wie sich die System­inte­gration und die Kom­muni­kations­anbindung ans Netz so stark verein­fachen lassen, dass das Smart Grid rasch ausgerollt werden kann», sagt Stefan Minder und ergänzt: «Daher sollen die Erfahrungen der FH Wallis und Wago in die Weiter­ent­wicklung des SmartGridready-Labels einfliessen.»

Wichtig ist ihm das vor allem deshalb, weil Home Energy Manage­ment Systeme aus seiner Sicht künftig die zentralen Knoten­punkte im Smart Grid sein werden: «Diese stellen den Verteil­netz­betreibern und Energie­versorgern alle relevanten Lastdaten zur Verfügung, empfangen Preis- und Steuerungs­signale, regeln Geräte im Gebäude autonom und entlasten so das Netz ohne Komfort­verlust.»

Damit, so der Geschäfts­führer von SmartGridready, seien die Systeme in Ergänzung mit einem vernünftigen Netzausbau für die Energie­wende unverzichtbar: «Nur mit intelli­genten Systemen lässt sich die Umschichtung bei den Energie­flüssen sowie der Zuwachs an erneuer­baren Energien bewältigen.»

Autor
Markus Back

ist technischer Redaktor bei Wago.

  • Wago Contact SA, 1564 Domdidier

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