Die vielen Seiten der alpinen Photovoltaik
Energieforschungsgespräche Disentis vom 25. bis 27. Januar 2023
Vom 25. bis 27. Januar 2023 stand im Benediktinerkloster von Disentis die nachhaltige Energieversorgung im Fokus. An den achten Energieforschungsgesprächen von Alpenforce wurden Themen der Energiebranche aus wissenschaftlicher und praktischer Sicht interdisziplinär beleuchtet. Die Akteure konnten sich auf diese Weise direkt mit den Anliegen anderer Interessensgruppen auseinandersetzen.
Im Mittelpunkt der Konferenz stand die Alpen-Photovoltaik, ein Thema, das nicht nur intensiv in der aktuellen Energiedebatte diskutiert wird, sondern auch bestens in die alpine Umgebung des Tagungsortes Disentis passt.
Am wissenschaftlich geprägten Vormittag näherte man sich der alpinen PV aus der Distanz: Sebastian de Pretto, Universität Bern, erläuterte, wie es dazu kam, dass die unwirtlichen und in früheren Zeiten als gefährlich betrachteten Alpen heute als Sehnsuchtsorte betrachtet werden. Die Perspektive der Landschaftsarchitektur, mit Erkenntnissen aus der Wasserkraft und dem Tunnelbau, präsentierte Sarem Sunderland von der ETH Zürich. Beim Bau von Infrastrukturen in den Alpen denke man immer an Fremdkörper, obwohl Lawinenschutzbauten oder Weinbaugebiete, die auch künstlich sind, manchmal als schön betrachtet werden. Beim Bau sollte also gestalterisch geplant werden, um Lösungen zu finden, die auch ästhetisch überzeugen.
Das durch den Tourismus geprägte Image wurde durch Aurelia Kogler, FHGR, vorgestellt. Aus ihrer Sicht könnten alpine PV-Anlagen auch als Chance genutzt werden, um die nachhaltige Ausrichtung eines Ferienresorts zu kommunizieren. Nach dem Motto: Die Skilifte werden nachhaltig durch Solarstrom betrieben.
Marius Schwarz, ETH Zürich, stellte die Winterstromproblematik als Motivation für PV-Ausbau vor. Man könnte gemäss Energiegesetz bis 2025 bis zu 2 TWh alpiner PV zubauen. Die dafür benötigte Gesamtfläche entspricht 12 km², also der Fläche, die für Strassen jedes Jahr versiegelt werden. Wenn 50% der jährlichen Stromerzeugung im Winter anfallen, können 35% der Winterimporte gedeckt werden. Generell gibt es zwei verschiedene Arten von alpinen PV-Projekten: kleinere Projekte (10 bis 100 GWh/a) in der Nähe bestehender Infrastrukturen sowie grössere Projekte (knapp 1 TWh/a) fernab vorhandener Infrastruktur.
Die Biodiversität, der Einfluss auf die Alpwirtschaft und Auswirkungen auf Vögel kamen am Nachmittag zur Sprache. Christian Haueter, Biobauer und Initiant Alpines Solarprojekt «Morgeten», schilderte, wie er von der Wasserkraft zur alpinen Photovoltaik gekommen ist. Die klimabedingte Wasserreduktion auf seinem Land motivierte ihn, ein PV-Projekt zu starten. Dabei wurde nicht nur in diesem Vortrag klar, dass eine Güterabwägung nötig ist, denn punktuell wird durch die nachhaltige Stromproduktion das ästhetische Empfinden von Touristen tangiert.
Die Konferenz zeigte auf spannende Weise auf, dass die alpine PV eine Gleichung mit mehreren Unbekannten ist. Intensive Diskussionen aller Interessensgruppen sind nötig, um den alpinen Raum optimal – zum Wohl möglichst aller – zu nutzen.
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