Zuversichtlich in die Zukunft?
Aktivismus alleine reicht nicht
Klimaschutz prägt nach dem Hitzesommer 2018 die öffentliche Diskussion. Und er hat besorgte Bürger jüngst dazu getrieben, am Steingletscher den «Verein Klimaschutz Schweiz» zu gründen. Die Forderung: Fossile Brennstoffe bis 2050 komplett ersetzen. Die Schweizerische Vereinigung für Sonnenenergie (SSES) fordert vor diesem Hintergrund, den Ausbau der Photovoltaik zu verdreifachen – von jährlich 250 auf 750 Megawatt neue Leistung.
Doch ist ein zu langsamer Ausbau unregelmässig anfallender Leistung wirklich unser grösstes Problem? «Die Kraftwerkskapazitäten in der Europäischen Union schmelzen dahin», warnt der deutsche Bundesverband der Elektrizitäts- und Wasserwirtschaft (BDEW). Bislang war die Bundesregierung davon ausgegangen, dass Europa genügend Kraftwerke bereithalten wird, um nach dem Atom- und Kohleausstieg den Bedarf in der deutschen Stromversorgung zu decken. Offenbar eine gefährliche Fehleinschätzung. Die Analyse zeigt, dass Versorgungssicherheit zum zentralen Punkt werden muss, wenn die Diskussion über den Kohle- und Atomausstieg geführt wird. Der wissenschaftliche Dienst der EU-Kommission rechnet damit, dass die Kohlekapazitäten in der EU bis 2030 um 63 Prozent schwinden werden.
Somit fehlen schon in Kürze überall in Europa Kraftwerke mit gesicherter Leistung, die stetig Strom produzieren können – insbesondere in den kritischen Monaten Januar bis April. Knapp gesagt drohen Zentraleuropa Zeiten, zu denen gleichzeitig überall viel zu wenig oder viel zu viel Strom vorhanden sein wird. Und wenn Europa die deutsche Versorgung nicht garantieren kann, sieht es auch für die Schweiz als Importeurin von deutschem Strom rasch düster aus. Mit reinem Aktivismus ist es darum bei der Umsetzung der ES2050 nicht gemacht. Wir müssen uns hier und sofort überlegen, wie wir unseren grössten Trumpf – die Wasserkraft – in ein nachhaltiges Marktsystem einbetten und für Investoren wieder interessant machen. Zudem sollten wir die Türen für allfällige Gaskraftwerke nicht heute schon zuschlagen. Diese Punkte sind im Augenblick noch ungewiss. Der Winter hingegen kommt mit Sicherheit.
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