Wirkungsgrad messen bei Wasserkraft
Methoden und Nutzen
Wirkungsgradmessungen für Turbinen und Pumpen in Wasserkraftwerken werden einerseits bei vertraglich geregelten Garantienachweisen benötigt und andererseits für die Bewertung der Wirtschaftlichkeit bei Erneuerungsmassnahmen ausgeführt. Sie erhöhen die Transparenz zwischen Betreiber und Lieferant. Zudem liefern sie wertvolle Erkenntnisse für die Weiterentwicklung von hydraulischen Komponenten, insbesondere für den heute vermehrt geforderten Teillastbetrieb.
Ausgangspunkt für eine Wirkungsgradmessung während oder nach der Inbetriebsetzung von neuen hydraulischen Komponenten ist die Ausschreibung oder der Werkvertrag zwischen dem Betreiber und dem Lieferanten. In diesen Dokumenten ist klar zu definieren, welcher Wirkungsgrad aufgenommen und mit welchen Garantiewerten dieser verglichen werden soll. Die verlässliche Messung des Volumenstroms bildet in Wasserkraftanlagen meist die grösste Herausforderung, unabhängig vom zu berücksichtigenden Wirkungsgrad (hydraulischer Wirkungsgrad, Turbinenwirkungsgrad, Maschinensatzwirkungsgrad, Anlagenwirkungsgrad).
Es kommt für die Auswahl der Wirkungsgradmessmethode nicht primär auf die Grösse der installierten Leistung an. Die Methode muss aber so ausgewählt werden, dass mit der zu erwartenden Messunsicherheit die in der Ausschreibung spezifizierten Auflagen zum Garantienachweis erfüllt werden können. Deshalb ist es wichtig, dass bereits in der Ausschreibung festgehalten wird, mit welcher Methode der Garantienachweis erbracht und welche Toleranz hierfür gewährleistet wird.
Wirkungsgradmessungen werden unter anderem bei aktuellen Bestandsaufnahmen (Ist-Situation), meist im Zusammenhang mit geplanten Erneuerungsmassnahmen, zur Klärung offener Fragen durchgeführt: Entspricht das aktuelle Wirkungsgradniveau dem aktuellen Stand der Technik? Welche Wirkungsgradsteigerung darf erwartet werden und wie wirkt sich dies auf die Wirtschaftlichkeitsrechnung aus? Wird sich das Betriebsregime in Zukunft verändern und sollte der Bestpunkt der hydraulischen Maschine verschoben werden? Um bei einem Erneuerungsprojekt hierzu Antworten zu erhalten, ist eine aktuelle Wirkungsgradaufnahme unerlässlich. Weiter sollten im Zuge der Wirkungsgradmessung auch die Verluste im Triebwasserweg bestimmt werden. Diese Verluste können von Anlage zu Anlage stark differieren und bis zu 10 % der gesamten hydraulischen Energie betragen. Die Triebwasserverluste werden oft unterschätzt.
Betreiber werden in jüngster Zeit gefordert, die Turbinen bei immer tieferen Teillastbetrieben einzusetzen. Dies ermöglicht bei laufender Turbine möglichst rasch auf Spitzennachfragen zu reagieren, d.h. Leistungsreserven anzubieten. Wegen den erhöhten mechanischen Belastungen und auftretenden Strömungsinstabilitäten erfordern diese Teillastbereiche eine detaillierte Untersuchung, bei welcher auch Druckpulsationen und das Schwingverhalten der Maschinen- und Anlagenkomponenten aufgezeichnet und dokumentiert werden. Dabei kann auf aussergewöhnliche Resultate, wie beispielsweise durch die Strömung angeregte Resonanzschwingungen, hingewiesen oder andernfalls können vorgängige Bedenken entlastet werden.
Thermodynamische Methode
Die in der Schweiz bei Mittel- und Hochdruckwasserkraftwerken bei Garantienachweisen am häufigsten eingesetzte Messmethode ist die thermodynamische Wirkungsgradmessung (Bild 1). Sie basiert auf dem Energieerhaltungssatz, d.h. dem 1. Hauptsatz der Thermodynamik – daher die Namensgebung. Die inneren Verluste (Reibungs- und Dissipationsverluste) einer hydraulischen Maschine verursachen einen Temperaturanstieg des Wassers. Oder anders ausgedrückt, sämtliche nicht in mechanische Energie umgewandelte hydraulische Energie führt zu einer Temperaturerhöhung des Fluids. Der damit berechenbare hydraulische Wirkungsgrad ist bei Turbinen das Verhältnis von zugeführter spezifischer hydraulischer Energie und abgeführter mechanischer Energie. Hierbei können spezifische Energien (Energie pro kg durchströmendes Wasser) eingesetzt werden, da im Zähler und Nenner des Wirkungsgrades der Volumenstrom gekürzt werden kann. Eine Volumenstrommessung ist daher bei dieser Methode nicht notwendig, was den grossen Vorteil, neben der relativ kleinen Messunsicherheit, beschreibt.
Vielmehr kann bei einer zusätzlichen Messung der Generatorwirkleistung und der Erfassung der Lagerverluste der Volumenstrom aus den bekannten Grössen berechnet werden. Demnach kann mit dieser Messmethode die Volumenstrommessung des Betriebs kontrolliert und angepasst werden. Im Hinblick auf das zukünftige Betriebsregime erlaubt eine verlässliche Referenz eine Überwachung der Betriebszustände und des Wirkungsgradverhaltens über die Zeit (Wirkungsgradhistorie). Für die Berechnung der optimalen Bezugswirkungsgrade muss man den tatsächlichen Volumenstrom kennen.
Thermodynamische Wirkungsgradmessungen können wegen der kleiner werdenden Temperaturdifferenz über der hydraulischen Maschine nur bei Fall- oder Förderhöhen grösser als 80 – 90 m (im IEC-Standard 60041 sind 100 m definiert) empfohlen werden. Bei Niederdruckanlagen wird die Messmethode daher nicht angewendet.
Messflügel
Eine weitere im IEC-Standard 60041 [1] aufgeführte Primärmethode zur Wirkungsgradbestimmung ist die Volumenstrombestimmung mit Messflügeln. Diese Methode wird sowohl in geschlossenen Rohrleitungen unter Druck als auch in offenen Kanälen eingesetzt. Bei der zweiten Methode wird typischerweise ein Messrahmen, an dem die Messflügel befestigt sind, in einer Dammbalkennut verschoben und so das Strömungsprofil über den Querschnitt mit Einzelpunktmessungen und anschliessender Integration der Fluidgeschwindigkeiten aufgenommen (Bild 2). Wirkungsgradmessungen mit Messflügeln werden vor allem bei Niederdruckanlagen angewendet.
Akustische Volumenstrommessung
Die akustische Volumenstrommessung ist im aktuellen IEC-Standard 60041 im Anhang (keine Primärmethode) aufgeführt. Um eine absolute Wirkungsgradmessung durchzuführen, sind für die Volumenstrombestimmung vier Ebenen mit jeweils gekreuzten Pfaden erforderlich (d.h. insgesamt acht Pfade). Diese Anordnung ist für einen offenen Kanal in Bild 3 gezeigt. Wirkungsgradmessungen mit akustischen Volumenstrommessungen können sowohl in Nieder- als auch in Hochdruckanlagen angewendet werden (innenliegende oder feed-through Aufnehmer). Um die Messunsicherheit in der Volumenstromintegration zu verringern, hat es sich bei nicht-idealen Einsatzbedingungen in der Praxis bewährt, numerische Strömungssimulationen (CFD) durchzuführen und dabei das Geschwindigkeitsprofil beim Messquerschnitt zu analysieren. Dadurch können auch gestörte Geschwindigkeitsprofile mit einer entsprechenden Gewichtung der einzelnen Pfadgeschwindigkeiten berücksichtigt werden.
Effizienzsteigerung durch Erneuerungen oder Revisionen
Im Bild 4 wird je ein Beispiel einer Effizienzsteigerung für eine Pelton- und eine Francisturbine gezeigt. Bei der Peltonturbine wurde ein komplett neues Laufrad mit verbesserter Geometrie eingesetzt. Vor dem definitiven Entscheid für die Erneuerungsmassnahme wurde eine aktuelle Bestandsaufnahme durchgeführt (gestrichelter Verlauf, 2-düsig grün, 1-düsig blau). Aufgrund des Wirkungsgradniveaus der Bestandsaufnahme und der zu erwartenden Verbesserung wurde der Investitionsentscheid gefällt. Nach der Inbetriebsetzung des neuen Laufrades wurde der Garantienachweis durchgeführt (durchgezogener Verlauf). Beim neuen Wirkungsgradverlauf resultierte eine Bestpunktverschiebung gegen grössere Leistung hin, was insbesondere besser zu der Jahresganglinie des Kraftwerkbetriebs passt. Zudem konnte durch das neue Laufrad eine gewichtete Wirkungsgradsteigerung von 2,3 % nachgewiesen werden. Bei fast konstanten Wirkungsgradunterschieden über den Betriebsbereich, wie in diesem Beispiel, wird sich der gewichtete Wirkungsgradunterschied auf eine um 2,3 % grössere Produktion auswirken.
Im Fall der im Bild 4 gezeigten Francisturbine wurde nach etwa zehn Jahren Einsatzzeit beträchtlicher hydro-abrasiver Verschleiss festgestellt. Daraufhin wurde entschieden, eine umfassende Revision der hydraulischen Komponenten (Leitrad, Laufrad, Labyrinthe) einzuleiten. Um die Wirtschaftlichkeit der Revision zu bewerten, wurden davor und danach Wirkungsgradmessungen durchgeführt. Es konnte ein gewichteter Wirkungsgradgewinn von 2,4 % nachgewiesen werden.
Die zwei beschriebenen Beispiele für die beiden Turbinenarten sind bezüglich des Wirkungsgradgewinns in der zu erwartenden Grössenordnung typisch für Erneuerungs- oder Revisionsmassnahmen. Die Wirkungsgradsteigerung ist aber von Fall zu Fallverschieden, je nachdem wie beispielsweise der Abnutzungsgrad ist, oder wie alt die hydraulische Auslegung ist.
Die Wirkungsgradverläufe der Turbinentypen sind unterschiedlich. Charakteristisch für Peltonturbinen sind flache Verläufe mit ausgezeichneten Teillastwirkungsgraden. Wirkungsgrade von über 90 % bei nur 20 % Last sind durchaus üblich. Demgegenüber weisen Francisturbinen höhere Bestpunktwirkungsgrade auf, welche etwa 2 % besser als bei Peltonturbinen sind.
Messunsicherheiten
In der Tabelle werden die relativen Messunsicherheiten (Konfidenzintervall 95 %) der gängigsten Messmethoden für absolute Wirkungsgradmessungen bei normalen Randbedingungen aufgelistet.
Diese Messunsicherheiten gelten nur, wenn man sich bei der Durchführung der Messungen strikt an die Vorgaben des hierzu relevanten IEC-Standards 60041 hält. Weitere Voraussetzungen, um diese Messunsicherheiten zu gewährleisten, sind die Verwendung von hochpräzisen und kalibrierten Messgeräten, das physikalische Verständnis der Messmethoden sowie die korrekte Vorgehensweise bei der Datenverarbeitung.
Unabhängig
Sowohl gute als auch schlechte Resultate können den Erfahrungsstand der Lieferanten sowie der Betreiber stärken. Die Erkenntnisse aus den Messungen werden in zukünftigen Projekten berücksichtigt. Dazu sind diese Messungen jedoch mit höchster Sorgfalt durchzuführen, um eine kleinstmögliche Messunsicherheit zu garantieren. Wirkungsgradmessungen werden deshalb vielfach von unabhängigen Ingenieurbüros mit einschlägiger Erfahrung durchgeführt.
Referenz
[1] IEC-Standard 60041, Field acceptance tests to determine the hydraulic performance of hydraulic turbines, storage pumps and pump-turbines, Geneva, 1991.
Kommentare