Fachartikel Energieeffizienz , Energiemarkt

Winterpaket der EU: Mehr Energieeffizienz

Mehr Energieeffizienz in der Stromwirtschaft und im Gebäudebereich

02.03.2017

Die Europäische Kommission hat acht Gesetzesvorschläge zur Überarbeitung weiter Teile des Energie- und Stromsektors veröffentlicht.[1] Zwei dieser Vorschläge betreffen das Thema Energieeffizienz: Der Vorschlag zur Änderung der Energieeffizienzrichtlinie und der Vorschlag zur Änderung der Gebäudeeffizienzrichtlinie.

Das zentrale Leitmotiv der Energieunion lautet «Energieeffizienz an erster Stelle». Mit den Vorschlägen zur Änderung der Energieeffizienzrichtlinie und zur Änderung der Gebäudeeffizienzrichtlinie soll dieses in die Tat umgesetzt werden. Die günstigste, sauberste und sicherste Energie sei die, die erst gar nicht verbraucht wird, so die Europäische Kommission.[2]

Die zwei Gesetzesvorschläge zur Energieeffizienz sind Teil des Winterpakets, über das im letzten Bulletin berichtet worden ist und das neben acht Gesetzesvorschlägen weitere 30 Berichte, Mitteilungen und Folgeabschätzungen enthält.[3] Neben den Massnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz sollen zur Erreichung der europäischen Klima- und Energieziele für 2030 das Strommarkt-Design unter besonderer Berücksichtigung von Digitalisierung, der Verbraucher und der Förderung der erneuerbaren Energien zukunftsfähig aufgestellt werden.[4] Ausser den Vorschlägen zur Änderung der Energieeffizienz-Richtlinie und zur Änderung der Gebäudeeffizienzrichtlinie hat die Europäische Kommission ausserdem einen Arbeitsplan für geplante Massnahmen im Bereich Ökodesign für den Zeitraum 2016–2019 [5] vorgelegt.

Änderung der Energieeffizienz-Richtlinie

Die Europäische Kommission plant mit der Änderung der bestehenden Energieeffizienz-Richtlinie eine verbindliche EU-weite Steigerung der Energieeffizienz um 30% bis zum Jahr 2030; diese ist definiert als absolutes Einsparziel – und zwar gemessen in Primär- und Endenergie. Der Europäische Rat hatte sich in seinen Schlussfolgerungen vom Oktober 2014 lediglich für ein unverbindliches Energieeffizienzziel auf EU-Ebene in Höhe von 27% bis ins Jahr 2030 ausgesprochen.

Das auf EU-Ebene verbindliche Ziel soll auf nationale unverbindliche Ziele heruntergebrochen werden. Die In­stru­mente zur Steuerung, Koordination und Sicherstellung der Zielerreichung sind im Vorschlag für eine EU-Verordnung zur Governance der EU-Energie­union [6] enthalten, der ebenfalls Teil des EU-Winterpakets ist. Der Vorschlag der Europäischen Kommission ändert auch den Nachweis der Zielerreichung für das Jahr 2020: Das absolute Einsparziel von 20% gilt nur dann als erreicht, wenn sowohl weniger Primär- als auch weniger Endenergie verbraucht wird; bislang ist die Erreichung eines der beiden Ziele ausreichend.

Europäische Kommission legt Energiesparziel fest

Im Vorschlag legt die Europäische Kommission ein Energieeinsparziel in Höhe von jährlich mindestens 1,5% des finalen Energieabsatzes an Endkunden fest. Bemessungsgrundlage ist der durchschnittliche Energieabsatz der vorhergehenden drei Jahre. Das Einsparziel soll kumulativ wirken und die Einsparklausel auch über das Jahr 2030 hinaus Geltung haben – vorbehältlich einer ausdrücklichen Ausserkraftsetzung durch die Europäische Kommission.

Die EU-Mitgliedsstaaten können bei der Umsetzung wählen zwischen Einsparverpflichtungssystemen, alternativen Massnahmen oder einer Kombination aus beiden Instrumenten. Um jene EU-Mitgliedsstaaten, die bereits umfangreiche Massnahmen ergriffen haben, nicht zu benachteiligen, sollen auch Massnahmen angerechnet werden können, die zwischen 2009 und 2020 eingeführt wurden und die über das Jahr 2020 hinaus wirken.

Bei der Berechnung der Zielerreichung verfügen die EU-Mitgliedsstaaten im Zeitraum 2021–2030 über eine gewisse Flexibilität: So kann zum Beispiel der gesamte Energieabsatz an Branchen, die in den Anwendungsbereich des EU-Emissionshandelssystems fallen, von den Energieeffizienzzielen ausgenommen werden.

Im Anhang IV des Gesetzesvorschlags wird der Primärenergiefaktor für Strom bei der Umrechnung von Endenergie aus Primärenergie von 2,5 auf 2,0 abgesenkt: Dies verbessert grundsätzlich die Wettbewerbsfähigkeit von strombetriebenen Endgeräten gegenüber Endgeräten, die mit anderen Energieträgern betrieben werden. Die EU-Mitgliedsstaaten haben jedoch die Möglichkeit, jeweils eigene Primärenergiefaktoren anzusetzen.

Mit den Anpassungen der Artikel 9 bis 11 des Gesetzesvorschlags werden die Bestimmungen betreffend die Verbrauchserfassung (zum Beispiel die Verpflichtung zur Einführung fernablesbarer Zähler) und die für die Abrechnung zur Verfügung gestellten Informationen für den Gasbereich ergänzt und auf den Bereich Heizung, Kühlung und Warmbrauchwasser aus zentraler Quelle ausgeweitet. Die entsprechenden Regeln für den Strombereich wurden – mit dem Ziel, den Endverbraucher zu stärken – in den Vorschlag für eine Neufassung der EU-Strombinnenmarkt-Richtlinie übernommen, der ebenfalls Teil des Winterpakets ist.

Das Europäische Parlament hatte im vergangenen Jahr in einem unverbindlichen Bericht zum Thema Energieeffizienzziel eine Reduktion des Energieverbrauchs bis 2030 um 40% gefordert.[7] Dies geht weit über das von den EU-Mitgliedsstaaten angestrebte Ziel von 27% hinaus. Der Vorschlag der Europäischen Kommission ist als Kompromiss zwischen diesen zwei extremen Positionen zu verstehen.

Änderung der Gebäudeeffizienzrichtlinie

Das langfristige Ziel des Vorschlags der Europäischen Kommission zur Änderung der EU-Gebäudeeffizienzrichtlinie ist ein CO2-neutraler Gebäudebestand bis 2050. Die Änderungen betreffen nur einzelne Artikel. So sollen zum Beispiel die EU-Mitgliedsstaaten sicherstellen, dass in Neubauten und Gebäuden, die nicht zu Wohnzwecken dienen, und an denen grössere Renovierungsarbeiten vorgenommen werden, ab 2025 Ladestationen für Elektroautos eingebaut werden. Ab zehn Parkplätzen soll jeder zehnte mit einer intelligenten Ladestation versehen sein, die über Preissignale gesteuert werden kann. In Wohngebäuden müssen – unter der gleichen Voraussetzung – zumindest die Grundlagen für die zukünftige Versorgung aller Parkplätze mit Ladestrom vorgesehen werden («pre-cabling»). Durch verbesserte Mess- und Steuersysteme im Gebäudebereich soll deren Energieeffizienz zusätzlich verbessert werden. Um den Wettbewerb für effiziente Gebäude anzuregen, soll ein sogenannter «smartness indicator» eingeführt werden, der die Fähigkeit des jeweiligen Gebäudes zur Interaktion mit anderen Technologien, wie beispielsweise den angrenzenden Netzen, und mit den Bewohnern misst und bewertet.

Aufgrund der sehr unterschiedlichen Ausgangssituation im Gebäudebestand der EU-Mitgliedsstaaten ist im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens mit erheblichen Differenzen zwischen den EU-Mitgliedsstaaten zu rechnen.

Strittig ist auch, wie ein möglicher Preiszerfall im EU-Emissionshandelssystem – ausgelöst durch Energieeffizienzmassnahmen – ausgeglichen werden kann. Hier steht zu befürchten, dass die EU, angesichts der positiven Auswirkungen von Energieeffizienzmassnahmen auf Wachstum und Beschäftigung, mögliche Kollateralschäden in Form niedriger CO2-Preise in Kauf nimmt. Die EU hat den EU-Mitgliedsstaaten für den Gebäudebereich ein Finanzierungsprogramm «Smart finance for smart buildings» in Aussicht gestellt. Dieses Programm soll bis 2020 10 Mrd. Euro an zusätzlichen Investitionen im Bereich Energieeffizienz ermöglichen.

Die Gesetzesvorschläge der Europäischen Kommission lauten:

1.  Vorschlag für eine EU-Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 2012/27/EU zur Energieeffizienz.

2.  Vorschlag für eine EU-Richtlinie zur Änderung der Gebäudeeffizienzrichtlinie 2010/31/EU.

 

Weiteres Verfahren

Die Vorschläge werden nun im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren durch das Europäische Parlament und den Rat der EU (= EU-Mitgliedsstaaten) beraten. Das Europäische Parlament hat zwischenzeitlich seine Berichterstatter sowie die Schattenberichterstatter ernannt: Berichterstatter für den Vorschlag zur Änderung der Energieeffizienz-Richtlinie ist das polnische Mitglied des Europäischen Parlaments Adam Gierek von der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament. Berichterstatter für den Vorschlag zur Änderung der Gebäudeeffizienzrichtlinie ist das dänische Mitglied des Europäischen Parlaments Bendt Bendtsen von der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) im Europäischen Parlament. Die aktuelle maltesische Ratspräsidentschaft hat angekündigt, sich schwerpunktmässig mit den Gesetzesvorschlägen zur Energieeffizienz (und zu den erneuerbaren Energien sowie zur Governance) zu beschäftigen. Die maltesische Ratspräsidentschaft wird nach sechs Monaten, das heisst per 1. Juli 2017, von der estnischen Ratspräsidentschaft abgelöst.

Schwerpunkte aus Sicht der Schweiz

Beide Gesetzesvorschläge enthalten keine Schweiz-Klausel oder Regeln, die spezifisch das Verhältnis zu Drittstaaten regeln. In der Folgenabschätzung zum Vorschlag zur Änderung der Energieeffizienz-Richtlinie [8] kommt die Europäische Kommission zum Schluss, dass sich für Drittstaaten mit Know-how im Bereich Energieeffizienz Geschäftsmöglichkeiten im Hinblick auf den Export in die EU ergeben. Dies dürfte auch im Bereich der Gebäudeeffizienz für die Schweiz zutreffen.

Darüber hinaus kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich der Bund von den von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Konzepten inspirieren lässt.

[1]   «Mitteilung der Kommission: Saubere Energie für alle Europäer» vom 30. November 2016.

[2]   Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 2012/27/EU zur Energieeffizienz, vom
30. November 2016, Seite 2.

[3]   Alle Unterlagen sind zu finden unter: http://ec.europa.eu/energy/en/news/commission-proposes-new-rules-consumer-centred-clean-energy-transition.

[4]   Siehe Bulletin 1|2/2017.

[5]   Mitteilung der Kommission: Ökodesign-Arbeitsprogramm 2016–2019, vom 30. November 2016.

[6]   Vorschlag für eine Verordnung über das Governance-System der Energieunion, vom 30. November 2016.

[7]   Entschliessung des Europäischen Parlaments vom 23.  Juni 2016 zu dem Umsetzungsbericht zur Energieeffizienzrichtlinie (2012/27/EU) (2015/2232(INI)).

[8]   Commission staff working document accompanying the document: Proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council amending Directive 2012/27/EU on Energy Efficiency Brussels, vom 6. De-
zember 2016.

 

Autor
Eberhard Röhm-Malcotti

ist Leiter Energiepolitik EU bei Axpo

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