Wie viel Photovoltaik verträgt das Verteilnetz?
Analyse zur PV-Regelung
Für eine Analyse wurden in einem Trafokreis fünf Sensoren in Verteilnetzkabinen und beim Trafo installiert und diverse Regelungen getestet. Das Resultat: Zusätzliche Regelungen ermöglichen zwar mehr PV im Netz, aber der Projektierungs-, Installations- und Betriebsaufwand ist hoch. Andere Massnahmen können sinnvoller sein.
Zu Projektbeginn Anfang 2022 wurde ein Trafokreis im liechtensteinischen Verteilnetz ermittelt, bei dem hohe PV-Einspeisung zu einem Spannungsanstieg führte. Der vollflächige Smart-Meter-Rollout, der bereits im Jahr 2014 abgeschlossen wurde, ermöglichte mit den Netzbetriebsdaten den Betrieb eines rechenfähigen Netzmodells für das gesamte liechtensteinische Netz, das eine Analyse von Spannungs- und Leistungsverlauf in 15-Minuten-Auflösung erlaubt. Dies bildet eine ideale Ausgangslage für vertiefte Analysen des Netzes.
Parameter des Trafokreises:
- Transformator: 400 kVA
- Anzahl PV-Anlagen: 22
- PV-AC-Nennleistung total: 390 kW
- Anzahl Netzanschlüsse: 92
Bei den Zählpunkten wurden der Verbrauch und die Produktion gemessen, d.h. die eingespeiste Energie ist nicht die PV-Produktion, sondern PV-Produktion abzüglich des Eigenverbrauchs. Dies führt zur folgenden Jahresdauerlinie in Bild 1.
Von den 22 PV-Anlagen wurden zwei trafoferne PV-Anlagen (57 kW, 28 kW) und eine trafonahe PV-Anlage (105 kW) mit einer Regelung ausgestattet. Somit stand die Hälfte der installierten PV-Leistung für eine Regelung zur Verfügung. An diesen drei Netzknoten, am Transformator und in einer Verteilkabine dazwischen wurden Spannungs- und Strommessgeräte installiert.
Im Sommer 2022 wurden bei hoher PV-Einspeisung verschiedene Regelszenarien durchgeführt:
- Regelung einer PV-Anlage oder aller drei PV-Anlagen,
- Spannungssenkung am Einspeisepunkt durch Blindleistungsbezug,
- Spannungssenkung am Einspeisepunkt durch Wirkleistungsreduktion,
- Regelung des Blindleistungsflusses am Transformator durch Regelung der PV-Anlagen,
- Regelung der Wirkleistungseinspeisung am Transformator durch Regelung der PV-Anlagen.
Zur Durchführung der Regelszenarien wurde ein minimaler Power Factor von 0,8 am Wechselrichter der PV-Anlagen eingestellt sowie eine Spannungsstatik ab 245 V (1,065 p.u.).
Die Messergebnisse zeigen, wie die Regelung funktioniert. Interessant waren die Ergebnisse zur Regelung der Blindleistung am Transformator auf cosφ=1. Die Regelung der PV-Anlagen war am Morgen und Abend aktiv und nicht während der starken PV-Einspeiseleistung über den Tag, da neben den drei geregelten PV-Anlagen die anderen PV-Anlagen im Trafokreis mit festem cosφ=0,95 betrieben wurden und somit um die Mittagszeit sehr viel Blindleistung aufnehmen und die kapazitive Blindleistungserzeugung der Last kompensiert wird. Über die technischen Anschlussbedingungen (TAB) der LKW ist bei PV-Anlagen ein fester cosφ=0,95 spannungssenkend vorgegeben.
Im Verteilnetz sind Erdkabel aus Kupfer verbaut. Ein fest eingestellter cosφ=0,95 wirkt bei Kupferkabeln stärker als bei Aluminiumkabeln. Da Kupfer einen geringeren Widerstand als Aluminium hat, ist das Verhältnis X zu R bei Kupferkabeln höher.
Weitere Ergebnisse sind in Tabelle 1 dargestellt.
Wie zu erwarten war, konnte eine gute Wirkung durch die Regelung einer einzelnen PV-Anlage im Netzabschnitt erreicht werden, wenn die zu regelnde PV-Anlage gross ist. Die Wirkleistungsreduktion ist aufgrund des Verhältnisses R/X=1,6 wirksamer zur Spannungs- und Leistungssenkung als die Blindleistungsreduktion.
Die in der Studie eingesetzte Lösung GridEye von Depsys ist nicht mehr am Markt. GridEye nutzt zur Regelung der PV-Anlagen im Netz gemessene Werte (Bild 2). Es ist jedoch keine direkte Regelung, da die Datenübertragung von den Messwerten zum Server und vom Server zum Wechselrichter zu lange dauert und die Dynamik des Wechselrichters zu gering ist. Ebenfalls entscheidend ist das Messintervall. Ein Intervall von zehn Minuten wurde gewählt. D.h. für eine Regelung ist eine Prognose der zukünftigen zu erwartenden Werte auf Basis der vergangenen Messwerte nötig. Die Prognose basiert auf einer reinen Zeitreihenstatistik (keine Verbrauchs- und Wetterprognosen), um nach aussen unhängig zu sein. Die Messergebnisse der Regelung zeigten gute Resultate. Über den Prognose-Algorithmus kann die Ausfallsenergie berechnet werden, um eine Regelung eventuell zu entschädigen. Dies wurde in diesem Projekt nicht behandelt.
Für die Umsetzung der dynamischen Regelung war eine detaillierte Planung im gewünschten Netzabschnitt notwendig, um die Hardware und die Software für den Einsatz anpassen zu können. Dabei wurde geprüft, ob eine dynamische Regelung wirtschaftlich ist.
Statische Regelung
Die Wirtschaftlichkeit einer dynamischen Regelung kann über einen Vergleich mit einer alternativen Lösung, beispielsweise der statischen Regelung, beurteilt werden. Dafür wurden Messwerte von PV-Modulen des Solarmessstands der Ost – Ostschweizer Fachhochschule in Buchs mit unterschiedlicher Ausrichtung ausgewertet. In Bild 3 ist der Verlust der Jahresenergie in Abhängigkeit von der Abregelung bezogen auf die PV-Nennleistung dargestellt. Mit farbigen Linien wird die Abregelung ohne Eigenverbrauch bei unterschiedlichen Ausrichtungen gezeigt. Die grauen Linien zeigen die 22 PV-Anlagen im untersuchten Netzabschnitt mit Eigenverbrauch. Schwarz punktiert ist der Einspeisepunkt der trafonahen PV-Anlage mit 105 kW. Der Verlust bei Wirkleistungsabregelung auf 60% liegt bei optimaler Ausrichtung bei 12%. Er reduziert sich deutlich durch den Eigenverbrauch und bei nicht-optimaler Ausrichtung auf wenige Prozente.
Die Daten für die farbigen Linien entsprechen Messwerten im 5-s-Intervall und erfassen Leistungsspitzen, welche relevant sind zur Beurteilung der Abregelverluste. Die grauen Linien basieren auf 15-min-Mittelwerten, wodurch kurze Leistungsspitzen nicht erfasst wurden und die Werte etwas zu tief sind. Beim 15-Minutenmittel (graue Werte) reduziert sich die Abregelung um 1,3 Prozentpunkte.
Wirtschaftlichkeit der dynamischen Regelung
Nun lässt sich die Wirtschaftlichkeit der dynamischen Regelung mit der statischen Regelung vergleichen. Wir gehen von folgenden Grössen aus:
- Eine statische Abregelung auf 60% führt zu 10% Energieverlust.
- Der Wert vom Strom wird mit 12 Rp/kWh angenommen.
- Die Hardware-Installation lag bei etwa 8000 CHF pro Sensor. Über zehn Jahre ergeben sich somit 800 CHF pro Sensor jährlich. Hinzu kommen jährliche Kosten für Software und Betrieb von 600 CHF pro Sensor. Dies ergibt 1400 CHF pro Jahr pro Sensor bzw. PV-Anlage.
Mit 1400 CHF jährlich bei 12 Rp/kWh ergibt dies 12 MWh Energie, die pro Sensor gewonnen werden sollte. Dies wird mit den 10% Verlust beim statischen Abregeln gleichgesetzt und führt zu einer PV-Jahresproduktion von 120 MWh pro Sensor, was einer 120 kW PV-Anlage entspricht.
Kann nur die Hälfte der Wirkleistungsabregelung vermieden werden, da die Netzsituation im Trafokreis nicht mehr zulässt, so ist dynamisches Regeln bei 240 kW wirtschaftlich. Liegen die Abregelverluste bei 5% anstatt 10% aufgrund des Eigenverbrauchs oder nicht optimaler Ausrichtung, liegt die Wirtschaftlichkeit bei 480 kW.
Eine dynamische Regelung ist während der PV-Einspeisung bei sehr grossen PV-Anlagen (mehrere 100 kW) interessant, wenn der Eigenverbrauch klein und der Verbrauch via Netz hoch ist.
Berechnung PV-Vollausbau mit dem Netzmodell
Aufgrund der guten Ergebnisse des Netzmodells konnte für den Trafokreis ein PV-Vollausbau berechnet werden. An allen Gebäuden mit einem Zählpunkt wurde eine PV-Anlage modelliert, um die Auswirkungen im Netz zu ermitteln.
Die Grösse der PV-Anlagen für die einzelnen Gebäude wurde mit dem Solarkataster sonnendach.ch ermittelt. Für die Netzmodellierung wird nicht die Nennleistung über die gesamte Gebäudedachfläche berechnet, sondern die netzwirksame PV-Leistung. Die Berechnung der netzwirksamen Leistung erfolgt nach:
PNetz=A · ηDach · ηPV ·HSTC · PR · WH/Wmax
Wobei A die Teildachfläche ist, ηDach die Reduktion aufgrund des Dachabschlusses und Dachaufbauten mit 80%, ηPV der PV-Modulwirkungsgrad mit 20%, HSTC mit 1 kW/m², PR der Performance Faktor mit 80% und WH die Jahresstrahlungsenergie auf das Teildach ist, unter Berücksichtigung der Ausrichtung, Neigung und Abschattung. Wmax entspricht der optimalen Jahresstrahlungsenergie von 1550 kWh/m². Teildachflächen mit einem Jahresstromertrag unter 580 kWh/kW werden nicht berücksichtigt. Es werden die einzelnen Teildächer betrachtet und pro Gebäude zusammengezählt.
Die Reduktion macht aus heutiger Sicht Sinn, ist aber für eine zukünftige Betrachtung kritisch zu hinterfragen. Wenn die Gesellschaft das Dach als Produktionsfläche für Eigenstrom sieht, kann sich die Baukultur zur Dachbauweise ändern und es wird auf solare Produktion optimiert.
In der Netzmodellierung des Trafokreises zeigt sich bei PV-Vollausbau mit den Reduktionsfaktoren eine Trafobelastung von 225% und eine Spannungsanhebung bis max 8,5%, welche unterhalb der 10-%-Grenze liegt. Die Berechnung ergibt zudem eine Überlastung von zwei Kabeln in der Nähe des Transformators.
Die 3-%-Regel der TRBNr DACHCZ
Die genauen Berechnungen zur Spannungsanhebung durch PV-Anlagen beim Trafokreis mit dem Netzmodell zeigen gut, warum die 3-%-Regel der TRBNr DACHCZ [1] in der Planungsphase sinnvoll ist. Die berechneten Spannungen unterschreiten an den Übergabestellen in jedem Lastfall den 100-%-Grenzwert von 1,1 p.u. gemäss EN 50160. Würde man für die Niederspannung 2% mehr, also eine Spannungsanhebung von 5% zulassen, könnte man je nach Netzknoten 20–40% mehr PV-Leistung erlauben. Allerdings wird, unter der Annahme, dass der Ortsnetztransformator auf der MS-Seite mit 1 p.u. versorgt wird, für einzelne Übergabestellen eine Spannung von 1,08 p.u. berechnet. Wenn man eine zusätzliche Spannungsanhebung im Mittelspannungsnetz (gemäss TRBNr DACHCZ 2%) berücksichtigt, wäre die Spannungsreserve zum Grenzwert 1,1 p.u. aufgebraucht. Es wäre mit Grenzwertverletzungen an einzelnen Übergabestellen oder Abschaltungen von PV-Anlagen zu rechnen.
Fazit
Die dynamische Regelung ist eine wirtschaftlich sinnvolle Möglichkeit zur Integration von PV ins bestehende Netz und geeignet für grosse PV-Anlagen (mehrere 100 kW) mit geringem Eigenverbrauch und zeitgleichem Verbrauch im Trafokreis. Die statische Regelung auf 60% und fester cosφ sind geeignete Massnahmen zur Integration von PV-Anlagen ins bestehende Netz ohne Netzausbau. Das betrachtete Netz ist für den PV-Vollausbau gut vorbereitet, es benötigt nur eine Verstärkung des Transformators. Das Netzmodell leistet gute Dienste zur Beurteilung von zukünftigen Entwicklungen im Verteilnetz, ist aber auch im operativen Tagesgeschäft nützlich, beispielsweise bei zeitsparenden Beurteilungen von Netzanschlussgesuchen.
Referenz
[1] Technische Regeln zur Beurteilung von Netzrückwirkungen, 3. Ausgabe 2021.
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