Wie Energiesparen auf die Rechnung kommt
Stromrechnungen optimieren
Mindestens einmal im Jahr flattert die Stromrechnung ins Haus. Sie könnte genutzt werden, um Konsumenten für einen sparsameren Umgang mit Energie zu sensibilisieren, findet ein Forscherteam. Dazu haben die Forscher Darstellungsideen für Stromrechnungen entwickelt, die es erlauben, den eigenen Verbrauch mit jenem anderer Haushalte zu vergleichen.
Stromrechnungen informieren Konsumenten in der Schweiz nicht nur über den Rechnungsbetrag. Sie geben auch Auskunft, wie sich dieser Betrag zusammensetzt. Gemäss einer Weisung der Eidgenössischen Elektrizitätskommission (ElCom) aus dem Jahr 2014 muss jede Stromrechnung tabellarisch die Kosten für die Netznutzung, die Energielieferung, die Abgaben und Leistungen an Gemeinwesen sowie für die Bundesabgaben zur Förderung der Erneuerbaren Energien und zum Schutz der Gewässer und Fische gesondert aufführen. Verpflichtend sind auch die Angabe des Messpunktes und Auskünfte zur Produktionsart des bezogenen Stromes (Herkunftsnachweis).
Inspiration aus dem Ausland
Eine Stromrechnung enthält also ziemlich viele Informationen, und die ElCom fordert von den Energieversorgern, dass diese Informationen «in übersichtlicher und für den Endkunden verständlicher Weise» aufgeführt werden. So weiss der Kunde, wofür er sein Geld bezahlt. Doch motiviert ihn die Stromrechnung auch, den eigenen Stromverbrauch zu hinterfragen? Hilft sie ihm, Geräte mit unnötig hohem Stromverbrauch im eigenen Haushalt ausfindig zu machen? Schweizer Stromversorger sind mit solchen Hilfestellungen auf der Stromrechnung bisher zurückhaltend.
Der spanische Energieversorger Endesa bietet seinen Kunden auf der Stromrechnung (Bild 1) eine Reihe von Vergleichsmöglichkeiten: den Stromverbrauch des Haushalts im letzten Monat und den Durchschnittsverbrauch in der Gemeinde; den Stromverbrauch der letzten zwölf Monate mitsamt Vergleich zum Vorjahr; Vergleich des eigenen Jahresverbrauchs mit dem Durchschnitt der Gemeinde und den sparsamsten Haushalten in der Gemeinde; prozentualer Mehr-/Minderverbrauch zum Vorjahresmonat und zum monatlichen Durchschnittsverbrauch der letzten zwölf Monate; der aktuelle Monatsverbrauch wird veranschaulicht mit der entsprechenden Leuchtdauer von drei Lampenarten und ein Energiespartipp hält fest, dass sich durch Einsatz von Stromsparlampen die Stromrechnung um 15 bis 20% vermindern lässt.
Das US-amerikanische Energieversorgungsunternehmen AEP (Bundesstaat Ohio) geht noch einen Schritt weiter: Hier kann der Stromkonsument den eigenen Verbrauch (der letzten zwei Monate) mit dem Verbrauch eines ähnlichen Haushalts bzw. eines effizienten ähnlichen Haushalts vergleichen. Sparsamen Kunden lacht von der Rechnung ein Smiley entgegen. Weniger emotional, hingegen besonders informativ fällt die Stromrechnung der Stadtwerke Düsseldorf aus: Mit ihr lässt sich der eigene Energieverbrauch mit Haushalten unterschiedlicher Grösse mittels Balkendiagrammen in Bezug setzen.
Vier Fachschulen arbeiten zusammen
«Die Schweizer Energieversorgungsunternehmen beschränken sich bei ihren Stromrechnungen meistens auf die Minimalanforderungen der ElCom. Die internationalen Beispiele zeigen, dass man Stromrechnungen anschaulich aufbereiten und den Kunden die Möglichkeit geben kann, den eigenen Verbrauch mit jenem anderer Konsumenten zu vergleichen, was in der Schweiz heute noch kaum gemacht wird», sagt Roberta Castri von der Fachhochschule der italienischen Schweiz (Supsi) in Canobbio bei Lugano. Sie und ihre Supsi-Kollegen haben zusammen mit Wissenschaftlern von drei weiteren Fachhochschulen die Stromrechnungen von 91 inländischen und 175 ausländischen Stromversorgern untersucht. Dabei wollten sie unter anderem wissen, ob bzw. wie sich Stromrechnungen nutzen lassen, um die Stromkunden nicht nur über den Verbrauch zu orientieren, sondern sie auch zu einem sparsamen Verhalten zu bewegen. Am Projekt Improve beteiligten sich neben der Supsi die Fachhochschule für Ingenieurwesen und Verwaltung (Heig-VD) in Yverdon, das Institut Energie am Bau (IEBau) der Fachhochschule Nordwestschweiz in Muttenz und das Institut für Nachhaltige Entwicklung (INE) der ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Winterthur. In der Begleitgruppe waren Vertreter mehrerer EVUs (darunter EKS/Schaffhausen, BKW/Bern) mit eingebunden. Die Untersuchung wurde vom Bundesamt für Energie finanziell unterstützt.
Bei 84% der Schweizer Stromkunden liefert die Stromrechnung heute keine Vergleichsmöglichkeit. «Unsere Umfrage bei Stromkonsumenten hat gezeigt, dass zwei Drittel von ihnen eine solche Vergleichsmöglichkeit wünschen und bereit sind, den eigenen Verbrauch zu reduzieren, wenn er über dem Durchschnitt liegt», sagt Prof. Stéphane Citherlet von der Heig-VD in Yverdon. Zu diesem Befund gelangen die Forscher auf der Grundlage einer – allerdings nicht repräsentativen – Online-Umfrage bei gut 1000 Stromkonsumenten, zwei Drittel davon aus dem Tessin. Es bestehe ein «grosser Graben» zwischen dem, was die Kunden wollen und was die Stromversorger mit ihren Rechnungen tatsächlich liefern, schreiben die Forscher im Improve-Schlussbericht.
Vergleich mit anderen Haushalten
Wie Stromrechnungen gestaltet sein müssten, damit sie dem Wunsch der Konsumenten entsprechen, zeigen die Forscher unter Einbezug von Best-Practice-Beispielen aus dem Ausland. Sie haben sechs Vorschläge erarbeitet, in welcher Form ein Feedback zum Stromverbrauch an die Konsumenten vermittelt werden könnte (Kasten). Gestützt auf die Rückmeldungen von Stromkunden und Energieversorgern zu den Vorschlägen, sehen die Forscher bei Vorschlag 4 die grösste Akzeptanz (Bild 2). Hier erhält der Stromkunde die meisten, kombinierten Informationen. Neben einem Vergleich mit anderen Haushalten – mit Minimal- und Durchschnittsverbrauch – bietet er einen historischen Vergleich des Stromverbrauchs. Dies geschieht auf zwei Arten: Erstens ein in einer Prozentzahl ausgedrückter Hinweis darauf, wie sich der Eigenverbrauch und der durchschnittliche Gesamtverbrauch im Vergleich zum vorangegangenen Abrechnungszeitraum verändert hat, zweitens die Verbrauchsentwicklung in zwei aufeinanderfolgenden Jahren, wobei der Verbrauch jedes Monats mit dem des gleichen Monats des Vorjahres verglichen werden kann.
Vergleiche auf Stromrechnungen haben allerdings ihre Tücken. Für einen fairen Vergleich muss man den eigenen Verbrauch nämlich mit einem «ähnlichen» Haushalt vergleichen. Doch was ist «ähnlich»? Gleiche Bewohnerzahl? Gleiche Wohnfläche? Gleiches Quartier? Gleicher Stromtarif? Gleiches Einkommen? Gleiche Ausstattung mit Haushaltsgeräten? Gleiches Berufs- und Freizeitverhalten? «Letztlich wird der Vergleich mit ‹ähnlichen› Haushalten immer eine Annäherung sein», sagt Prof. Vicente Carabias vom INE in Winterthur. «Entscheidend ist, dass der Vergleich nachvollziehbar ist. Vergleiche werden vom Stromkunden als umso relevanter eingestuft, je näher ihm die Vergleichsgruppe ist.»
Der Ball liegt bei den EVUs
Für die Umsetzung der Vorschläge aus der Wissenschaft sind letztlich die Energieversorgungsunternehmen zuständig. «Die EVUs sind interessiert an zufriedenen Kunden und wollen ihre Energieberatungsdienstleistungen an den Mann bringen. Daher besteht bei ihnen die Bereitschaft, den Kunden mit Visualisierungen Vergleichsmöglichkeiten bereitzustellen, auch wenn das gewisse Kosten verursacht», sagt Prof. Jürg Bichsel von der FHNW in Muttenz, deren Forscher im Rahmen des Projekts eine Umfrage bei den EVUs durchgeführt haben. Die Bereitstellung aussagekräftiger Vergleichsdaten stösst allerdings an Grenzen. Da Smart Meter noch wenig verbreitet sind, sind detaillierte Verbrauchsdaten (z. B. monatlicher Verbrauch oder sogar Verbrauch nach Geräteklassen) meistens nicht vorhanden. Vor dem Hintergrund tendieren EVUs dazu, ihre Informations- und Beratungsangebote auf Webplattformen auszubauen, zögern aber, ihre Stromrechnungen zu verändern.
So ist es auch beim Elektrizitätswerk des Kantons Schaffhausen (EKS), das rund 110’000 Personen in der Schweiz und in Deutschland mit Strom versorgt. Daniel Clauss, Leiter Vertrieb & Energiedienstleistungen beim EKS, verweist auf ein grundsätzliches Dilemma, mit dem Energieversorger konfrontiert sind: «Eine angenehm gestaltete und transparente Stromrechnung regt Kundinnen und Kunden dazu an, sich mit dem Inhalt näher zu beschäftigen. Wenn sie verstehen, was sie sehen/lesen, können sie auch einfacher Handlungen einleiten/planen, um den Verbrauch zu beeinflussen. Es gibt Kundinnen und Kunden, die sich schon lange mit dem Thema Energie beschäftigen und viele Informationen wünschen, und es gibt andere, die nicht viel damit zu tun haben wollen und dementsprechend nur das Nötigste auf der Rechnung wünschen. Letztere werden wir mit Energiespartipps wohl auch in Zukunft kaum erreichen, solange die Stromkosten – wie es heute noch der Fall ist – am Haushaltsbudget nur einen geringen Anteil ausmachen.»
Vorteil im liberalisierten Markt
Die Autoren der Studie gehen denn auch davon aus, dass erst steigende Stromkosten oder ein liberalisierter Strommarkt neue Impulse für die Gestaltung der Stromrechnungen setzen werden, wie sie im Schlussbericht festhalten: «Dann werden jene Schweizer Energieversorger, die bessere Informationen auf ihren Stromrechnungen bereitstellen, besser in der Lage sein, ihre bestehenden Kunden an sich zu binden oder neue Kunden zu gewinnen.»
Stromrechnungen
Gestaltungsvorschläge
Angeregt durch ausländische Beispiele haben Forscher sechs Vorschläge für die Gestaltung von Stromrechnungen entwickelt, die darauf abzielen, Konsumenten leicht verständliches Feedback zu ihrem Stromverbrauch zu geben.
Vorschlag 1: Basiert auf einer typischen Schweizer Stromrechnung, welche die Minimalbedingungen der ElCom erfüllt, ergänzt diese aber um den landesweiten Durchschnittsverbrauch pro Haushalt. Der Konsument sieht damit, ob er mehr oder weniger Strom verbraucht als der Schweizer Durchschnitt.
Vorschlag 2: Die Darstellung orientiert sich an der bei Haushaltsgeräten gebräuchlichen Energieetikette mit den Kategorien A bis G. Die Darstellung ist so gestaltet, dass der mittlere Wert dem Durchschnittsverbrauch «ähnlicher» Haushalte in der eigenen Region entspricht. Sie erlaubt einen schnellen Vergleich des eigenen Verbrauchs mit einem «ähnlichen» Haushalt, wobei gegenüber dem Stromkunden bewusst nicht offengelegt wird, wie «ähnlich» definiert ist.
Vorschlag 3: Ein Säulendiagramm stellt den eigenen Verbrauch in einen Vergleich mit dem Durchschnittsverbrauch von fünf Haushalten unterschiedlicher Grösse. Da die Energieversorger aus Datenschutzgründen nicht über die Zahl der Bewohner Bescheid wissen, müssen die Vergleichswerte der fünf Haushaltstypen aus anderen Quellen ermittelt werden.
Vorschlag 4: Ein Säulendiagramm setzt den eigenen Verbrauch in Bezug einerseits zu einem Durchschnittshaushalt, zum anderen zu einer Gruppe mit tiefem Verbrauch. Zugleich geben zwei Zeitreihen Auskunft über die Entwicklung des Verbrauchs in den letzten zwölf Monaten und in der entsprechenden Vorjahresperiode. Hinzu kommen zwei Prozentwerte – der eine zeigt die Veränderung des eigenen Konsums gegenüber dem Vorjahr, der andere den Vergleich zum Durchschnittsverbrauch (Bild 2).
Vorschlag 5: Ist angelehnt an Vorschlag 3, differenziert die einzelnen Haushaltsgrössen aber danach, ob sie einen tiefen, normalen oder hohen Stromverbrauch haben. Dadurch lässt sich der eigene Verbrauch noch differenzierter mit den Verbräuchen anderer Haushaltsgrössen in Bezug setzen (Bild 3).
Vorschlag 6: Entspricht inhaltlich Vorschlag 3, wird aber durch Smileys dargestellt.
Links
- Schlussbericht zum Projekt «Improve – Unfolding next generation demand-side information models for energy bills».
- Weitere Fachbeiträge über Forschungs-, Pilot-, Demonstrations- und Leuchtturmprojekte im Bereich Gebäude und Städte.
- Webseite der ElCom, auf der sich die Strompreise verschiedener Gemeinden und Kantone vergleichen lassen.
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