Wie bleibt die Energieversorgung stabil?
Aktive Reduktion von Oberschwingungen
Durch die zunehmende Ablösung fossiler Stromerzeuger durch PV-Systeme im Netz gewinnt eine berechtigte Frage an Bedeutung: Wie kann das Versorgungsnetz mit zunehmend elektronischen, also nichtlinearen Lasten stabil bleiben? Heute bieten sich dazu PV-Wechselrichter mit netzverbessernden Eigenschaften an.
Bereits bevor erste Regularien dazu aufgestellt wurden, gab es Umrichter, die netzverbessernd Oberschwingungen aktiv reduzieren, die Sinusspannungsform des Netzes optimieren und nichtohmsche Lasten im lokalen Netz kompensieren konnten. Das Spektrum dieser Umrichter reichte von kleinsten 1-kVA-Umrichtern (Siemens SPN 1000 ab 1992) bis hin zu grossen 2-MVA-Umrichtern (Sinvert solar 2000TL bis 2010).
Vom TÜV wurde schon 1997 nachgewiesen, dass der Betrieb der 1-MW-PV-Anlage die Oberschwingungen aktiv reduziert und dass die Oberschwingungen bei deaktivierten Wechselrichtern höher sind. Diese Sinvert-Generation basierte technologisch auf Masterguard-USV-Geräten (unterbrechungsfreie Stromversorgung), die durch ihre Inselbetriebsfähigkeit schon ursprünglich auf eine saubere Sinusspannung optimiert wurden und alle Lasten kompensieren mussten. Diese Funktion wurde bei den Geräten nicht deaktiviert, da schon damals ersichtlich war, dass nach dem fossilen Ausstieg, der zwangsweise möglichst schnell kommen muss, die Inverter-Geräte alle netzstützenden Funktionen übernehmen müssen, die bisher von rotierenden Maschinen mit ergänzenden Kompensationsanlagen und Filtern bereitgestellt wurden.
Netzeinspeise-Vorschriften als Spielverderber
Diese vorteilhafte Funktion wurde jedoch vor gut zehn Jahren in Deutschland durch «modernere» Netzeinspeise-Vorschriften reduziert. Diese haben nur noch 3% Oberschwingungen bei synthetischen Typprüfungen zugelassen und führten dazu, dass diese netztechnisch optimale spannungsoptimierte Gerätegeneration durch strombegrenzte Geräte ersetzt wurde, bei denen die Netzspannungskompensation durch die reduzierte Eingriffsmöglichkeit leider stark begrenzt sein musste. Konkret hiess dies, dass die unlimitierte Netzoptimierung, auch mit Oberschwingungskompensation von weit über 3%, bei Geräten ab 2011 entweder deaktiviert werden musste oder erst gar nicht mehr programmiert wurde. Die ab diesem Zeitpunkt in Betrieb genommenen stromoberschwingungsreduzierten Wechselrichter konnten daher die Spannung im Netz nicht mehr glätten, da sie die 3% Stromoberschwingung unterschreiten mussten. Dies war zwar gut gemeint, um keine weiteren Netzoberschwingungen durch «passive» Wechselrichter zu erzeugen, hat aber deren aktive Bekämpfung damit auch verhindert.
Neuste Halbleiter und Netzfilter
In diesem letzten, netztechnisch fast «verlorenen» Jahrzehnt kamen zwar neue netzstützende Funktionen bei den Wechselrichtern hinzu, aber die Erkenntnis des vollständigen Umstiegs auf Wechselrichter wurde vergessen, so dass unlimitiert aktiv Oberschwingungskompensierende Geräte mit USV-Eigenschaften nicht mehr auf den Markt kommen konnten. Erst mit neusten Halbleitern und Netzfiltern, die eine Reduktion der zulässigen Oberschwingungen (< 3%) auf deutlich unter 1% ermöglicht haben, wurde erneut die Möglichkeit geschaffen, innerhalb dieser unnötigen Netzoberschwingungsbegrenzungen netzverbessernde Geräte zu entwickeln und ans Netz zu bringen.
Im letzten Jahrzehnt kamen jedoch viele andere Vorgaben dazu, die vor allem zu einem stabileren Netz geführt haben, beispielsweise durch einfach mögliche Leistungsbegrenzungen (P).
Insbesondere die aktive Blindleistungsbeeinflussung hat die Spannungsanhebung im Verteilnetz durch PV-Einspeisung kompensiert und den ursprünglich erwarteten Netzausbau erheblich reduziert (PF). Auch die vermehrte Belegung aller Dachflächen, auch Ost, Nord und West, sowie der Trend zur Installation kleiner Wechselrichter, bezogen auf die sehr günstigen PV-Module, und vermehrter Speicherzubau haben die maximale Erzeugungsleistung der in Deutschland installierten Leistung kontinuierlich reduziert. Aktuell sind nur noch maximal 57,0% AC-Spitzenleistung, bezogen auf die installierte PV-Leistung, im Netz gemessen worden.
Als unterer Grenzwert könnten langfristig sogar minimal 30% erreicht werden, wenn die Speicher eine maximale Grösse haben und PV mit Speicher quasi konstant 24 Stunden 30% einspeist, ohne dass PV abgeregelt werden müsste.
Auch die nötigen Begrenzungen bei Überspannung oder Überfrequenz (Pf) haben PV-Wechselrichter in stets feineren Schritten vom temporären 50,2-Hz-Blackout-tauglichen Zwischenschritt durch zeitgleiche Abschaltung vieler GW Photovoltaik vornehmen können. Alle modernen Wechselrichter bekämpfen aktiv langsam steigende Überleistung im Netz mit Leistungsreduzierung, sobald lokal eine Überspannung oder Frequenzüberhöhung gemessen wird. Überleistungen im Netz können von PV-Wechselrichtern bedarfsweise auch in Sekundenbruchteilen abgeregelt werden, bevor rotierende Maschinen das technisch überhaupt könnten. Technologisch ist die Kompensation der Unterleistung oder Unterfrequenz auch mit speicherunterstützten Wechselrichtern möglich. Reine PV-Wechselrichter haben nur wenige Sekunden, bis die Stützkondensatoren entladen sind.
Als neuere Stufen sind dann auch LVRT und HVRT hinzugekommen, die bei kurzzeitigen Netzfehlern netzstützend die Wechselrichter am Netz halten (V), aber auch einen unerwünschten Inselbetrieb verhindern.
Durch die Stromquellen-Eigenschaft aller PV-Module kann mit Kondensatoren im Wechselrichter der aktuelle Strom einige Sekunden lang möglichst konstant weiter eingespeist werden, d. h. auch bei Netzfehlern auf der Netzseite, sofern die nötigen trennenden Netzschütze eingeschaltet bleiben. Die Wechselrichter bleiben also bei kurzzeitigen Spannungseinbrüchen nicht nur am Netz, sondern stützen das Netz zusätzlich mit der Einspeisung von Blindstrom.
Neue Möglichkeiten
Moderne Wechselrichter können ausserdem stabile Betriebszustände in schwachen Netzen ermöglichen (ROCOF) und dabei fast wie Inselwechselrichter oder USV-Wechselrichter spannungsgeregelt arbeiten oder sogar aktiv Schwebungen dämpfen (POD).
Um die technisch bedingten kapazitiven (Kabel) oder induktiven (Trafo) Verluste zu verringern, können PV-Wechselrichter auch nachts Blindleistung erzeugen (Q@night). Diese Verluste können auch komplett vermieden werden, wenn diese Funktion beispielsweise durch einen kleinen, lokalen Speicher gepuffert wird. Dann beziehen diese Photovoltaik-Anlagen nachts nichts mehr aus dem Netz. Dies wurde bei der neuen 2 x 150 MW-Anlage 2022 in Deutschland so realisiert.
Neben statischen Vorgaben können auch dynamische Spannungsregelungen mit variabler Blindleistung von einzelnen Wechselrichtern oder ganzen Solarparks vom Parkregler vorgegeben werden (VQ). Dabei kann hochdynamisch zwischen Blind- (Q-Regelung) und Wirkleistungserzeugung (PF vs. P) geregelt und je nach netztechnischen Erfordernissen stufenlos variiert werden.
Schwarzstartfähigkeit
Um nach einem völligen Netzausfall beim Wiederaufbau unterstützen zu können, haben die Geräte mit Hochspannungsanschluss nach VDE AR-N4120 optional die Möglichkeit, schwarzstartfähig betrieben zu werden. War es bisher nur mit Wasserkraftanlagen möglich, einen Netzaufbau zu ermöglichen, ist es künftig auch mit den sehr schnell regelbaren PV-Anlagen tagsüber möglich, Netzteile unterhalb ihrer aktuellen Erzeugungsmöglichkeit unterstützend wieder aufzubauen. Diese Funktion wird insbesondere bei Wechselrichtern immer wichtiger, die mit Speicher unterstützt werden. Dabei ist jetzt wieder eine Spannungsregelung integriert, wie sie schon früher bis ins Jahr 2010 genutzt wurde, die einen sauberen Sinus erzeugt und netzformende Eigenschaften ermöglicht (Grid forming).
Da bei grösseren Parks dynamisch Last und Erzeugung an- und abgefahren werden muss, ist eine geregelte Zuschaltung durch einen Parkregler obligatorisch (Ramp Rate Up-Down). Damit kann je nach lokalen Erfordernissen automatisiert eine fast beliebige Rampe lokal eingestellt oder sogar von extern dynamisch vorgegeben werden.
Da der Rückgang der rotierenden Massen mit dem Abschalten fossiler Erzeuger stetig voranschreitet, müssen die neuen Wechselrichter wie virtuelle Synchron-Generatoren geregelt werden können (VSM), insbesondere bei dem angestrebten Zubau von bis zu 400 GW PV in Deutschland bis 2040. Bei aktuell um 80 GW Last ergeben sich neue Herausforderungen.
In Kombination mit Speichern wird schliesslich auch eine Verschiebung der künftig überschüssigen Einspeiseenergie (Energy Shifting) und Anpassung der Energieflüsse möglich (Energy Flow Control).
Das Netz wird stabiler
In Deutschland sind aktuell mehr als 3 Millionen PV-Anlagen mit über 71,26 GW Nennleistung am Netz und erzeugen schon über 12% der benötigten Energie. Wenn man jetzt vermutet, dass dadurch das Netz instabiler wird, liegt man falsch, denn genau das Gegenteil lässt sich messen. Seit Jahren nimmt die durchschnittliche Unterbrechungszeit pro Anschluss stetig ab und liegt nur noch bei unter 11 Minuten auf dem geringsten Wert seit Beginn der Erhebung ab 2006. Bei PV-Anlagen ist ein einzelner Ausfall überhaupt kein Thema mehr. Selbst die grössten zentralen Anlagen sind in Deutschland noch unter 200 MW gebaut worden, sodass ein Ausfall innerhalb der täglichen Lastschwankungen von dutzenden GW kaum relevant ist.
Doch zurück zu den Wechselrichtern. Im Laufe der Jahrzehnte ist der Wirkungsgrad von unter 90% Ende der 1980er-Jahre auf heute typisch bis über 99% bei den besten Geräten im Markt gestiegen. Dazu sind neben neuen Schaltungstechniken und Materialien (SiC bei KACO mit 99%) stetig verbesserte Halbleiter mit optimierten Eigenschaften entwickelt worden, die bei den MW-Wechselrichtern den Wirkungsgrad von 1997 mit 96% (noch mit NS-Trafo) über 98% mit trafolosen Wechselrichtern (ab 2008) bis zum aktuellen Rekordhalter mit 99,3% Wirkungsgrad ab 2022 geführt haben.
Die heute erreichbaren geringen Oberschwingungen haben auch in den Drosseln und Transformatoren erheblich geringere Erwärmungen zur Folge, so dass die Stromgestehungskosten mit diesen Geräten auch langfristig kaum mehr zu verringern sind. Ein früher übliches Erneuern der Geräte nach einigen Jahrzehnten, um bessere Wirkungsgrade zu erzielen, hat sich schon länger erübrigt, insbesondere wenn auch über Jahrzehnte alle Ersatzteile für die Zentral-Wechselrichter von Siemens so lange verfügbar gehalten werden, wie die Kunden sie kaufen möchten.
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