When IoT meets the Future
IoT-Konferenz vom 9. September 2021
Das Internet der Dinge (IoT) verbindet Geräte, Fahrzeuge, Gebäude, Infrastrukturen und Menschen und macht die Welt transparenter. Aber erst durch den Einsatz zusätzlicher Technologien wie Künstliche Intelligenz, Edge Computing oder 5G können die durch IoT-Sensoren erfassten Datenmengen verarbeitet und wertschöpfend genutzt werden. Dann beweist das IoT sein riesiges Potenzial für Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt.
Zum dritten Mal lud der Schweizerische Verband der Telekommunikation (Asut) am 9. September 2021 Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Politik, Behörden und Forschung dazu ein, sich einen Tag lang mit den neusten Entwicklungen im Bereich des Internet of Things (IoT) auseinanderzusetzen. Rund 350 Teilnehmende folgten der Einladung zur IoT-Konferenz teil, die als hybrider Anlass im Berner Kursaal und online stattfand. Dabei zeigte sich: In diesen 3 Jahren hat das Thema IoT Riesenschritte vorwärts gemacht. Heute stehen wir mit einem Fuss bereits fest in einer Welt, die sich durch den durchgängigen Datenaustausch und die sichere Kommunikation zwischen Operational Technology (OT) und Information Technology (IT) von Grund auf verändert. Asut-Präsident Peter Grütter verglich diesen tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel in seinem Grusswort mit dem Übergang von der Steinzeit zum Agrarzeitalter.
Chancen und Herausforderungen
Es liegt auf der Hand, dass solche Transformationsprozesse mit grossen Chancen und genau so grossen Herausforderungen verbunden sind. Darüber diskutierte zum Auftakt der Konferenz ein – wie die ganze Veranstaltung – von Barbara Josef, Co-Founderin der 5to9 AG souverän moderiertes Panel. Für Friederike Hoffmann, Head of Connected Business Solutions bei Swisscom, beispielweise besteht eine der zentralen Herausforderungen darin, die Infrastrukturen in «diese nächste Welt» zu bringen, was nicht nur Netzausbau bedeute, sondern auch die Wiederverwertbarkeit und Weiterentwicklung bereits bestehender Lösungen wie LoRA. Nicht zu unterschätzen ist für Stephanie Züllig, Unternehmerin und Verwaltungsrätin bei der Securitas Gruppe, die Notwendigkeit eines ganz neuen Verständnisses von Sicherheit, zeitgemässem Fachwissen, aber auch einer neue Arbeits- und Unternehmenskultur. Nur so werde es gelingen, neuen technologischen Möglichkeiten zu nutzen und umzusetzen. Die neuen Skills, über die digitale Führungskräfte verfügen müssen, sowie an den Einsatz von AI-Anwendungen gekoppelten ethischen Fragen, sind für Manuel P. Nappo, Leiter des Institute for Digital Business an Hochschule für Wirtschaft Zürich die grossen Themen. Für Larissa Holaschke von der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK), hingegen gilt es, darauf zu achten, dass möglichst alle Teile der Gesellschaft von diesem Innovationssprung profitieren können und keine neuen Gräben geschaffen werden. Einig schliesslich war sich die Runde, dass die wenigsten Unternehmen und Institutionen «IoT allein können». Gefragt seien deshalb gemeinsame Projekte und die Zusammenarbeit über Branchen hinweg. Nur so werde es gelingen, IoT-Projekte möglichst schnell zu implementieren und zu skalieren.
Gemeinsam stark
Auch das IoT läuft erst im Verbund mit anderen Technologien zur Hochform auf. Seine Stärke ist es, relevante Informationen in der realen Welt automatisch zu erfassen, miteinander zu verknüpfen und im virtuellen Raum verfügbar zu machen. Dank IoT nehmen Endgeräte aller Art ihre Umgebung wahr. Doch erst in Kombination mit Enabler-Technologien, die die intelligente Auswertung, Nutzung und Steuerung dieser «Wahrnehmung» ermöglichen, erfüllt es sein Potenzial. Beispielsweise in der Fertigungsindustrie, wo es im Zusammenspiel mit Machine Learning und der enormen Rechenleistung Cloud-basierter Dienste Produktionsprozesse optimiert, (menschliche) Entscheidungsprozesse unterstützt, durch Automatisierung (menschliche) Fehlerquellen ausschaltet, bzw. Fehler in Sekundenbruchteilen akkurat erkennt, und damit die Produktivität erheblich steigert, wie Bernd Schneider von Google Cloud Alps aufzeigte. Oder im Zusammenspiel mit Edge Computing, das die Verfügbarkeit und damit die Verlässlichkeit von datenbasierten IoT-Anwendungen garantiert. Zum Beispiel, wie Stefano Mallè von Amazon Web Services (AWS) Switzerland ausführte, im Bereich der vernetzten Heimanwendungen oder bei der Überwachung von Frachtprozessen. Lisa Falco, Lead Consultant Data & AI der Zühlke Engineering AG, erläuterte die komplexen Anforderungen in Bezug auf Transparenz und Compliance, denen KI-basierte Methoden zur Unterstützung von ärztlichen Diagnosen gerecht werden müssen. Und Rolf Kölle, Geschäftsführer der scitis.io GmbH, die im Bereich der Produktionsoptimierung IoT-Frameworks bereitstellt, zeigte sich überzeugt, dass nur wer alle verfügbaren Daten zu erheben und zu nutzen wisse, Herr über seine Produktionslinie sein könne.
Teil eines Ökosystems
Den Erwartungen gerecht wird das IoT auch dort, wo es Teil eines über die gesamte Wertschöpfungskette vernetzten Ökosystems wird. So erfährt, wie Inga-Leena Schwager von Amberg Loglay AG anschaulich darlegte, die Grossbaustelle mithilfe datengetriebener Logistik und der Vernetzung der verschiedensten Systeme entlang der Beschaffungskette einen geradezu revolutionären Effizienzschub – Schluss mit Wartestunden, unkoordiniertem Eintreffen von Bauarbeitern, schlecht ausgelastetem oder mehrfach vorhandenem Equipment, Platzkonflikten und Lieferengpässen. Urs Imholz, GWF Messsysteme AG, legte dar, wie die Kombination von Messtechnik und IoT-Sensorik als Game Changer Transparenz in das gesamte Wasser- und Abwassersystem bringen kann. Jürg Meierhofer, Senior Lecturer Smart Service Engineering und Koordinator Industrie 4.0 an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaft erklärte, wie IoT-basierte Ökosysteme durch Vernetzung und Automatisierung neue Geschäftsmodelle eröffneten. Servitization-Modelle, bei denen es nicht mehr in erster Linie darum gehe, ein Produkt oder Sachgut zu verkaufen, sondern eine Dienstleistung, einen Nutzwert. Zum Beispiel Flottenmanagement, voraussehbare Wartung oder Instandhaltung. Hagen Worch, Professor für Innovation, Entrepreneurship und Unternehmenswachstum an der Fernfachhochschule Schweiz zeigte am konkreten Beispiel der Holzindustrie, dass ein innovatives IoT-Geschäftsmodell es gerade KMUs in einem schwierigen Wettbewerbsumfeld ermöglichen kann, neuen Mehrwert zu generieren.
Im Dienst von Menschen und Nachhaltigkeit
Wo Daten in Echtzeit abgegriffen und ausgewertet werden können, steigt die Effizienz des Ressourceneinsatzes. Das gilt nicht zuletzt im Bereich der Nachhaltigkeit und des gesellschaftlichen Nutzens. «Nur was ich nicht messen kann, kann ich nicht optimieren», bedeutet dies für Beni Huber, CEO der ECCO2 Solutions AG, die sich darauf spezialisiert, bestehende Gebäude energieeffizienter zu machen. Bruno Michel vom IBM Zurich Research Laboratory, legte dar, welche Rolle tragbare Sensoren und medizinische Wearables bei der Prävention chronischer Krankheiten spielen können. Stephan Gerber, Post-Doc Biomedical Engineering an der Universität Bern findet mittels Ganganalysen im häuslichen Umfeld frühzeitig Hinweise auf neurodegenerative Erkrankungen wie Parkinson. Darüber, wie Sensoren, Daten, intelligente Algorithmen und digitale IoT-Ökosysteme dazu beitragen, die Umwelt zu erfassen und zu analysieren und daraus Erkenntnisse für einen bedarfsgerechten und nachhaltigen Umgang mit Ressourcen im Bereich der Ernährung, der Raumplanung oder der Mobilität zu sammeln, sprach Petra Zimmermann vom Bundesamt für Umwelt. Sie stellte aber auch die Frage, wie nachhaltig IoT-Devices – Stichwort: seltene Erden, Elektroschrott, Stromverbrauch – selber seien. Für Alexis Leibbrandt von der Akenza AG, lautet die Antwort auf diese Frage, dass IoT-Lösungen resilient aufgebaut und damit jederzeit und ohne grosse Investitionen austauschbar sein müssen.
Für Nachhaltigkeit steht das IoT auch in der Landwirtschaft, wie Thomas Anken von Agroscope aufzeigte: Dort ermöglichen es IoT-Anwendungen, Pflanzenkrankheiten zu prognostizieren, Unkräuter zu erkennen, das Fressverhalten der Milchkühe zu messen oder Bewässerungsanlagen ganz gezielt einzusetzen. In der norwegischen Lachszucht entwickelt auch Microsoft gemeinsam mit ABB und dem Traditionsunternehmen Norway Royal Salmon (mit einer jährlichen Produktion von 70'000 Tonnen Lachs) ein Projekt, das die datenbasierte Wertschöpfung in den Dienst der Nachhaltigkeit stellt. Es geht darum, wie Marc Holitscher von Microsoft Schweiz darlegte, das Wachstum und die Gesundheit der Lachse mit Hilfe von künstlicher Intelligenz zu überwachen und damit nicht nur die Umweltbelastung auf ein Minimum zu reduzieren, sondern gleichzeitig auch die Betriebskosten zu senken und die Sicherheit der Mitarbeitenden zu erhöhen. Holitscher wies auch darauf hin, dass die Entwicklung rund um das IoT einen grossen Teil der Gesellschaft zu überfordern drohe: Noch nie habe eine einzige Generation so viele disruptive Technologieinnovationen absorbieren müssen. Unternehmen seien deshalb in der Pflicht, das Wohl der Menschen ins Zentrum zu stellen und immer wieder den gesellschaftlichen Dialog über wünschbare und nicht-wünschbare Implikationen zu suchen.
Wie heikel datenbasierte IoT-Anwendungen sein können, erklärte auch Balthasar Staehelin vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK). Denn für das IKRK, das seine Mission nur erfüllen kann, wenn es von Kriegsparteien und Zivilbevölkerung als unparteiisch wahrgenommen wird, ist der sichere Umgang mit sensiblen Daten genauso vital wie ihre optimale Auswertung. Daten, meinte Staehelin, könnten so gefährlich sein wie Asbest, wenn sie in die falschen Hände gelangen würden. Stringente Datenschutzregeln seien deshalb angesagt und der IKRK-Leitsatz «Do no harm» müsse im digitalen Zeitalter zu «Do no digital harm» ergänzt werden.
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