Wenn Mami eine Schnupperlehre macht
Berufs-Marketing
Eine unkonventionelle Kampagne soll auf den Nachwuchsmangel in der Elektrobranche aufmerksam machen: Mit der Elternschnupperlehre bietet EKZ Eltop für einmal nicht potenziellen Lernenden, sondern deren interessierten Müttern und Vätern einen Einblick in den Beruf des Elektroinstallateurs.
Drei Tritte hoch auf der Leiter steht Sara Satir, mitten im Hauseingang der Liegenschaft in Wallisellen, und erschwert den anderen Handwerkern das Durchkommen mit ihren Leichtbauwänden, dem Isolationsmaterial und dem Elektromaterial, das sie eigentlich ins oberste Geschoss tragen wollen. Es herrscht das übliche Gewusel einer Baustelle, wo die verschiedenen Handwerker alle aneinander vorbeikommen müssen.
Doch Tim Steiger, Elektroinstallateur bei EKZ Eltop Effretikon, lässt sich nicht beirren und zeigt Sara Satir geduldig, welchen Draht sie womit verbinden muss. Er lässt sie in aller Ruhe die Platte anschrauben, während die anderen Handwerker vor dem Eingang warten müssen. Schnupperstiftin Sara Satir installiert ihre erste Leuchte. So weit, so normal. Nur, dass Sara Satir keine 14 Jahre alt ist, sondern eine erwachsene Frau und Mutter von zwei Söhnen im Teenageralter.
Nach der ersten erledigten Aufgabe begeben sich die beiden ins Dachgeschoss, wo aus dem ehemaligen Estrich gerade moderne Dachwohnungen werden. Unter fachkundiger Anleitung bohrt Sara Satir mit dem Kronenbohrer ein Loch für die Kabelbuchsen in die Leichtbauwand und bereitet die Steckdosen vor. «Ihr seid aber ambitioniert», hatte sie anfangs noch ausgerufen, doch schon nach wenigen Handgriffen war sie selbstsicherer geworden und absolvierte die Aufgabe ohne Probleme.
Kampf dem Lehrlingsmangel
Die EKZ Eltop AG führte im Februar 2020 während einer Woche eine besondere Kampagne durch: Die Elektroninstallationsfirma offerierte für einmal keine Schnuppertage für Jugendliche, sondern für deren Eltern. «Die Eltern sind im Berufswahlprozess nach wie vor wichtige Beeinflusser», erklärt Arthur Alexejew, Kampagnenverantwortlicher von EKZ Eltop, die ungewöhnliche Aktion. «Wir wollten bei den Eltern Vorurteile abbauen und ihnen ermöglichen, selbst einen Einblick in einen Handwerksberuf zu gewinnen.» EKZ Eltop, eine Tochterfirma von EKZ, ist für Elektroinstallateure und Montageelektriker einer der grössten Ausbildungsbetriebe im Kanton Zürich. Doch auch Eltop spürt seit ein paar Jahren, dass es nicht mehr so einfach ist, Nachwuchs zu finden.
Über die Gründe kann nur spekuliert werden. Sicher stehen die Handwerksberufe in starker Konkurrenz zum Gymnasium, sie scheinen aber allgemein nicht mehr so beliebt zu sein wie früher. «Mit dieser Kampagne wollten wir in der Öffentlichkeit auf das Thema aufmerksam machen», erklärt Arthur Alexejew.
Vorurteile abbauen
Ob bei Sara Satir diese Ziele erreicht werden konnten? «Meine Motivation, hier reinzuschnuppern, ist, dass ich wenig weiss über diesen Beruf. Eigentlich sind mir die ganzen handwerklichen Lehrberufe eher fremd», gibt sie offen zu. Sie möchte hier mehr erfahren und Vorurteile abbauen, sagt sie. Doch vorschnuppern, nein das mache sie nicht, wehrt sich Sara Satir bestimmt. Es liege ihr auch fern, ihrem knapp 13-jährigen Sohn eine Empfehlung abzugeben. Noch sei alles offen, auch das Gymi stehe im Raum. «Er ist sehr breit interessiert und begabt», erzählt Sara Satir. «Ich sehe ihn eigentlich überall: von einem handwerklichen bis hin zu einem sozialen Beruf.» Deshalb wolle sie ihn einzig dazu animieren, möglichst breit und unvoreingenommen zu schnuppern. «Denn damals, bei meiner Berufswahl, kam ein Handwerksberuf irgendwie überhaupt nicht in Frage – ohne dass ich sehr viel darüber gewusst hätte», gibt sie zu bedenken.
Vielseitiges Berufsbild
Dass der Beruf des Elektroinstallateurs äusserst vielseitig ist, lässt allein das Programm an jenem Schnuppermorgen in und um Effretikon erahnen. Nebst der Wohnungssanierung in Wallisellen hatte Satir die Gelegenheit, einen Neubau in Effretikon zu besuchen, wo sie sich die Rohinstallationen einer schicken Eigentumswohnung mit viel Gebäudeautomation ansehen konnte.
Danach stand ein Besuch in der Trocknungsanlage der Landi auf dem Programm, wo gerade die gesamte Steuerung dieser enormen Maschinerie ersetzt wurde, und am Schluss noch eine Stippvisite in einer Trafostation. «Ich wusste tatsächlich nicht, was der Beruf des Elektroinstallateurs alles beinhaltet», gab Sara Satir nach diesem ereignisreichen Schnuppervormittag zu Protokoll. «Und allein schon, dass ich gelernt habe, wie man richtig misst, war den Morgen wert», fügt sie lachend an.
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