Weltpremiere in Davos
24-kV-Schaltanlage mit klimafreundlicher Gasisolation
Die EWD Elektrizitätswerk Davos AG setzt neu auf eine Mittelspannungsanlage ohne fluorierte Gase. Die weltweit erste 24‑kV-Leistungsschalteranlage des Typs «8DAB 24 - blue GIS» von Siemens im Unterwerk Dorf in Davos ist ein Meilenstein zugunsten von Umwelt und Klimaschutz.
Davos gehört mit über 1,3 Millionen Logiernächten im Jahr 2023 zu den grössten Tourismusdestinationen der Schweiz und ist Veranstaltungsort des Weltwirtschaftsforums WEF mit fast 3000 Gästen sowie des Eishockey-Spengler Cups. Rund 12’000 Einwohnerinnen und Einwohnern leben ganzjährig in der höchst gelegenen Stadt der Alpen – in der Hauptsaison beherbergt Davos jedoch über 40’000 Personen. Dementsprechend muss die Infrastruktur ausgelegt sein: Für die reibungslose Stromversorgung sorgt das EWD Elektrizitätswerk Davos AG. Das Unternehmen betreibt im Netzgebiet Davos drei Unterwerke – Platz, Dorf und Unterschnitt –, 168 Trafostationen, 154 km Mittelspannungsnetz und 300 km Niederspannungsnetz.
Klimaneutralität lautet das Ziel
Als erste Gemeinde Graubündens wurde Davos 2001 vom Bundesamt für Energie und vom Trägerverein «Label Energiestadt» offiziell als Energiestadt ausgezeichnet. Die «Alpenstadt» macht sich auf, im Jahr 2030 der erste klimaneutrale Ferienort der Schweiz zu sein. Die EWD zieht mit: Das Unternehmen ersetzt die bestehenden Mittelspannungsanlagen im Unterwerk (UW) Dorf mit neuer «blue GIS»-Technologie von Siemens. Dabei kommt mit «Clean-Air» ein Isoliermedium zum Einsatz, das nur aus Bestandteilen der Umgebungsluft besteht. Bisher kam dabei in der Regel Schwefelhexafluorid (SF6) zum Einsatz.
EU-Verbot ab 2026
Problematisch daran ist: SF6 ist das stärkste bekannte Treibhausgas mit einem 24’300-fach höheren Erwärmungspotenzial als CO2 und einer Verweildauer in der Atmosphäre von bis zu 3200 Jahren. Das Problem ist bekannt und so hat die EU kürzlich eine Verordnung verabschiedet, die SF6 bei neuen Elektrizitätsanlagen bis 24 kV per 1. Januar 2026 verbietet. Voraussichtlich wird die Schweiz die Verordnung übernehmen.
Andy Kollegger, Vorsitzender der Geschäftsleitung bei EWD, zum Umstieg: «SF6 war nie ideal, weder für die Umwelt noch für die Betriebs- und Anlagensicherheit. Für uns war klar: Wenn es eine Alternative mit gleicher Funktionalität aber ohne diese Nachteile gibt, werden wir umstellen – nicht erst, wenn wir müssen. Mit den kürzlich erlangten ISO-Zertifizierungen im Bereich Umwelt und Nachhaltigkeit haben wir uns zu ständigen Verbesserungen in diesen Themen verpflichtet und setzen nun mit der neuen Anlage ein Zeichen.»
«Wenn wir unsere Netto-Null-Ziele erreichen wollen, müssen wir die Stromnetze fit für die Zukunft mit klimafreundlicher Technologie machen», sagte Matthias Rebellius, Mitglied des Vorstands der Siemens AG und CEO Siemens Smart Infrastructure. «Investitionen in den weiteren Ausbau der Stromnetze sind daher unerlässlich. Ich freue ich sehr, dass unser langjähriger Kunde EWD auf unsere zukunftsweisende Technologie bei Schaltanlagen setzt; denn sie ermöglicht eine klimaneutrale und intelligente Energieverteilung in Davos.»
35% weniger Treibhausgas
Dass die weltweit erste Mittelspannungsanlage des Typs «8DAB 24 – blue GIS» in Davos zum Einsatz kommt, macht Roman Jenni, Projektleiter und Experte Mittelspannungsanlagen bei Siemens Schweiz, stolz: «Die ‹Clean-Air-Technologie› erfüllt die höchsten Anforderungen an ein alternatives Isoliermedium. Die Treibhausgasemissionen lassen sich, gerechnet auf die gesamte Lebensdauer der Anlage, um bis zu 35% reduzieren. Mehr als 90% der Mittelspannungsschaltanlage des Typs 8DAB 24 sind bei End-Of-Life rezyklierbar.» Bei der Entsorgung kann das patentrechtlich nicht geschützte und somit überall erhältliche Gas problemlos direkt in die Umgebungsluft abgegeben werden.
Die nach Davos gelieferten Leistungsschalteranlagen bestehen aus 19 Feldern des Typs 8DAB 24 im UW Dorf und – räumlich getrennt, aber im gleichen Gebäude – aus 9 Feldern der NXPLUS C 24. «Dass die Anlagen so kompakt sind, hat uns überzeugt, denn der verfügbare Raum war durch das Gebäude vorgegeben», erinnert sich Kollegger. «Weiter war für uns unerlässlich, dass die relevanten IEC-Normen eingehalten werden. Aber auch die Lifecycle-Kosten über die gesamte Betriebsdauer bis zur Entsorgung haben uns interessiert. Bei allem schnitt die Anlage von Siemens sehr gut ab.»
Alles aus einer Hand
Rund zwei Drittel des Davoser Strombedarfs fallen in der Wintersaison an. «Somit war es für uns unumgänglich, dass wir die Anlage im Sommer ersetzen konnten,» erklärt Kollegger. Mit der Anlieferung der Anlage aus Frankfurt durch zwei 40-t-LKW Anfang Juni 2024 ging das Vorhaben perfekt auf: «Dank der minutiösen Planung und einer bemerkenswert kurzen Lieferzeit von rund 16 Wochen konnten die Installationsarbeiten fristgerecht umgesetzt werden.» Ausschlaggebend sei auch gewesen, dass Siemens alles aus einer Hand lieferte – von Trafostationen bis Unterwerk-Anlagen. «Zudem bleibt die Bedienung für unser Netzmontage- und Bedienpersonal gleich, unabhängig davon, ob es sich um Primär- oder Sekundäranlagen handelt. Das ist auch für die Betriebssicherheit wichtig», betont Kollegger.
Die Nachhaltigkeitsreise geht weiter
2023 betrug der Stromabsatz der EWD 132’231 MWh. Mehr als die Hälfte davon produzierte das Albula-Landwasser-Kraftwerk, bei dem die EWD eine Produktionsbeteiligung besitzt. Aktuell betreibt die KWD ihr Netz mit einer Spannung von 8 kV. Aufgrund der steigenden Nachfrage – z.B. durch die Zunahme der Elektromobilität – ist ein künftiger Betrieb mit 16 kV absehbar. Diese Umstellung wird mit der neuen Anlage problemlos möglich sein. Das blue-GIS-Portfolio werde in Zukunft konsequent weiterentwickelt, erklärt Armin Bolt, Head of Electrification & Automation bei Siemens Smart Infrastructure Schweiz. «Als nächstes steht die Erweiterung des Betriebsbereichs bis 40,5 kV, höhere Ströme, Typicals und Blockvarianten – also standardisierte Schaltpläne und Schaltungsmodule – an.
Technik in Kürze
Das Anlagenkonzept der 8DAB 24 – blue GIS mit einpoliger Kapselung steht für höchste Verfügbarkeit bei einem Sammelschienenstrom bis zu 2500 A (oder höher auf Anfrage) in der Ausführung Einfach- und Doppelsammelschiene. Dass als Isoliermedium nur Bestandteile der natürlichen Umgebungsluft zum Einsatz kommen, entspricht den Vorgaben der neuen EU-Verordnung und internationaler Normen (IEC). Möglich ist eine digitale Zustandsüberwachung, z.B. für Gasdichte, Temperatur, Leistungsschalter und Teilentladung.
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