Interview Erneuerbare Energien , Mobilität

Welche Rolle wird Wasserstoff in der Mobilität spielen?

Nachhaltige Mobilität

27.02.2020

Die Schweizer Energie- und Mobilitätsforschung befasst sich unter anderem mit dem Energieträger Wasserstoff. Andreas Züttel, Wasserstoff-Experte und Professor für physikalische Chemie an der ETH Lausanne, vermittelt in seinen Antworten ein Bild des aktuellen Standes der Technik bei Wasserstoff-Antrieben.

Prof. Dr. Andreas Züttel
Prof. Dr. Andreas Züttel
Bulletin: Welche Formen der nachhaltigen Mobilität gibt es bei PKW?

Andreas Züttel: Es gibt Verbrennungsmotoren mit Biodiesel, mit synthetischen Treibstoffen und Wasserstoff oder Elektroautos mit Batterien, Wasserstoff und Brennstoffzelle. Auch die beispielsweise bei Trolleybussen eingesetzte Oberleitung ermöglicht eine nachhaltige Mobilität.

Synthetische Treibstoffe werden als Alternative kaum diskutiert. Wieso?

Synthetische flüssige Treibstoffe lassen sich nur in Grossanlagen wie der Gas-to-Liquids-Anlage (GTL) in Qatar aus Erdgas herstellen. Die grosse Menge CO2, die dazu benötigt wird, lässt sich heute noch nicht aus der Luft absorbieren.

Könnte synthetisches Erdgas in der Mobilität künftig eine Rolle spielen?

Ja, synthetisches Methan ist ein erster Schritt auf dem Weg zu synthetischen flüssigen Treibstoffen.

Für die nachhaltige Erzeugung von Wasserstoff bietet sich die Elek­trolyse an. Die Reformierung von Erdgas ist nicht nachhaltig. Besteht nicht die Gefahr, dass man in der Mobilität bei Mangel auf Letztere zurückgreift?

Nein, der Wasserstoff wird erzeugt, weil man erneuerbare Energie hat. Aus Erdgas Wasserstoff für die Mobilität zu erzeugen, macht keinen Sinn, da kann man gleich mit Erdgas herumfahren.

Wie sieht es mit der Lebensdauer von Brennstoffzellen heute aus?

Da haben wir bisher wenig Daten.

Wie problematisch ist die Speicherung von Wasserstoff bei 700 bar?

Bisher sind keine Unfälle bekannt. Tanks mit 700 bar Wasserstoff bergen natürlich ein potenzielles Risiko.

Es gibt viel zu wenige Lademöglichkeiten für Wasserstoff. Da gibt es eine Vision, das Erdgasnetz für Wasserstoff umzubauen. Lohnt es sich überhaupt, eine flächendeckende Wasserstoff-Infrastruktur parallel zum Strom-Verteilnetz zu bauen?

Ja, Strom ist im Winter nur beschränkt vorhanden und die Speicherung von Elektrizität in Batterien sehr teuer. Wasserstoff als Energieträger kann gespeichert werden. Die Frage ist, wann der Wasserstoff in synthetische Kohlenwasserstoffe überführt wird.

Welche Art von Fahrzeugen eignet sich besser für Wasserstoff – PKW oder LKW?

LKW sind einfacher, denn man hat planbare Strecken und sie sind toleranter im Gewicht und Volumen.

Was halten Sie von der PSI-Studie «Umweltauswirkungen von Personenwagen»?

Die Studie ist ein Versuch, die Schadstoffemissionen zu quantifizieren, mit einigen Schwachstellen. Seltsam mutet an, dass alle Fahrzeuge nach dem Energieträger benannt werden, ausser dem Wasserstoff-Fahrzeug, das nach dem Energiewandler (Brennstoffzelle) benannt wird. In Zukunft, wenn die Energie grösstenteils erneuerbar ist, werden auch alle Komponenten CO2 ärmer bzw. neutral hergestellt. Das muss das Ziel sein.

Wenn man die Studie auf Deutschland bezieht, müsste man zum Schluss kommen, dass E-Mobilität dort aus ökologischer Sicht kaum sinnvoll ist. Stimmt dies?

Ja, Elektromobilität löst dort kein Emissionsproblem. Die Frage ist nicht, wie der Endverbraucher die Energie umwandelt, sondern woher der Energieträger stammt. Werden Benzin und Diesel aus erneuerbarer Energie und durch CO2 aus der Luft hergestellt, so sind Verbrennungsmotoren ebenfalls CO2-neutral. Entscheidend ist es, die Stoffkreisläufe zu schliessen, sowohl für Energie als auch für Güter!

Sowohl die Well-to-tank-Effizienz als auch die Tank-to-wheel-Effizienz ist bei Wasserstoff schlechter als bei Elektroautos. Wäre es deshalb nicht sinnvoller, eher auf E-Mobilität zu setzen? Man müsste dann die geringere Reichweite in Kauf nehmen.

E-Mobilität und Wärmepumpen brauchen genau dann Strom, wenn er am wenigsten vorhanden ist. Die saisonale Speicherung wird dadurch noch an­spruchsvoller. Es führt kein Weg an saisonaler Speicherung vorbei, wenn wir in Zukunft mit erneuerbarer Energie leben wollen. Dabei ist sie die grösste technische und wirtschaftliche Herausforderung.

Autor
Radomír Novotný

ist Chefredaktor des Bulletins Electrosuisse.

  • Electrosuisse
    8320 Fehraltorf

Kommentare

Steven S.,

2 Anmerkungen/Fragen dazu:
1. Elektroautos kann man kaufen, synthetische Treibstoffe nicht. Macht es wirklich Sinn, bis 2050 mit fossilem Treibstoff zu fahren, nur weil (heute!) während 3 Monaten im Jahr nicht 100% Strom aus erneuerbaren Quellen verfügbar ist? Man fährt ja nicht nur im Winter (übrigens ist auch im Winter der Strommix nicht 100% Kohle). Die Aussage bez. Deutschland stimmt übrigens auch schon nicht mehr, sondern bezieht sich auf den Deutschen Strommix von vor einigen Jahren.
2. Wäre es nicht sinnvoller, mit dem in H2/synth. Kohlenwasserstoffen gespeicherten Überschussstrom im Winter wieder Strom herzustellen? Damit könnte man dann auch die Wärmepumpen betreiben (Die «Winterlücke» besteht ja auch ohne Mobilität). Synthetische Treibstoffe in der Mobilität machen nur während maximal 3 Monaten/Jahr Sinn: Ist das wirklich der bessere Ansatz? Zudem kann gemäss Interview nicht genügend CO2 aus der Luft gewonnen werden, um genügend synth. Treibstoffe herzustellen. Irgendeine Quelle braucht es also. Vielleicht hat der EPFL-Kollege Prof. Maréchal ja eine Idee?

Was ist die Summe aus 8 und 8?