Fachartikel Energiespeicher , Smart Grid

Wegweisender Test für autonome Inselnetze

Mini-Grid Emmenmatt

07.11.2025

BKW Power Grid hat in Emmenmatt einen Test eines Mini-Grids durchgeführt, das eine autonome Strom­ver­sorgung im Inselbetrieb ermöglicht. Dabei kamen hybride Netz­ersatz­anlagen (hNEA), ein Batteriespeichersystem (BESS) und eine dezentrale PV-Anlage zum Einsatz, die über ein zentrales Managementsystem (Scada) gesteuert wurden.

Der Praxisversuch eines Mini-Grids in Emmenmatt zeigt eindrucksvoll, wie sich die Energie­ver­sorgung mithilfe innovativer Technologien in Richtung mehr Autonomie und Resilienz wandeln lässt. Angesichts der Energiewende und der damit verbundenen Heraus­forderungen – wie dem wachsenden Anteil dezentraler PV-Anlagen, dem Ausstieg aus der Kernenergie sowie der steigenden Elektrifizierung des Verbrauchs – suchen Netzbetreiber nach Lösungen, die eine flexible und sichere Strom­ver­sorgung auf lokaler Ebene gewährleisten. Das Mini-Grid-Projekt von BKW Power Grid in Emmenmatt leistet hierfür einen wichtigen Beitrag, indem es die autonome Steuerung eines Inselnetzes in einem realistischen Netzumfeld erprobt und damit eine Zukunfts­perspektive für die Schweizer Energie­ver­sorgung eröffnet. Nebst Fachleuten von BKW Power Grid hatten auch die Partner Jost AG (Herstellung und Vertrieb der hNEA) sowie Atlas Copco einen wesentlichen Anteil am Gelingen des Tests. Letztere stellte freundlicherweise einen grossen Batteriespeicher für den Versuch zur Verfügung.

Test mit komplexer Netzstruktur

Der Test erstreckte sich über einen realistischen Bereich des 16-kV-Mittel­spannungs­netzes, das in Emmenmatt gespeist wird. Das Netz umfasste 17 Trafostationen mit 367 Nieder­spannungs­kunden, darunter private Haushalte und kleine sowie mittelgrosse Unter­nehmen. Die installierte Photo­voltaik­leistung betrug 1070 kW. Zur Testzeit im Juni 2025 standen etwa 720 kW davon realistisch zur Verfügung. Die Tageslasten bewegten sich zwischen 200 und 350 kW. Das Mini-Grid konnte also unter realitäts­nahen Bedingungen auf seine Fähigkeiten geprüft werden. Dabei spiegelten Lastgänge die dynamischen Schwankungen des lokalen Netzes wider, mit Zeiten von Überschuss­produktion und solchen mit einem Defizit an einspeisender Energie.

Zur Stabilisierung und Steuerung dieses Inselnetzes wurden vier hybride Netz­ersatz­anlagen (hNEA) mit unter­schiedlichen Leistungen von 200 bis 400 kW eingesetzt, ergänzt durch ein stationäres Batterie­speicher­system (BESS) mit einer Kapazität von 575 kWh. Zusätzlich dienten Lastbänke mit variierenden Leistungen dazu, Verbrauchsspitzen zu simulieren oder Produktions­schwan­kungen zu glätten. Für die Messung der Energiequalität waren an mehreren Stellen Power-Quality-Messgeräte (PQ-Boxen) installiert, die genaue Daten zu Spannung, Frequenz, Transienten und Ober­schwin­gungen lieferten und so eine umfassende Analyse der Netzstabilität ermöglichten. Alle Komponenten wurden an ein eigens für das Projekt entwickeltes zentrales Manage­ment­system, ein «Supervisory Control and Data Acquisition»-System (Scada), angeschlossen, das eine vollständige Visualisierung und Steuerung des Mini-Grids in Echtzeit erlaubt.

Hintergrund

Hybride Netz­ersatz­anlagen

BKW Power Grid hat in Zusammen­arbeit mit der Jost AG, der Suncar AG und der Indrivetec AG eine neuartige hybride Netz­ersatz­anlage entwickelt. Mit ihr ist es möglich, den Dieselverbrauch und den CO2-Ausstoss im regulären Betrieb um 80% zu senken – und somit auch die Lärmbelastung. Die hNEA ist zum Beispiel ideal für den mobilen Einsatz im ländlichen Raum mit kurzen Hochlast­phasen oder, kombiniert mit im Netz verteilten Energie­erzeugungs­anlagen, auch für die Versorgung von ganzen Ortschaften geeignet.

Intelligente Steuerung des Batteriespeichers

Eine zentrale Innovation des Projekts war die dynamische Steuerung des Batteriespeichers mittels eines eigens entwickelten Algorithmus, der in der Programmier­sprache Scada Programming Interface (SPI) programmiert wurde. Die Logik dieses Algorithmus beruhte auf der minuten­genauen Analyse des durch­schnitt­lichen Lade­zustands (State of Charge, SOC) der hybriden Netz­ersatz­anlagen. Bei steigendem SOC, also bei einem Überschuss an Photo­voltaik­energie, wurde das Batteriesystem automatisch geladen, während es bei einem sinkenden SOC, also einem Produktions­defizit, entladen wurde, um das Netz zu stabilisieren. Diese adaptive Steuerung verhinderte Überladungen oder Tief­ent­ladungen und schützte zugleich die Batterien der hNEA vor übermässiger Beanspruchung. Gleichzeitig konnte so eine gleichmässige Netzfrequenz von rund 50 Hz gehalten werden. Erwähnens­wert ist auch, dass die Diesel­generatoren der hNEA, die normalerweise bei leeren Batterien oder fehlender Einspeisung dezentraler Anlagen einspringen, während des gesamten Tests nicht genutzt wurden.

Der praktische Test fand am 17. Juni 2025 statt, einem sonnigen Tag mit idealen Wetter­bedingungen. Um 8.54 Uhr wurde das Mini-Grid freiwillig vom über­geord­neten Netz getrennt und das System ging vollständig in den autarken Inselbetrieb über. Während fast sechs Stunden arbeitete das Mini-Grid eigenständig und stabil, bevor um 14.42 Uhr die Wiederverbindung mit dem Hauptnetz über eine der hNEAs unterbruchs- und störungsfrei erfolgte. Der Test umfasste zudem verschiedene simulierte Ereignisse, darunter vorübergehende Kommuni­kations­probleme, manuelle Eingriffe zur gezielten Auf- oder Entladung einzelner hNEAs sowie eine absichtliche Deaktivierung des BESS-Steuerungs­algorithmus, um das Systemverhalten in Ausnahmesituationen zu überprüfen. Auch die Nicht­linearitäten des BESS bei Annäherung an seine Kapazitäts­grenzen konnten analysiert werden. Dabei zeigte sich, dass ab einem Ladezustand von 75% die Ladung beschleunigt wurde, während bei 99% eine Schutzfunktion die weitere Ladung stoppte.

Das BESS reagierte schnell und präzise auf dynamische Anforderungen, nahm PV-Überschüsse auf und glich sie im Netz aus. Die Energiequalität erfüllte durchgehend die Anforde­rungen der Norm EN 50160, insbesondere hinsichtlich der Einhaltung von Frequenz und Spannung. Die Netzfrequenz wurde bei etwa 50 Hz stabil gehalten und schwankte in der Regel um weniger als ±0,05 Hz, abgesehen von gezielt herbei­geführten Extrem­schwankungen. Die Spannungen im Nieder­spannungs­netz blieben selbst bei wechselnden Lasten und Produk­tions­bedingungen mit Schwankungen von lediglich ±4 V stabil. Die Mittelspannung zeigte Werte im normkonformen Bereich von ±300 V. Überspannungen, kritische Transienten oder Desynchro­nisationen wurden nicht festgestellt.

Zukunftsperspektiven für dezentrale Energienetze

Diese positive Bilanz unterstreicht das Potenzial von Mini-Grids, insbesondere in Regionen mit hohem Anteil an erneuerbaren Energien oder dort, wo eine besonders widerstands­fähige Energie­versorgung erforderlich ist. Die modulare Bauweise mit hybriden Netz­ersatz­anlagen, stationären Speicher­systemen und intelli­gentem Energie­manage­ment ermöglicht nicht nur temporäre Einsätze bei Bauvorhaben, Veran­staltungen oder Notfällen, sondern auch langfristige Versorgungsstrategien zur Aufrechterhaltung des Netzbetriebs. Die in Emmenmatt gewonnenen Erfahrungen zeigen, dass Mini-Grids bereits heute marktfähige Lösungen darstellen, die sich flexibel an unter­schiedliche Szenarien anpassen lassen und somit einen wichtigen Beitrag zur dezentralen Energiewende leisten können.

Das Mini-Grid von Emmenmatt demonstriert eindrucks­voll, dass die Kombination aus automa­tisierter Steuerung, vernetzter Koordination mehrerer Energie­quellen und moderner Speicher­technologie eine stabile, effiziente und sichere Strom­versorgung auch im Inselbetrieb gewährleistet. Damit erfüllt dieses Konzept zentrale Anforderungen an künftige Energiesysteme, die durch immer mehr fluktuierende Erneuerbare und neue Lastprofile geprägt sind. Die Erkennt­nisse aus diesem Feldtest liefern wertvolle Grundlagen, um Mini-Grids in der Praxis weiter optimieren zu können und flächen­deckend zu imple­men­tieren. Sie unter­streichen zudem das grosse Potenzial für die Schweiz, bei der Trans­formation der Energie­infra­struktur wegweisend zu sein und neue Techno­logien erfolgreich in den Netzausbau einzubinden.

Autor
Adrian Bachmann

ist Gebietsleiter Mittelland Ost bei BKW Power Grid.

  • BKW Energie AG, 3072 Ostermundigen
Autor
Romain Yerly

ist Betriebsingenieur bei der BKW.

  • BKW Energie AG
    3072 Ostermundigen

Kommentare

Bitte addieren Sie 7 und 4.