Fachartikel Mobilität

Wasserstoff statt Diesel im ÖV

Wasserstofftechnologien für den öffentlichen Verkehr in der Schweiz

01.03.2022

Im Rahmen der Energie­strategie 2050 strebt der Bundesrat unter anderem an, Dieselbusse durch alternative, CO2-neutrale Antriebs­technologien zu ersetzen. Eine Studie wurde durch­geführt, um die Nutzung von Technologien, die auf grünem Wasserstoff basieren, für den öffentlichen Verkehr in der Schweiz zu analysieren.

In den letzten Jahren ist das Interesse an Wasserstoff als Energieträger gewachsen. In Europa hat sich die 2008 gegründete öffentlich-private Partnerschaft Fuel Cells and Hydrogen Joint Undertaking (FCH JU) zum Ziel gesetzt, die Einführung von Wasserstoff­technologien auf dem europäischen Markt zu unterstützen [1]. Zwischen 2014 und 2020 wurde ein Gesamtbudget von 1,33 Mia. Euro in ein Forschungs- und Innovations­programm investiert, um ein Portfolio an sauberen und effizienten Lösungen zu entwickeln. Im Juli 2020 hat die Europäische Kommission mit der Gründung der European Clean Hydrogen Alliance ihren Willen, die grüne Wasserstoff­branche zur Erreichung ihrer Klimaziele zu entwickeln, dauerhaft festgeschrieben.[2]

Diese Allianz zielt auf einen ehrgeizigen Einsatz von Wasserstoff­technologien bis 2030 ab, indem sie die Produktion von möglichst erneuerbarem Wasserstoff, die Nachfrage in der Mobilität und anderen Sektoren sowie den Transport und die Verteilung von Wasserstoff zusammenbringt. Mit dieser Allianz erwartet die EU bis 2050 kumulative Investitionen in sauberen Wasserstoff in Höhe von 180 bis 470 Mia. Euro, um die Verpflichtung der EU zur Erreichung der Kohlenstoff­neutralität bis 2050 zu unterstützen.

In der Schweiz hat der Bundesrat das Bundesamt für Verkehr (BAV) beauftragt, die Energie­strategie für den öffentlichen Verkehr (ÖV) umzusetzen. Aktuell werden in der Schweiz rund 6000 Busse im ÖV mit Diesel­kraftstoff betrieben, und der damit verbundene Primär­energie­bedarf wird auf rund 1,28 TWh pro Jahr geschätzt.[3] Im Rahmen des Programms «Energie­strategie 2050 für den öffentlichen Verkehr» hat das BAV eine Studie zur Untersuchung des Potenzials von Wasserstoff im ÖV in Auftrag gegeben.[4] Ein Auszug der Resultate bezüglich der Eignung von Wasserstoff­bussen für das Schweizer Umfeld wird in diesem Beitrag präsentiert. Die vollständige Studie wird ihrerseits Anfang 2022 veröffentlicht und kann auf der in der Referenz [4] angegebenen Website heruntergeladen werden.

Einer der Vorteile von wasserstoff­betriebenen Bussen ist ihre Reichweite, die mit der herkömmlicher Verbrennungs­fahrzeuge vergleichbar ist. Die wichtigste, ebenfalls emissionsfreie Alternative ist der batterie­betriebene Elektrobus. Dank der Entwicklung der Batterie­technologie für Pkw ist dieser heute deutlich günstiger als Wasserstoff­busse. In diesem Beitrag werden der Kraftstoff­verbrauch sowie die generelle Eignung dieser beiden Technologien mit Dieselbussen verglichen, wobei Daten von Referenz­strecken für Regional- sowie auch Ortsverkehr aus dem Navig-Projekt [5] für die Analyse herangezogen werden.

Unterschiedliche Bustypen

In wasserstoff­betriebenen Bussen kann Wasserstoff entweder direkt von einem Verbrennungs­motor in Bewegungs­energie umgewandelt werden (Bustyp HICEB – hydrogen internal combustion engine bus) oder zunächst über eine Brennstoff­zelle in elektrische Energie umgewandelt werden, die dann einen Elektromotor antreibt (Bustyp FCEB – fuel cell electric bus). Der sogenannte tank-to-wheel-Wirkungs­grad, also der Anteil der Energie, der schliesslich auf die Strasse gebracht wird, liegt bei Volllast für HICEB und FCEB bei über 40%, wobei hier auch alle Umwandlungs­verluste (Getriebe, bei FCEB auch Batterie etc.) berücksichtigt sind. Während ein FCEB diesen Wirkungsgrad fast über den gesamten Drehzahl­bereich des Motors ausnutzen kann, hat ein HICEB einen geringeren durchschnittlichen Wert, da der Wirkungs­grad bei niedrigen Drehzahlen fast linear abfällt. Ein batterie­betriebener, rein elektrischer Bus (battery electric bus – BEB) hat dagegen einen Wirkungsgrad von über 70%.

Weitere Unterschiede findet man beim Leergewicht, wo FCEB heute noch allgemein und BEB aufgrund der Batterien etwas schwerer als Dieselbusse sind, sowie auch bei der benötigten Leistung für Hilfsantriebe, da FCEB und BEB zusätzlich mit einer Wärmepumpe ausgestattet sind, weil die Abwärme des Motors nicht zum Heizen ausreicht. Zudem wird für den BEB wegen der Batterie­alterung eine Reserve­kapazität mitberücksichtigt. Die in der Studie verwendeten Parameter sind in Tabelle 1 zusammengefasst.

Definition von Verbrauchsmodellen

Um den Bus vorwärts zu bewegen, muss der Motor eine Kraft aufbringen, die die verschiedenen in Bild 1 dargestellten Kräfte ausgleicht (oder bei einer Beschleunigung des Busses überwindet), insbesondere die fahrbahn­parallele Komponente der Gravitations­kraft sowie die Kräfte aufgrund des Luft- und Roll­widerstands. Der Motor muss auch die Energie liefern, die für den Betrieb der Hilfs­einrichtungen (Kompressoren zum Öffnen der Türen, Brems­assistent usw.) erforderlich ist.

Zusätzlich zu diesen Elementen berücksichtigt das in der Studie verwendete Modell bei Batterie­antrieben (BEB und FCEB) auch die Möglichkeit der Energie­rückgewinnung beim Bremsen oder Bergabfahren, beschränkt sich aber im Allgemeinen auf vereinfachte Annahmen. Beispiels­weise wird das dynamische Verhalten des Motors – d. h. der Energie­verbrauch des Motors in Abhängigkeit von seiner Drehzahl – nicht direkt berücksichtigt, sondern über die Wahl eines konstanten, von der Art der Fahrt abhängigen Wirkungs­grads einbezogen.

Das Modell zeigt, dass der Roll­widerstand, die Beschleunigungs­kraft sowie die Kraft, die benötigt wird, um die Gravitations­kraft beim Auf- und Absteigen zu kompensieren, hauptsächlich vom Gewicht des Busses abhängt. Der Luft­widerstand und die Beschleunigungs­kraft werden durch das Beschleunigungs­profil bestimmt, das wiederum stark vom Höhenprofil, der Verteilung der Haltestellen auf der Buslinie, aber auch vom Verkehrs­aufkommen und dem Fahrstil abhängt. Das Navig-Projekt hat gezeigt, dass Letzterer den Verbrauch beeinflusst, und zwar um bis zu 10%.

Um diese Abhängigkeiten adäquat zu berücksichtigen, wurden vier Referenz­strecken der Verkehrs­betriebe Freiburg TPF herangezogen. Diese Strecken beinhalten zwei typische Regional­verkehrs­linien, die mit einer Durchschnitts­geschwindigkeit von ca. 40 km/h, einem Halt pro Kilometer und einer Tages­kilometer­leistung von 400 km charakterisiert sind, sowie zwei Orts­verkehrs­linien mit 20 km/h Durchschnitts­geschwindigkeit, drei Haltestellen pro Kilometer und einer Tages­kilometer­leistung von 250 km. Es sei angemerkt, dass die durchschnittliche Steigung, die auf den Referenz­strecken zwischen 1% und 2% variiert, nicht als Unterscheidungs­merkmal zwischen Regional- und Orts­verkehrs­linien herangezogen werden kann.

Verbrauchsanalyse und Vergleich

Die Analyse des Verbrauchs für die Referenz­fahrten zeigt, dass die Verteilung der verschiedenen Komponenten des Modells bei allen untersuchten Bustypen ähnlich ist. Der Energie­verbrauch für Hilfs­einrichtungen sowie der Luft­widerstand spielen nur eine untergeordnete Rolle im Gesamt­energie­verbrauch, der vor allem durch die Beschleunigung und das Anheben des Busses bestimmt wird (Bild 2). Auf den ausgewerteten Referenz­strecken machen diese beiden Komponenten zusammen zwischen 64% und 72% des Gesamt­energie­verbrauchs aus. Dies ist interessant, da diese Komponenten die potenziell rückgewinnbare Energie beim Bremsen, insbesondere bei der Talfahrt, bestimmen.

Der Einfluss des Gewichts und des Wirkungs­grads der unterschiedlichen Bus­typen ist in Bild 3 exemplarisch für eine der Regional­strecken dargestellt, wobei für die typische Beladung mit ca. 20% der vollen Kapazität gerechnet wird. Generell weist der HICEB wegen seines höheren Wirkungs­grads einen um ca. 8% geringeren Verbrauch als der Dieselbus auf. Der Brennstoff­zellen­bus benötigt durch die grössere Masse mehr Energie, was aber durch eine Regenerierungs­rate von im Durchschnitt ca. 18% kompensiert wird. Der Energie­bedarf ist beim FCEB ca. 15% (Regionalstrecken) bis 25% (Ortsstrecken) geringer als für einen Dieselbus, wobei diese Werte bei Volllast noch um einige Prozentpunkte höher liegen. Der FCEB ist damit immer etwas effizienter als der HICEB. Der BEB, bei dem im Schnitt ca. 28% der Gesamt­energie regeneriert werden können, benötigt rund 60% und somit 2,5 mal weniger Energie, was den Elektro­antrieb zur weitaus effizientesten Technologie macht.

Die Reichweite ist auch ein wichtiger Parameter, besonders für Elektrobusse – in der Studie wurden Busse analysiert, die im Depot aufgeladen werden, in der Regel über Nacht für mehrere Stunden. Es hat sich gezeigt, dass Elektrobusse für die untersuchten Fahrten über Batterien mit sehr hoher Kapazität verfügen müssen und dass die derzeit erhältlichen maximalen Kapazitäten (etwa 600 kWh) für regionale Fahrten noch nicht ausreichen (Tabelle 2). Wasserstoffbusse weisen diese Einschränkung nicht auf und können daher Dieselbusse auf diesen Strecken direkt ersetzen.

Welcher Bus für welche Strecke?

Wasserstoffbusse können Diesel­busse direkt ersetzen und ermöglichen eine Reduktion des Energie­bedarfs um 10% bis 30%. Kommerziell stehen heute meist Busse zur Verfügung, die mit Brennstoff­zellen und kleinen Batterien im Bereich von bis zu 50 kWh zum Abgleich der Lastspitzen arbeiten. Aktuell sind in Europa rund 200 Busse in mehreren europäischen Städten unterwegs. Bezüglich Investitions­kosten sind diese Busse heute noch dreimal so teuer wie Dieselbusse. Neben einer Preissenkung, die mit steigendem Volumen eintreten wird, gibt es bei den Brennstoff­zellen noch Potenzial für technische Verbesserungen. Denn ihre Lebens­dauer liegt derzeit bei 20'000 bis 30'000 Betriebs­stunden: Sie müssen also während der Lebens­dauer eines Busses mehrmals ausgetauscht werden.

Batteriebetriebene Elektrobusse verbrauchen deutlich weniger Primär­energie, werden aber aufgrund der heutigen Reichweiten­limitierungen bei vielen Schweizer Regional­linien nicht zum Einsatz kommen. Auch wenn davon ausgegangen werden kann, dass die rasch voranschreitende Batterie­forschung weitere Fortschritte machen wird, werden Wasserstoff­busse für viele der rund 3000 Busse, die nur im regionalen Personen­verkehr eingesetzt werden, zumindest kurzfristig die einzige Alternative zu Dieselbussen darstellen.

Zwei Kraftwerke mit 96 MW

Die Energiestrategie will die CO2-Emission komplett eliminieren. Um dieses Ziel im öffentlichen Verkehr mit Wasserstoff­bussen umzusetzen, muss der Treibstoff aber ausschliesslich mit erneuerbarer Energie hergestellt werden. Wasserstoff, mit einem globalen Jahresbedarf von 70 Mio. t für die Industrie, wird heute fast nur aus fossilen Brennstoffen erzeugt. Die zurzeit technisch ausgereifteste kommerziell verfügbare Technologie, um sogenannten grünen Wasserstoff herzustellen, ist die Wasser­elektrolyse. Die Proton-Austausch-Membran (PEM) Elektrolyse, die heute im grossindustriellen Ausmass betrieben wird, hat einen Wirkungsgrad von über 60%. Der für die Versorgung von 3000 regionalen Bussen nötige Energiebedarf kann mit den oben angeführten Parametern auf ca. 866 GWh pro Jahr abgeschätzt werden. Wenn man davon ausgeht, dass die restlichen 3000 Fahrzeuge als batterie­betriebene Elektrobusse für lokale Linien umgerüstet werden, werden dafür 280 GWh benötigt. Um diese Energie zu liefern, wird für jeden Bustyp ein Kraftwerk mit einer Leistung von etwa 96 MW benötigt. Ein Kraftwerk, das zur Herstellung von grünem Wasserstoff dient, muss dabei kontinuierlich laufen, während das Kraftwerk zum Aufladen der Batterien der Elektrobusse nur nachts laufen muss. Diese Zahlen spiegeln die Heraus­forderungen wider, welche für die Umsetzung der Energie­strategie gemeistert werden müssen.

Referenzen

[1] Fuel Cells and Hydrogen Joint Undertaking, «Mission and objectives».
[2] European Clean Hydrogen Alliance.
[3] BFE, «Abschätzung des Einsatz- und CO2-Reduktionspotenzials durch Busse mit nicht fossilen Antriebstechnologien und Fördermöglichkeiten – Grundlagestudie zum Postulatsbericht 19.3000», Bericht vom 12. Oktober 2020. pubdb.bfe.admin.ch/de/publication/download/10413
[4] A. Hutter, «Étude du potentiel de l’hydrogène dans les TP», projet du programme «Stratégie énergétique 2050 des transports publics (SETP 2050)» de l’Office fédéral des transports (OFT).
[5] V. Robatel, F. Vannel, «Développement d’un système embarqué dans les bus pour favoriser une conduite écologique», projet SETP 2050 P-084 Navig, 12 janvier 2021.

 

Autor
Dr. Andreas Hutter

ist Group Leader Energy Systems am CSEM.

  • CSEM SA
    2000 Neuenburg
Autor
Nelson Koch

ist R&D Engineer am CSEM.

  • CSEM SA
    2000 Neuenburg
Autor
Dr. Thomas Söderström

ist Deputy Business Units Leader Photovoltaics am CSEM.

  • CSEM SA
    2000 Neuenburg

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