Wasserstoff statt Diesel im ÖV
Wasserstofftechnologien für den öffentlichen Verkehr in der Schweiz
Im Rahmen der Energiestrategie 2050 strebt der Bundesrat unter anderem an, Dieselbusse durch alternative, CO2-neutrale Antriebstechnologien zu ersetzen. Eine Studie wurde durchgeführt, um die Nutzung von Technologien, die auf grünem Wasserstoff basieren, für den öffentlichen Verkehr in der Schweiz zu analysieren.
In den letzten Jahren ist das Interesse an Wasserstoff als Energieträger gewachsen. In Europa hat sich die 2008 gegründete öffentlich-private Partnerschaft Fuel Cells and Hydrogen Joint Undertaking (FCH JU) zum Ziel gesetzt, die Einführung von Wasserstofftechnologien auf dem europäischen Markt zu unterstützen [1]. Zwischen 2014 und 2020 wurde ein Gesamtbudget von 1,33 Mia. Euro in ein Forschungs- und Innovationsprogramm investiert, um ein Portfolio an sauberen und effizienten Lösungen zu entwickeln. Im Juli 2020 hat die Europäische Kommission mit der Gründung der European Clean Hydrogen Alliance ihren Willen, die grüne Wasserstoffbranche zur Erreichung ihrer Klimaziele zu entwickeln, dauerhaft festgeschrieben.[2]
Diese Allianz zielt auf einen ehrgeizigen Einsatz von Wasserstofftechnologien bis 2030 ab, indem sie die Produktion von möglichst erneuerbarem Wasserstoff, die Nachfrage in der Mobilität und anderen Sektoren sowie den Transport und die Verteilung von Wasserstoff zusammenbringt. Mit dieser Allianz erwartet die EU bis 2050 kumulative Investitionen in sauberen Wasserstoff in Höhe von 180 bis 470 Mia. Euro, um die Verpflichtung der EU zur Erreichung der Kohlenstoffneutralität bis 2050 zu unterstützen.
In der Schweiz hat der Bundesrat das Bundesamt für Verkehr (BAV) beauftragt, die Energiestrategie für den öffentlichen Verkehr (ÖV) umzusetzen. Aktuell werden in der Schweiz rund 6000 Busse im ÖV mit Dieselkraftstoff betrieben, und der damit verbundene Primärenergiebedarf wird auf rund 1,28 TWh pro Jahr geschätzt.[3] Im Rahmen des Programms «Energiestrategie 2050 für den öffentlichen Verkehr» hat das BAV eine Studie zur Untersuchung des Potenzials von Wasserstoff im ÖV in Auftrag gegeben.[4] Ein Auszug der Resultate bezüglich der Eignung von Wasserstoffbussen für das Schweizer Umfeld wird in diesem Beitrag präsentiert. Die vollständige Studie wird ihrerseits Anfang 2022 veröffentlicht und kann auf der in der Referenz [4] angegebenen Website heruntergeladen werden.
Einer der Vorteile von wasserstoffbetriebenen Bussen ist ihre Reichweite, die mit der herkömmlicher Verbrennungsfahrzeuge vergleichbar ist. Die wichtigste, ebenfalls emissionsfreie Alternative ist der batteriebetriebene Elektrobus. Dank der Entwicklung der Batterietechnologie für Pkw ist dieser heute deutlich günstiger als Wasserstoffbusse. In diesem Beitrag werden der Kraftstoffverbrauch sowie die generelle Eignung dieser beiden Technologien mit Dieselbussen verglichen, wobei Daten von Referenzstrecken für Regional- sowie auch Ortsverkehr aus dem Navig-Projekt [5] für die Analyse herangezogen werden.
Unterschiedliche Bustypen
In wasserstoffbetriebenen Bussen kann Wasserstoff entweder direkt von einem Verbrennungsmotor in Bewegungsenergie umgewandelt werden (Bustyp HICEB – hydrogen internal combustion engine bus) oder zunächst über eine Brennstoffzelle in elektrische Energie umgewandelt werden, die dann einen Elektromotor antreibt (Bustyp FCEB – fuel cell electric bus). Der sogenannte tank-to-wheel-Wirkungsgrad, also der Anteil der Energie, der schliesslich auf die Strasse gebracht wird, liegt bei Volllast für HICEB und FCEB bei über 40%, wobei hier auch alle Umwandlungsverluste (Getriebe, bei FCEB auch Batterie etc.) berücksichtigt sind. Während ein FCEB diesen Wirkungsgrad fast über den gesamten Drehzahlbereich des Motors ausnutzen kann, hat ein HICEB einen geringeren durchschnittlichen Wert, da der Wirkungsgrad bei niedrigen Drehzahlen fast linear abfällt. Ein batteriebetriebener, rein elektrischer Bus (battery electric bus – BEB) hat dagegen einen Wirkungsgrad von über 70%.
Weitere Unterschiede findet man beim Leergewicht, wo FCEB heute noch allgemein und BEB aufgrund der Batterien etwas schwerer als Dieselbusse sind, sowie auch bei der benötigten Leistung für Hilfsantriebe, da FCEB und BEB zusätzlich mit einer Wärmepumpe ausgestattet sind, weil die Abwärme des Motors nicht zum Heizen ausreicht. Zudem wird für den BEB wegen der Batteriealterung eine Reservekapazität mitberücksichtigt. Die in der Studie verwendeten Parameter sind in Tabelle 1 zusammengefasst.
![<strong>Tabelle 1</strong> Verwendete Systemparameter [4].](files/content/news-articles/B_Artikel/Archiv/2022/2203/B_2203_Hutter_D/B_2203_Hutter_Tabelle_1.jpg)
Definition von Verbrauchsmodellen
Um den Bus vorwärts zu bewegen, muss der Motor eine Kraft aufbringen, die die verschiedenen in Bild 1 dargestellten Kräfte ausgleicht (oder bei einer Beschleunigung des Busses überwindet), insbesondere die fahrbahnparallele Komponente der Gravitationskraft sowie die Kräfte aufgrund des Luft- und Rollwiderstands. Der Motor muss auch die Energie liefern, die für den Betrieb der Hilfseinrichtungen (Kompressoren zum Öffnen der Türen, Bremsassistent usw.) erforderlich ist.
Zusätzlich zu diesen Elementen berücksichtigt das in der Studie verwendete Modell bei Batterieantrieben (BEB und FCEB) auch die Möglichkeit der Energierückgewinnung beim Bremsen oder Bergabfahren, beschränkt sich aber im Allgemeinen auf vereinfachte Annahmen. Beispielsweise wird das dynamische Verhalten des Motors – d. h. der Energieverbrauch des Motors in Abhängigkeit von seiner Drehzahl – nicht direkt berücksichtigt, sondern über die Wahl eines konstanten, von der Art der Fahrt abhängigen Wirkungsgrads einbezogen.
Das Modell zeigt, dass der Rollwiderstand, die Beschleunigungskraft sowie die Kraft, die benötigt wird, um die Gravitationskraft beim Auf- und Absteigen zu kompensieren, hauptsächlich vom Gewicht des Busses abhängt. Der Luftwiderstand und die Beschleunigungskraft werden durch das Beschleunigungsprofil bestimmt, das wiederum stark vom Höhenprofil, der Verteilung der Haltestellen auf der Buslinie, aber auch vom Verkehrsaufkommen und dem Fahrstil abhängt. Das Navig-Projekt hat gezeigt, dass Letzterer den Verbrauch beeinflusst, und zwar um bis zu 10%.
Um diese Abhängigkeiten adäquat zu berücksichtigen, wurden vier Referenzstrecken der Verkehrsbetriebe Freiburg TPF herangezogen. Diese Strecken beinhalten zwei typische Regionalverkehrslinien, die mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von ca. 40 km/h, einem Halt pro Kilometer und einer Tageskilometerleistung von 400 km charakterisiert sind, sowie zwei Ortsverkehrslinien mit 20 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit, drei Haltestellen pro Kilometer und einer Tageskilometerleistung von 250 km. Es sei angemerkt, dass die durchschnittliche Steigung, die auf den Referenzstrecken zwischen 1% und 2% variiert, nicht als Unterscheidungsmerkmal zwischen Regional- und Ortsverkehrslinien herangezogen werden kann.
Verbrauchsanalyse und Vergleich
Die Analyse des Verbrauchs für die Referenzfahrten zeigt, dass die Verteilung der verschiedenen Komponenten des Modells bei allen untersuchten Bustypen ähnlich ist. Der Energieverbrauch für Hilfseinrichtungen sowie der Luftwiderstand spielen nur eine untergeordnete Rolle im Gesamtenergieverbrauch, der vor allem durch die Beschleunigung und das Anheben des Busses bestimmt wird (Bild 2). Auf den ausgewerteten Referenzstrecken machen diese beiden Komponenten zusammen zwischen 64% und 72% des Gesamtenergieverbrauchs aus. Dies ist interessant, da diese Komponenten die potenziell rückgewinnbare Energie beim Bremsen, insbesondere bei der Talfahrt, bestimmen.

Der Einfluss des Gewichts und des Wirkungsgrads der unterschiedlichen Bustypen ist in Bild 3 exemplarisch für eine der Regionalstrecken dargestellt, wobei für die typische Beladung mit ca. 20% der vollen Kapazität gerechnet wird. Generell weist der HICEB wegen seines höheren Wirkungsgrads einen um ca. 8% geringeren Verbrauch als der Dieselbus auf. Der Brennstoffzellenbus benötigt durch die grössere Masse mehr Energie, was aber durch eine Regenerierungsrate von im Durchschnitt ca. 18% kompensiert wird. Der Energiebedarf ist beim FCEB ca. 15% (Regionalstrecken) bis 25% (Ortsstrecken) geringer als für einen Dieselbus, wobei diese Werte bei Volllast noch um einige Prozentpunkte höher liegen. Der FCEB ist damit immer etwas effizienter als der HICEB. Der BEB, bei dem im Schnitt ca. 28% der Gesamtenergie regeneriert werden können, benötigt rund 60% und somit 2,5 mal weniger Energie, was den Elektroantrieb zur weitaus effizientesten Technologie macht.

Die Reichweite ist auch ein wichtiger Parameter, besonders für Elektrobusse – in der Studie wurden Busse analysiert, die im Depot aufgeladen werden, in der Regel über Nacht für mehrere Stunden. Es hat sich gezeigt, dass Elektrobusse für die untersuchten Fahrten über Batterien mit sehr hoher Kapazität verfügen müssen und dass die derzeit erhältlichen maximalen Kapazitäten (etwa 600 kWh) für regionale Fahrten noch nicht ausreichen (Tabelle 2). Wasserstoffbusse weisen diese Einschränkung nicht auf und können daher Dieselbusse auf diesen Strecken direkt ersetzen.

Welcher Bus für welche Strecke?
Wasserstoffbusse können Dieselbusse direkt ersetzen und ermöglichen eine Reduktion des Energiebedarfs um 10% bis 30%. Kommerziell stehen heute meist Busse zur Verfügung, die mit Brennstoffzellen und kleinen Batterien im Bereich von bis zu 50 kWh zum Abgleich der Lastspitzen arbeiten. Aktuell sind in Europa rund 200 Busse in mehreren europäischen Städten unterwegs. Bezüglich Investitionskosten sind diese Busse heute noch dreimal so teuer wie Dieselbusse. Neben einer Preissenkung, die mit steigendem Volumen eintreten wird, gibt es bei den Brennstoffzellen noch Potenzial für technische Verbesserungen. Denn ihre Lebensdauer liegt derzeit bei 20'000 bis 30'000 Betriebsstunden: Sie müssen also während der Lebensdauer eines Busses mehrmals ausgetauscht werden.
Batteriebetriebene Elektrobusse verbrauchen deutlich weniger Primärenergie, werden aber aufgrund der heutigen Reichweitenlimitierungen bei vielen Schweizer Regionallinien nicht zum Einsatz kommen. Auch wenn davon ausgegangen werden kann, dass die rasch voranschreitende Batterieforschung weitere Fortschritte machen wird, werden Wasserstoffbusse für viele der rund 3000 Busse, die nur im regionalen Personenverkehr eingesetzt werden, zumindest kurzfristig die einzige Alternative zu Dieselbussen darstellen.
Zwei Kraftwerke mit 96 MW
Die Energiestrategie will die CO2-Emission komplett eliminieren. Um dieses Ziel im öffentlichen Verkehr mit Wasserstoffbussen umzusetzen, muss der Treibstoff aber ausschliesslich mit erneuerbarer Energie hergestellt werden. Wasserstoff, mit einem globalen Jahresbedarf von 70 Mio. t für die Industrie, wird heute fast nur aus fossilen Brennstoffen erzeugt. Die zurzeit technisch ausgereifteste kommerziell verfügbare Technologie, um sogenannten grünen Wasserstoff herzustellen, ist die Wasserelektrolyse. Die Proton-Austausch-Membran (PEM) Elektrolyse, die heute im grossindustriellen Ausmass betrieben wird, hat einen Wirkungsgrad von über 60%. Der für die Versorgung von 3000 regionalen Bussen nötige Energiebedarf kann mit den oben angeführten Parametern auf ca. 866 GWh pro Jahr abgeschätzt werden. Wenn man davon ausgeht, dass die restlichen 3000 Fahrzeuge als batteriebetriebene Elektrobusse für lokale Linien umgerüstet werden, werden dafür 280 GWh benötigt. Um diese Energie zu liefern, wird für jeden Bustyp ein Kraftwerk mit einer Leistung von etwa 96 MW benötigt. Ein Kraftwerk, das zur Herstellung von grünem Wasserstoff dient, muss dabei kontinuierlich laufen, während das Kraftwerk zum Aufladen der Batterien der Elektrobusse nur nachts laufen muss. Diese Zahlen spiegeln die Herausforderungen wider, welche für die Umsetzung der Energiestrategie gemeistert werden müssen.
Referenzen
[1] Fuel Cells and Hydrogen Joint Undertaking, «Mission and objectives».
[2] European Clean Hydrogen Alliance.
[3] BFE, «Abschätzung des Einsatz- und CO2-Reduktionspotenzials durch Busse mit nicht fossilen Antriebstechnologien und Fördermöglichkeiten – Grundlagestudie zum Postulatsbericht 19.3000», Bericht vom 12. Oktober 2020. pubdb.bfe.admin.ch/de/publication/download/10413
[4] A. Hutter, «Étude du potentiel de l’hydrogène dans les TP», projet du programme «Stratégie énergétique 2050 des transports publics (SETP 2050)» de l’Office fédéral des transports (OFT).
[5] V. Robatel, F. Vannel, «Développement d’un système embarqué dans les bus pour favoriser une conduite écologique», projet SETP 2050 P-084 Navig, 12 janvier 2021.
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