Wasserkraft in der Feuerprobe
VSE-Wasserkrafttagung vom 22. August 2019
Gefordert durch die Energiestrategie, belastet durch unzeitgemässen Wasserzins: Die Wasserkraft in der Schweiz geht durch eine harte Prüfung. An der Wasserkrafttagung des VSE vom 22. August 2019 in Olten wurde die wichtigste Energieform der Schweiz aus interdisziplinärer Sicht diskutiert.
Die Strompreise an den europäischen Märkten sind in den letzten Jahren deutlich gefallen, was alle Wasserkraftproduzenten vor grosse Herausforderungen stellt. Wenn die Einnahmen unter den langjährigen Durchschnittskosten liegen, blutet die Wasserkraft aus. Der beträchtliche Ausbau, wie von der Energiestrategie gefordert, wird behindert – während die Konkurrenz durch andere Erneuerbare stetig zunimmt.
Prof. Dr. Hannes Weigt von der Forschungsstelle für Nachhaltige Energie- und Wasserversorgung der Uni Basel ging an der Wasserkrafttagung auf das Dilemma ein. Ein Fazit war, dass die Wasserkraft einen Weg finden muss, den Wert ihrer Flexibilität zu monetarisieren. Die Fähigkeit, auf die jahreszeitlichen, täglichen und sogar minütlichen Schwankungen des Stromverbrauchs reagieren zu können, ist ihre grosse Stärke – die derzeit aber nur bedingt in zusätzliche Gewinne umgemünzt werden kann. Demgegenüber ist die Langlebigkeit von Staudämmen und Turbinen in einem unsicheren Marktumfeld eher eine Schwäche, weil sie grosse und langfristige Investitionen erfordert. Kleinteilige Solar- und Windparks mit ihrer kürzeren Lebensdauer haben dort einen Vorteil.
Wie kann die Wasserkraft konkurrenzfähiger werden? Investoren von Wasserkraftprojekten sollten gemäss Weigt nach dem Motto «gross denken, klein beginnen» zunächst kleine Installationen durchführen und sich Optionen für spätere Ausbauten offenhalten. Auch die Flexibilisierung des Wasserzinses, wie sie der VSE vehement fordert, wurde diskutiert.
Nur mit einer umfassenden Nachhaltigkeitsbewertung der Wasserkraft liessen sich widerstreitende Interessen auflösen und der «soziale Nettobarwert» von Wasserkraftprojekten ermitteln, so Weigt. Denn Wasserkraft ist ja viel mehr als nur saubere und erneuerbare Energie – sie ist ein Exportwert, ein Tourismus- und Infrastrukturfaktor sowie ein Arbeitgeber.
Alternative zum Wasserzins? Das Erfolgsmodell Norwegen
Norwegen, notabene Westeuropas grösster Exporteur von Erdgas und Erdöl, stellt 95 % seines Stroms aus Wasserkraft her – kennt aber keinen Wasserzins. Wie das geht, zeigte Romano Wyss von der Ecole polytechnique fédérale de Lausanne (EPFL) auf. Eine Ressourcenrentensteuer für Grosskraftwerke ist der zentrale Pfeiler des Systems. Lizenzen für Wasserkraftwerke erhalten nur staatliche Unternehmen, Gemeinden und Distrikte sowie Unternehmen, bei denen öffentliche Einrichtungen mindestens zwei Drittel des Kapitals und der Stimmen in der Gesellschaft halten. Gemeinden und Distrikten kommt eine gewisse Rolle bei der Gewinnverteilung zu, der Zentralstaat ist Hauptbegünstigter des Systems.
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