Wärmedurchblick mit dem ThermoPlaner3D
Daten für Investitionsentscheide
Die Suche nach Sanierungspotenzialen bei Gebäuden ist auf eine grossflächige und detaillierte Gebäude-Energiebeurteilung auf Basis hochaufgelöster Thermalaufnahmen angewiesen. Solche Thermalaufnahmen ermöglichen nun die Erstellung von Energieverbrauchskarten und Wärmekatastern in Stadt-, Gemeinde- und Energieversorgungsgebieten.
Die Energiewende im Gebäude ist beschlossen, bleibt aber eine Herausforderung, denn entsprechende Investitionsentscheide, wie klimafreundliche Heizungssysteme oder energetische Gebäudesanierungen benötigen eine gute Grundlage. Das von Innosuisse geförderte, laufende Forschungsprojekt ThermoPlaner3D, hat zum Ziel, Informationen zur Wärmeverbrauchsdichte effizient zu erarbeiten und so fundierte Grundlagen für Investitionsentscheide bereitzustellen. Considerate AG und BSF Swissphoto AG arbeiten mit dem Institut Geomatik der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) und dem Institute of Computational Physics der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) zusammen, um hochaufgelöste Thermalaufnahmen aus der Luft zukünftig automatisch zu verarbeiten und relevante Informationen über die Gebäudedächer und Fassaden abzuleiten. Diese werden dann zu Aussagen über das Gesamtgebäude zusammengefasst. Damit stehen Liegenschaftsbesitzern detaillierte Informationen über ihre Gebäude zur Verfügung, die sie zukünftig auch mit eigenem Wissen ergänzen können. Energieversorgungsunternehmen nutzen die Übersichten über grössere Gebiete für die räumliche und zeitliche Priorisierung von Fernwärme-Netzausbauten oder die Planung von Wärme-Contracting-Angeboten. Betreiber von Fernwärmenetzen können die erfassten Daten verwenden, um Schwachstellen an der Isolation oder Leckagen der Leitungen ausfindig zu machen.
Hochaufgelöste 3D-Thermalluftbilder als Grundlage
Heutzutage werden Analysen der aktuellen Wärmeverbrauchsdichte oft aufwendig aus lückenhaften und allenfalls veralteten Verbrauchs- und Gebäudedaten erstellt. Das kanadische Unternehmen MyHeat (myheat.ca) hat schon vor einigen Jahren begonnen, Thermalluftbilder von Dachlandschaften zu analysieren und die Gebäude bezüglich ihres Wärmeverlusts auf einer achtstufigen Skala zu beurteilen. Die Karten der analysierten Städte ermöglichen es, die Dachanalyse der eigenen Liegenschaft anzuschauen sowie diese mit ähnlichen Dächern in der Nachbarschaft zu vergleichen und Energiespartipps zu erhalten.
ThermoPlaner3D nutzt als Grundlage zudem mit einem Vermessungsflugzeug erfasste Thermalaufnahmen (Bild 1). Zusätzlich zu den hochaufgelösten Senkrecht-Aufnahmen der Dächer (mittlere Bodenauflösung von 25 cm) werden während der Befliegung gleichzeitig mit zusätzlichen schräg eingebauten Thermalkameras die Fassaden der Gebäude erfasst (Bild 2). Die Thermalaufnahmen müssen während der Heizperiode und idealerweise in den Nachtstunden durchgeführt werden, damit sich die Gebäude nicht einseitig durch die Sonneneinstrahlung aufheizen und somit die Daten verfälschen. Für die grossflächige, hochaufgelöste und effiziente Datenerfassung in kurzen Zeitfenstern ist die Thermalaufnahme aus dem Flugzeug den heute vielfach für die Beurteilung von Einzelgebäuden eingesetzten Drohnenaufnahmen überlegen.
Einflüsse der lokalen Mikroklimate
Lokale Charakteristiken einer Siedlung haben einen Einfluss auf die erfassten Dach- und Fassadentemperaturen. So kann zum Beispiel ein von Mehrfamilienhäusern umschlossener grüner Spielplatz mit Bäumen die umliegenden Fassaden kühlen, während die lokale Wärmeinsel einer grossen Strassenkreuzung die umliegenden Gebäudefassaden erwärmt. Mikroklimate müssen bei der Evaluation der Gebäudetemperaturen berücksichtigt werden, damit auch Dächer und Fassaden von verschiedenen Stadtgebieten mit unterschiedlichem Mikroklima miteinander verglichen werden können. Die Mikroklimate eines Aufnahmegebiets wurden im ThermoPlaner3D-Projekt auf der Basis des Turn-Algorithmus [1] berechnet und detektiert. Grundsätzlich wird angenommen, dass das Strassennetzwerk gleiche oder zumindest sehr ähnliche Eigenschaften über das ganze Gebiet aufweist. Wird nun an zufällig verteilten Orten auf den Strassen die erfasste Temperatur verglichen, kann davon ausgegangen werden, dass Unterschiede in der Temperatur auf lokale Kälte- oder Wärmeinseln zurückzuführen sind. Mit diesem Verfahren lassen sich Mikroklimate eines Gebiets zum Aufnahmezeitpunkt ermitteln (Einstiegsbild). Die Methode kann verwendet werden, um die abgestrahlten Temperaturen der Dächer und Fassaden zu Vergleichszwecken zu korrigieren.
Auswertung der Gebäudethermalaufnahmen
Die erfassten Thermalaufnahmen der Gebäudedächer und -fassaden zeigen die abgestrahlte Temperatur der jeweiligen Oberfläche zum Aufnahmezeitpunkt. Diese indirekt durch Infrarotstrahlung gemessene Temperatur setzt sich aber nicht nur aus der Strahlung der Gebäude, sondern beispielsweise auch aus der Atmosphärentemperatur und Reflektionen der Umgebung zusammen. Einen erheblichen Einfluss auf die abgestrahlte Temperatur der Gebäude hat insbesondere die Materialeigenschaft der erfassten Oberfläche. So reflektieren z. B. metallische Oberflächen mehrheitlich die Himmelstemperatur, die in klaren Winternächten im zweistelligen Minusbereich liegen kann. Zusätzlich müssen die Steilheit und Ausrichtung der Dächer und Fassaden berücksichtigt werden, da trotz Nachtflug die Süd- und Westfassaden nach einem sonnigen Tag den Einfluss der aufgenommenen Sonnenwärme deutlich zeigen. Die Informationen zu Materialien, Ausrichtung und Steilheit werden aus vorhandenen oder zusätzlich erfassten RGB- und Lidar-Daten extrahiert.
Bevor aber Aussagen zu den Wärmeverlusten der Gebäude gemacht werden können, werden beeinflussende Elemente wie Kamine, Solaranlagen oder Dachfenster detektiert, um sie zu entfernen oder gesondert zu betrachten. Die Detektion geschieht mittels automatischer Bildklassifikation, welche gleichzeitig auch für die Materialerkennung der Dachelemente eingesetzt wird. Aktuell sind im Projekt ThermoPlaner3D die Prozesse für die Korrektur und Auswertung der Dachflächen mehrheitlich entwickelt. Die resultierenden Aussagen zu Wärmeverlusten wurden unter anderem mit dem Gasverbrauch der Gebäude verglichen, um eine grobe Validierung machen zu können. Der Gasverbrauch hängt aber natürlich von einer Reihe von Faktoren ab, wie z. B. der Warmwassererzeugung, die nicht direkt mit einem Wärmeverlust über die Dachfläche zusammenhängt. Trotzdem wurde eine überzeugende Korrelation zwischen dem Gasverbrauch und der analysierten Dachtemperatur festgestellt.
Einige Einflussfaktoren sind bei der flächendeckenden Auswertung jedoch schwierig zu berücksichtigen. Sollte ein Gebäude während der Befliegung beispielsweise leer stehen, aufgrund von Abwesenheit unbeheizt sein, oder einen unbeheizten Dachstock haben, könnte es fälschlicherweise als gut isoliert eingestuft werden. Des Weiteren können über- oder unterdurchschnittliche Raumtemperaturen die Auswertung beeinflussen. Schon mit wenigen Informationen der Bewohnerinnen und Bewohner der Liegenschaften könnten diese Ungenauigkeiten jedoch korrigiert und eine detailliertere Gesamtaussage zum Energieverlust über die Gebäudehülle gemacht werden.
Zusätzlich zu den Auswertungen der Gebäudedächer werden in den nächsten Monaten die Prozesse für die Auswertung der thermalen Fassadenaufnahmen evaluiert und die Erkenntnisse zu Gesamtaussagen über die analysierten Gebäude zusammengefasst.
Integration der Informationen und Kommunikation
Die Auswertungen der Thermalaufnahmen der Dächer und Fassaden liefern detaillierte, aber zeitlich auf den Aufnahmezeitpunkt beschränkte, Informationen zu möglichen Wärmeverlusten. Dies genügt, um im Vergleich mit ähnlichen Bauten eine relative Gesamteinschätzung zum Sanierungsbedarf zu machen. ThermoPlaner3D wird zusätzlich prototypisch eine Plattform entwickeln, die Liegenschaftsbesitzern die detaillierten Auswertungen der Thermalaufnahmen ihres jeweiligen Gebäudes interaktiv erläutert und ihnen auch die Möglichkeit gibt, diese Information mit eigenem Wissen zu ergänzen, um die thermale Gebäudemodellierung und die dargestellten Resultate zu verfeinern. Dies wurde bereits in Interviews mit interessierten Personen in einem der Projektaufnahmegebiete diskutiert. Schon die Ergänzung von einzelnen Aspekten kann die Resultate erweitern, oder erlauben, zukünftige Einsparmöglichkeiten zu erkunden. Die Interviews zeigen auch, dass die aus den Thermalaufnahmen abgeleiteten Informationen interessant und relevant sind. Der Zweck solcher Thermaldaten und deren Auswertung soll nicht die Kontrolle des Energieverbrauchs der Bürgerinnen und Bürger sein. Vielmehr dienen sie den Liegenschaftsbesitzenden dazu, eine grobe Einsicht in den Isolationsstandard ihres Gebäudes zu erhalten und potenzielle Anreize für Renovierungsmassnahmen zu schaffen.
Das Projekt ThermoPlaner3D wird im Sommer 2024 abgeschlossen und ist bestrebt, die Prozesse und Erfahrungen anschliessend in kommerzielle Produkte zu überführen. Im Winter 2023/24 besteht nochmals die Möglichkeit, sich als Projektgemeinde oder Energieversorger an einem Thermalflug zu beteiligen und so mitzuhelfen, die entwickelten Prozesse zu verfeinern und zu validieren.
Referenz
[1] M. M. Rahman, G. J. Hay, I. Couloigner, B. Hemachandran, «Transforming image-objects into multiscale fields: A GEOBIA approach to mitigate urban microclimatic variability within H-Res thermal infrared airborne flight-lines», Remote Sensing, 6(10), 9435–9457, 2014.
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