Meinung Electrosuisse , Energienetze

Verteidigungs-Engineering

Damit das Ergebnis zählt

02.02.2019

Ich bediene mich des Titels eines guten Artikels von A.  Pederzani, der kürzlich in der Tessiner Presse erschien. Der Autor argumentiert, dass sich auch in den Ingenieurswissenschaften die aus der Medizin bekannte Praxis breitmacht, bei der als Ziel die Risiko­minimierung für den Arzt steht, statt die Heilung des Patienten. Es wurde geschätzt, dass die durch diese Praxis verursachten unnötigen Aufwände 35 % der Gesundheitskosten in den USA betragen!

Die Vorstellung, dass diese Methode auch auf andere Felder in unseren Breitengraden überschwappt, ist nicht so abwegig. Diejenigen, die den Film «Sully» über den Piloten sahen, der es schaffte, ein beschädigtes Flugzeug auf dem Hudson River zu «landen» und alle Passagiere zu retten, um dann beschuldigt zu werden, dabei die Regeln nicht befolgt zu haben, konnten nicht umhin, sich zu ­fragen, ob die Vorschriften und ihre pedantische Anwendung oder das Ergebnis mehr zählen. Diese sich auch in der Schweiz verbreitende Art der Gerechtigkeit trägt nicht dazu bei, eine Kultur des Fehler­managements zu entwickeln, die viel effizienter ist als die der Bestrafung. Kurz gesagt, das kontinuierliche Wachstum von Regeln und Formalismen birgt die Gefahr, die Kreativität und die Exzellenz der Ergebnisse zu verunmöglichen.

Dies ist jedoch nicht immer die Schuld des Gesetzgebers. Auch die Designer, die Industriellen und nicht zuletzt die Nutzer spielen hier eine grosse Rolle. Letztere erwarten zunehmend «exemplarische Strafen» in Fällen, in denen das Ergebnis einer Leistung nicht den Erwartungen entspricht.

Noch schlimmer ist jedoch die Tatsache, dass dieselben Betreiber auf die erhöhten Risiken reagieren, indem sie noch mehr Regeln, Verfahren und neue Kontrollinstanzen fordern oder selbst schaffen. Leider geschieht all dies manchmal in der Hoffnung, den eigenen Markt zu schützen oder die Gewinne zu halten. All dies auf Kosten von Innovation, Effizienz, der Kosten und schliesslich der Wettbewerbsfähigkeit einer ganzen Branche.

Während die wilde Deregulierung die Risiken erhöhen kann, hilft selbst eine Überregulierung nicht, sie zu reduzieren! Vielmehr beschränkt sie die Eigenverantwortung und das intelligente Management.

Autor
Pier Angelo Ceschi

leitet die Technikabteilung der SES.

  • Società Elettrica Sopracenerina, 6600 Locarno

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