Fachartikel Energiemarkt , IT für EVU

Vermarktung auf digitalen Plattformen

Chancen der Digitalisierung für EVUs

26.01.2021

Wer sind die potenziellen Kunden für Ladesäulen, Wärmepumpen, PV-Zubau oder ZEV-Lösungen? Um dies herauszufinden, unterstützen digitale Plattformen die zielgerichtete Vermarktung von Produkten und Dienstleistungen.

Die Digitalisierung bei den Energieversorgern (EVUs) schreitet nur gemächlich voran, obwohl die digitale Transformation auch in der Energiewirtschaft ein zentraler Treiber für Wachstum und die Erschliessung neuer Geschäftsfelder ist. Zwar lösten die mit der Covid-19-Pandemie einhergehenden Einschränkungen des Alltags- und Arbeitslebens einen kleinen Digitalisierungs-Schub aus, da vermehrt im Homeoffice gearbeitet wird. Doch Digitalisierung bedeutet nicht nur die Nutzung von Zoom oder Teams oder das Platzieren eines Bestellformulars auf der Website. Digitalisierung umfasst vielmehr das Digitalisieren und Optimieren von bestehenden Prozessen und damit die digitale Kundeninteraktion und die Interpretation von Kunden- und Betriebsdaten. Diese digitalen Grundlagen bilden wiederum die Basis von neuen digitalen Geschäftsmodellen.

Studie zeigt Defizite bei der Digitalisierung

Eine aktuelle Studie zum Stand der Digitalisierung die von den Verbänden BDEW (Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft), VSE und OE (Österreich Energie) mit Kearney durchgeführt wurde, zeigt, dass bei den EVUs noch grosser Handlungsbedarf besteht. Insbesondere bei der Nutzung digitaler Prozesse für eine optimierte Kundenbetreuung und -beratung und bei der Analyse von Kunden- und Betriebsdaten besteht noch viel ungenutztes Potenzial.

Nur 11% der EVUs im deutschsprachigen Raum nutzen gemäss der Studie Datenanalysen, unter anderem, da die Fähigkeiten der Mitarbeitenden in Bezug auf Datenanalyse noch ausbaubar sind. Generell bewertet die Studie den Stand der untersuchten EVUs im Bereich Digitalisierung mit nur 30 bis 40 Punkten von 100 möglichen. Dies widerspiegelt sich auch in der Zufriedenheit der EVUs: Nur 18% der befragten EVUs sind mit dem Grad ihrer Digitalisierung zufrieden.

Big Data liefert wertvolle Kundeninformationen

Die Analyse digitaler Informationen zu Kundenbedürfnissen bietet EVUs aber enormes Potenzial für die zielgerichtete Vermarktung von Produkten und Angeboten. Allerdings müssen die Energieversorger ihren Grundversorgungsauftrag strikt von allen anderen kommerziellen Tätigkeiten trennen. Sie dürfen somit die Adressen der Grundversorgungskunden nicht für die Produktvermarktung verwenden. Mit dieser Trennung zwischen den Aktivitäten im Monopol und im freien Markt tun sich viele Energieversorger schwer.

Digitale Plattformen, die beispielsweise Gebäude-, Energie- und Mobilitätsdaten sowie soziodemografische Informationen verknüpfen und mit künstlicher Intelligenz ergänzen, können hier Abhilfe leisten. Sie ermöglichen, Produkte und Angebote des freien Marktes, wie Ladesäulen, Wärmepumpen, Anschluss an Fernwärmenetze, PV-Anlagen oder ZEV-Lösungen, potenziellen Kunden anzubieten.

Moderne Marketing-Instrumente wie Google-Ads-Kampagnen, Mailings und Kampagnen via soziale Medien wie Twitter oder LinkedIn können auf einfache Weise an solche digitale Plattformen angebunden werden.

Energie Service Biel/Bienne (ESB) beispielsweise nutzt eine solche Plattform (Swiss Energy Planning) innerhalb ihrer PV-, ZEV- und Fernwärme-Kampagne. Dafür wurden eigene Landing Pages lanciert. Mittels Google Ads werden Kunden auf das Angebot von ESB aufmerksam gemacht und können dank der Plattform auf Knopfdruck die Eignung für ein Produkt an ihrem Standort ermitteln und den Beratungsprozess starten.

Internet-Sensoren entdecken Kundenwünsche

Zusätzlich können an solche Plattformen Internet-Sensoren angebunden werden, die dem Verteilnetzbetreiber standortgenau mitteilen, welche Kunden gerade im Verteilnetzgebiet online nach einer Wärmepumpe, Ökostrom, ZEV-Lösungen etc. suchen. Diese Kunden können damit vom Versorger ohne Streuverlust angesprochen werden.

Gerade weil viele EVUs laut der erwähnten Studie eine unstrukturierte Datenablage und zudem kaum geschultes Personal für die Datenanalyse haben, können solche von externen Partnern angebotenen Plattformen helfen, schweizweit die am besten geeigneten, potenziellen Standorte und Kunden-Gruppen für spezifische Produkte und Dienstleistungen zu ermitteln. Sie können beispielsweise aufzeigen, wo die über 16'000 grossen Tiefgaragen von Mehrfamilienhäusern in der Schweiz liegen, die für Ladestations-Betreiber interessant wären, oder wo die rund 67'000 Grundstücke mit mehr als zehn Haushalten und hohem PV-Potenzial liegen oder wo in nächster Zeit ein Heizungsersatz ansteht. Diese Informationen können per Knopfdruck adressscharf angezeigt werden, inklusive Informationen, wem die Liegenschaft gehört, wer dort wohnt und wie solvent die Bewohner sind.

Autor
Dr. Gian Carle

ist Inhaber der Carle Energy Consulting.

  • Carle Energy Consulting, 8700 Küsnacht

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