Vergleich neuer Trafotechnologien
Verteilnetze sollen flexibler werden
Im Rahmen der Energiestrategie 2050 wird erwartet, dass die Energieproduktion zunehmend dezentralisiert (PV) und eine Elektrifizierung der individuellen Mobilität stattfinden wird. Dies stellt hohe Anforderungen an die regionalen Verteilnetze bezüglich Belastung und Spannungsstabilität. Neue Trafotechnologien könnten hier wichtige Dienste leisten.
Um die Verteilnetze für künftige Herausforderungen zu rüsten, werden diverse Massnahmen diskutiert, u. a. ein Ausbau der Netze, intelligente Last- und Erzeugersteuerungen oder der Einsatz neuer Transformatortechnologien auf Netzebene 6 (zwischen Mittel- und Niederspannung). Bezüglich der Spannungsstabilität werden heute die folgenden drei Transformatortechnologien diskutiert:
- Regelbarer Ortsnetztransformator (Ront) (Einstiegsbild)
- Hybrider Transformator (HT), d. ein konventioneller Trafo mit leistungselektronischer Erweiterung
- Rein leistungselektronischer Trafo (engl. Solid-State Transformer, SST)
Alle diese Transformatoren können die Spannung auf Netzebene 7 (Niederspannungsnetz) beeinflussen. Zudem können mit dem HT und dem SST Blindleistungsflüsse auf Netzebene 5 (Mittelspannungsnetz) und damit das Spannungsniveau zu einem gewissen Grad beeinflusst werden. Als Nachteile dieser Technologien gegenüber herkömmlichen Ortsnetztransformatoren werden die höhere Komplexität, die geringere Verlässlichkeit und der niedrigere Wirkungsgrad genannt. Die Wirkungsgrade der Transformatoren hängen unterschiedlich stark vom Betriebspunkt bzw. von der Auslastung ab und wurden daher in der hier vorgestellten Studie untersucht. Der HT und der SST befinden sich noch im Entwicklungsstadium, weshalb keine Erfahrungswerte für den Einsatz als Verteilnetztransformator in realen Netzen vorliegen.
Am Institut für Elektrische Energietechnik der Fachhochschule Nordwestschweiz wurde im Auftrag des Bundesamts für Energie untersucht, welche Wirkungsgrade für die neuartigen Transformatortechnologien in einer realen Schweizer Netzumgebung zu erwarten sind. Anhand von Lastflusssimulationen wurde untersucht, wie sich der Einsatz der neuen Technologien auf die Gesamtverluste des Systems Transformator + Netz auswirkt. Die Untersuchung wurde für ein Gegenwarts- und zwei Zukunftsszenarien durchgeführt, die sich in der Marktdurchdringung von PV-Anlagen und Elektromobilität unterscheiden. Zudem wurde untersucht, wie viele PV-Anlagen die Netze aufnehmen können, bis Spannungsgrenzwerte verletzt oder Leitungen überlastet werden.
Als Grundlage dienten eher ländliche Netze aus dem Netzgebiet Wohlen bei Bern der BKW Energie AG. Die zugehörigen Lastprofile der Verteilnetztransformatoren wurden über ein Jahr gemessen (August 2017 bis Juli 2018) und für die Studie zur Verfügung gestellt. Für die Transformatoren, speziell HT und SST, wurden anhand von Literaturdaten Modelle erstellt.
Die verglichenen Technologien
Im untersuchten Mittelspannungsnetz sind in allen 39 Abgängen konventionelle Ortsnetztransformatoren (ONT) mit einer fixen Spannungsübersetzung im Einsatz. Sie zeichnen sich durch einen hohen Wirkungsgrad bis über 99%, ihre einfache Bauweise und hohe Zuverlässigkeit aus. Bei sehr tiefer Auslastung dominieren die Leerlaufverluste (Eisenverluste), mit zunehmender Auslastung fallen verstärkt die Leitungsverluste (Kupferverluste) ins Gewicht.
Der regelbare Ortsnetztransformator (Ront) funktioniert gleich wie der ONT, kann jedoch zusätzlich die Spannung im belasteten Zustand über einen Stufenschalter variieren. Steigt der Verbrauch in einem Netz stark an, kann durch Erhöhung der Spannung auf der Unterspannungsseite des Trafos die geforderte Spannung beim Verbraucher länger eingehalten werden. Bei einem Ront fallen ähnliche Verluste wie bei einem ONT an. Ein Nachteil gegenüber dem ONT ist die erhöhte Komplexität durch den Stufenschalter, was die Zuverlässigkeit reduzieren kann.
Der rein leistungselektronische Transformator (SST) unterscheidet sich fundamental von einem ONT. Er besteht aus je einem AC/AC-Konverter auf der Primär- und Sekundärseite, sowie einem Mittelfrequenztransformator mit galvanischer Trennung (Bild 1). Die höhere Frequenz ermöglicht eine kompaktere Bauweise des Transformators. Der SST bietet Möglichkeiten zur Beeinflussung von Spannung, Spannungsqualität, Strom oder (Blind-)Leistungsfluss. Die Primär- und Sekundärseite sind bezüglich Frequenz und Phasenlage von Strom und Spannung komplett voneinander entkoppelt. Industrielle Prototypen erreichen gemäss [1] im besten Arbeitspunkt einen Wirkungsgrad von bis zu 97%. Bei tiefen Auslastungen nimmt der Wirkungsgrad jedoch ab.
Der hybride Transformator (HT) ist eine Kombination aus einem konventionellen ONT und einem SST. Der leistungselektronische Teil besteht in einer möglichen Topologie aus einem AC/AC-Konverter mit DC-Zwischenkreis. Der Konverter befindet sich an der Tertiärwicklung des konventionellen Transformatorteils. Ausgangsseitig ist der Konverter in Serie mit der Sekundärwicklung des konventionellen Transformatorteils verbunden, wodurch sich die Spannungen addieren (Bild 1). Je nach Dimensionierung der Leistungselektronik ermöglicht der HT auf der Unterspannungsseite eine Regelung der Nennspannung um z. B. ±10%. Zudem ist es möglich, durch Blindleistungseinspeisung die Spannung auf der Oberspannungsseite zu beeinflussen. Gegenüber dem SST hat der HT den Vorteil, dass nur ein Teil der Leistung über die Leistungselektronik transformiert wird. Dadurch fällt nur für diesen Teil ein gegenüber dem ONT erhöhter Energieverlust an.
Die untersuchten Szenarien
Das Gegenwartsszenario «Ausgangslage» basiert auf den gemessenen Lastprofilen des genannten Zeitraums. Das erste Zukunftsszenario «ES2050» widerspiegelt die Energiestrategie des Bundes und beinhaltet eine schweizweite PV-Produktion von 11 TWh wie auch einen Zusatzbedarf der E-Mobilität von 6 TWh. Diese Energien wurden proportional zur Bemessungsleistung der speisenden Transformatoren auf die bestehenden Netze heruntergebrochen. Das zweite Zukunftsszenario «Swissolar» beschreibt ein extremeres Zubauszenario für Photovoltaik in der Schweiz mit 30 TWh. Es basiert auf einer Ausbaustudie des Branchenverbands Swissolar, welche die Schnittmenge zwischen dem technischen, wirtschaftlichen und dem gesellschaftlichen Potenzial für Photovoltaik quantifiziert.[2] Der Zusatzbedarf durch die E-Mobilität wurde für dieses Szenario mit 7,5 TWh festgelegt. Die Prognosen für die Elektromobilität wurden aus der Studie [3] abgeleitet.
Um die Möglichkeit der Blindleistungsbereitstellung von PV-Wechselrichtern zu berücksichtigen, wurden die beiden Szenarien «ES2050» und «Swissolar» in jeweils zwei Varianten (mit und ohne Blindleistungsbereitstellung) untersucht.
Netz- und Trafoverluste
Die Netzverluste sind von den Strömen in den Leitungen abhängig. Sie steigen somit in den untersuchten Zukunftsszenarien durch die höhere mittlere Auslastung der Leitungen an. Die Effizienz der Transformatoren hängt von der Technologie ab, steigt jedoch grundsätzlich mit der Auslastung bis zu einem gewissen Punkt an. Die Zusatzfunktionen wie die Spannungsregelung von HT und SST verursachen zudem zusätzliche Verluste im jeweiligen Transformator. In Bild 2 sind die relativen Verluste für die verschiedenen Transformatortechnologien und Szenarien dargestellt. Auffallend sind die deutlich höheren Verluste für den SST in allen Szenarien, was auf die vergleichsweise tiefere Effizienz dieser Technologie zurückzuführen ist. Tabelle 1 enthält weitere Details.
Maximale PV-Leistung
Bild 3 zeigt die Aufnahmefähigkeit für PV-Anlagen aus Perspektive der Netzebene 5 (Mittelspannungsnetz). Es wird klar, dass die Trafotechnologie einen grossen Einfluss auf die maximal installierbare PV-Leistung hat. Die Vorgabe einer Blindleistungskennlinie für PV-Wechselrichter wirkt sich für ONT/Ront sowie HT positiv auf die erreichbare Aufnahmekapazität aus.
Begrenzend für die installierbare Leistung sind entweder das erlaubte Spannungsband (gemäss Betreiber 0,98 – 1,06 p. u.) oder die Auslastung der Mittelspannungsleitungen. Bei ONT und Ront ist der begrenzende Faktor unabhängig von der Blindleistungsbereitstellung das Spannungsband. Beim HT ohne Blindleistungsbereitstellung wird ebenfalls zuerst das Spannungsband verletzt, während mit Blindleistungsbereitstellung die Leitungen limitierend wirken. Beim SST sind unabhängig von der Blindleistungsbereitstellung die Leitungen der limitierende Faktor.
Die maximale Aufnahmekapazität von PV-Anlagen aus Sicht der Netzebene 7 (Niederspannungsnetz) hängt stark von der Verteilung der Anlagen im Netz ab. Bei einer gleichmässigen Verteilung kann in den untersuchten Netzen mit den bestehenden Transformatoren bereits das Szenario «ES2050» erreicht werden. Sind die Anlagen jedoch ungleichmässig verteilt, was eher der Realität entspricht, kann das Szenario nur durch den Einsatz von regelbaren Transformatoren (Ront, HT oder SST) erreicht werden.
Der Einsatz von regelbaren Trafos würde in den untersuchten Netzen sogar einen Ausbau gemäss dem Szenario «Swissolar» ermöglichen, auch wenn die PV-Anlagen inhomogen im Netz verteilt sind.
Weitere Erkenntnisse
Die Erkenntnisse dieser Studie gelten für das untersuchte Mittelspannungsnetz mit einzelnen daraus versorgten Niederspannungsnetzen. Sie gelten somit nicht ohne Weiteres für andere Netze in der Schweiz, können aber vor allem für eher ländlich geprägte Netzgebiete als Anhaltspunkt dienen.
- Mittelfristig besteht kein Bedarf, flächendeckend spannungsgeregelte Transformatoren auf Netzebene 6 einzuführen. Die Auslegung der Verteilnetze sowie die herkömmliche Transformatortechnologie reicht vielerorts aus, um die Zubauziele der Energiestrategie 2050 ohne substanzielle Netzverstärkungsmassnahmen zu erreichen.
- Der hybride Transformator ist eine Alternative zur heute verbreiteten Ront-Technologie, denn er bietet bei vergleichbaren Verlusten dieselbe Erweiterung der Aufnahmekapazität für PV-Anlagen im Niederspannungsnetz. Zudem ermöglicht er im Unterschied zum Ront die Entlastung des Mittelspannungsnetzes bezüglich der erlaubten Spannungsbänder durch die gezielte Aufnahme von Blindleistung. Er erhöht somit dessen Aufnahmekapazität für PV-Anlagen. Voraussetzung für den Einsatz von HT ist eine hohe Zuverlässigkeit und Effizienz der Leistungselektronik. Das Konzept befindet sich noch im Entwicklungsstadium und die Praxistauglichkeit muss im realen Betrieb in einem Verteilnetz noch untersucht werden.
- Neben der Möglichkeit, die Netzaufnahmekapazität für PV-Anlagen auszuweiten, gibt es noch andere Gründe, welche für die Wahl eines leistungselektronischen Transformators (HT oder SST) sprechen. Die Leistungselektronik ermöglicht die Implementierung zusätzlicher Funktionalitäten wie z. B. der aktiven Filterung von Harmonischen im Netz oder eines Ausgleichs von asymmetrisch belasteten Phasen. Die Vorteile solcher Funktionen können u. U. auch den negativen Aspekt erhöhter Transformationsverluste überwiegen.
- In den untersuchten Szenarien bringen vor allem PV-Anlagen die Mittel- und Niederspannungsnetze an ihre Grenzen. Die Elektromobilität hat sich nicht als kritisch erwiesen, wobei keine Schnellladestationen (> 22 kW) betrachtet wurden.
- Der flächendeckende Einsatz spannungsgeregelter Transformatoren auf Netzebene 6 in einem regionalen Verteilnetz ermöglicht es, die Spannungsbänder im Mittelspannungsnetz nach anderen Grundsätzen auszulegen. Es wäre möglich, die Spannungsbänder im Last-, aber auch Einspeisefall auszuweiten, da alle Transformatoren auf Netzebene 6 grössere Abweichungen von der Nennspannung ausgleichen können. Dies eröffnet dem Netzbetreiber neue Möglichkeiten im Netzbetrieb.
Referenzen
[1] J. W. Kolar, J. W. Huber, «Applicability of Solid-State Transformer in Today’s and Future Distribution Grids», in IEEE Transactions on Smart Grid, 2017.
[2] J. Remund, Solarpotenzial Schweiz, Meteotest, 2017.
[3] P. de Haan, R. Zah, Chancen und Risiken der Elektromobilität in der Schweiz, VDF-Hochschulverlag, 2013.
Literatur
Die Studie ist online frei verfügbar unter:
www.aramis.admin.ch/Texte/?ProjectID=40310
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