Interview Energieeffizienz , ICT

Unterbruchsfreier Betrieb auch ohne Strom aus dem Netz

Stromkontingentierung

26.08.2022

Vor einem Jahr wurden die Grossverbraucher dazu aufgerufen, sich auf eine Strommangellage und allfällige Kontingentierungen vorzubereiten. Im Interview erklärt Fred Wenger, CEO der Bedag Informatik AG, welche in ihrem Rechenzentrum einen Grossteil der Anwendungen des Kantons Bern betreibt, wie sich die Bedag für diesen Fall gewappnet hat.

Bulletin: Fred Wenger, Rechenzentren sind rund um die Uhr in Betrieb und können nicht mal eben per Knopfdruck aus- und wieder eingeschaltet werden. Was würde eine Strommangellage und damit verbundene allfällige Stromkontingentierungen für das Rechenzentrum der Bedag bedeuten?

Fred Wenger: Unsere Anlagen und Systeme würden auch bei einer Stromkontingentierung vorerst normal weiter betrieben. Unser Rechenzentrum verfügt schon seit mehreren Jahren über eine Notstromversorgung, welche die Anlagen auch bei einer temporären Stromabschaltung mit Strom versorgt. Als systemrelevantes Unternehmen standen wir schon vor einer allfälligen Strommangellage in der Verantwortung, einen unterbruchsfreien Betrieb zu gewährleisten.

Wie stellen Sie diese Notstromversorgung sicher?

Mit grossen Dieselmotoren, wie sie normalerweise auf Schiffen eingesetzt werden. Diese Motoren sind darauf ausgelegt, während Wochen ununterbrochen in Betrieb zu sein, und ihre Funktionsfähigkeit wird regelmässig getestet. Im Zusammenspiel mit unseren anderen Notstromanlagen ist die Bedag so in der Lage, nahtlos von Strom aus dem Netz zu Strom aus eigener Produktion zu wechseln.

Wie lange könnte das Rechenzentrum unabhängig vom Stromnetz betrieben werden?

Unsere Dieselvorräte reichen aus, um während mehrerer Tage selbst Energie zu produzieren. Solange Treibstoff erhältlich ist, können wir die Systeme ohne Einschränkungen betreiben.

Und wenn nicht nur der Strom, sondern auch Treibstoff knapp würde?

Dann könnten wir das Rechenzentrum nicht mehr uneingeschränkt betreiben, und wir müssten nach und nach Systeme herunterfahren. Dabei würden zuerst Testumgebungen und Entwicklungssysteme heruntergefahren, um die Last zu verkleinern. Reicht das nicht, müssten auch produktive Systeme heruntergefahren werden.

Welche produktiven Systeme wären davon betroffen?

Für das Wiederaufstarten nach einem Disaster-Fall, also wenn eine Störung die vollständige Abschaltung des Rechenzentrums verursacht hätte, existiert eine Priorisierungsliste. Auf dieser ist festgehalten, welche Anwendungen zuerst wieder verfügbar gemacht werden müssen, beispielsweise die E-Mail-Umgebung oder Verzeichnisdienste, damit sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im System anmelden können. Müssten wir die Produktion geplant herunterfahren, würden wir diese Liste in umgekehrter Reihenfolge abarbeiten. Es würden also zuerst wenig kritische Anwendungen ausser Betrieb genommen. Strategische Anwendungen – beispielsweise für Löhne, Steuern oder Verkehr – würden aber möglichst lange aufrechterhalten.

Könnte das Rechenzentrum noch effizienter werden? Das wäre auch eine Möglichkeit, um Strom einzusparen.

Unsere Anlagen und Systeme entsprechen dem Stand der Technik und arbeiten schon heute äusserst effizient. Etwas anderes wäre aus betriebswirtschaftlicher Sicht auch unsinnig. Kurzfristig sind daher kaum Effizienzsteigerungen möglich. Wenn wir jedoch Anlagenteile erneuern müssen, setzen wir wo möglich auf effizientere Komponenten. Das beinhaltet auch energetische Massnahmen, beispielsweise eine Optimierung der Kühlung durch Kaltgangeinhausungen, also die strikte Trennung von Warm- und Kaltluftbereichen. Die gestiegenen Energiepreise sind eine grosse Motivation, um den Betrieb noch effizienter zu gestalten.

Autor
Ralph Möll

war Kom­mu­ni­kations­spezia­list beim VSE.

Zur Person

Fred Wenger (54) ist Elek­tro­in­ge­nieur und seit 2019 CEO der Bedag Informatik AG. Ab­ge­se­hen von einem vier­jäh­ri­gen Un­ter­bruch, wäh­rend dem er in einer Füh­rungs­funk­tion bei der Fir­ma Meyer Burger tä­tig war, ist er seit 2007 in ver­schie­de­nen Lei­tungs­funk­tio­nen in der Bedag tä­tig.

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