Fachartikel Hardware , Messtechnik

Die unendliche Geschichte als Ziel

Messmittel-Hardware

09.06.2023

Weshalb weicht die Nutzungs­dauer von der Lebens­dauer ab, was hat die Instand­haltung damit zu tun, und endet ein Lebenszyklus überhaupt? Sobald diese Fragen beantwortet werden können, wird das eigene Wirkungs­feld in der Kreis­lauf­wirt­schaft und die Bedeutung einer nachhaltig und langfristig gestalteten Lenkung von Mess- und Prüfmitteln ver­standen.

Die Nachhaltigkeit gehört zu den Schlüsselbegriffen des 21. Jahrhunderts. Ursprünglich in Bezug auf die Forstwirtschaft genutzt und erstmals 1713 vom Deutschen Hans Carl von Carlowitz publizistisch erwähnt, ist die nachhaltige Entwicklung in der Schweizer Bundesverfassung von 1999 mehrfach verankert. Während im 18.  Jahrhundert die Forderung laut wurde, nur so viel Holz zu schlagen wie nachwachsen kann, verlangt der Artikel 73 von Bund und Kantonen «ein auf die Dauer ausgewogenes Verhältnis zwischen der Natur und ihrer Erneuerungs­fähigkeit einerseits und ihrer Beanspruchung durch den Menschen anderseits». Um dem Verfassungsauftrag trotz Bevölke­rungs­zunahme und der damit gestiegenen Nachfrage nach Ernährung, Wohnen und Mobilität gerecht zu werden, sind ressourcen­schonende Lösungen gefragt. Denn ein langfristiger ökonomischer Erfolg ist nur möglich, wenn unser unter­nehmerisches Handeln nachhaltig ist.

Wirksame Massnahmen sind vielfältig und können in Produktions- und Beschaffungs­prozessen ergriffen, bei der Finanzierung berücksichtigt, durch Normen und Standards gefördert und in der Kultur verankert werden. Beim Outdoor-Ausrüster Patagonia ist der Umweltschutz gar der Kern der Unternehmens­philosophie. Das US-amerikanische Unternehmen hat sämtliche Eigentumsrechte an zwei Stiftungen übertragen und schüttet die Dividende ausschliesslich zum Schutz der Erde aus. Engagement und nachhaltiges Handeln soll jedoch auch im Kleinen stattfinden. Gefragt sind praktische Massnahmen – auch im Umgang mit Mess- und Prüfmitteln.

Die Beschaffung

Die Nutzungsdauer von Mess- und Prüfmitteln wie Installations­tester, Multimeter, Strommess­zangen oder Stromwandler beginnt bei ihrer Beschaffung und endet mit der Entsorgung. Dazwischen sind sie ein Arbeitsgerät, das genutzt, kalibriert, justiert, repariert und nachkalibriert wird und dessen Verlässlichkeit zwingend ist. Deshalb sollten anforderungs­gerechte Geräte evaluiert werden, die effizientes und sicheres Arbeiten erlauben. Bei der Beschaffung empfiehlt sich, nebst den Messbereichen, der Genauigkeit bzw. der Kosten auch die Umweltbelastung zu berücksichtigen. Konkret wird geprüft, ob nachhaltige Materialien wie rezyklierter Kunststoff oder biologisch abbaubare Stoffe verwendet werden, wie energieeffizient das Mess- und Prüfmittel ist, ob die Material­beschaffen­heit eine lange Lebensdauer fördert, das Gerät in der Schweiz kalibriert und repariert werden kann und zu welchem Grad sich ein Produkt bei der Entsorgung wieder aufbereiten und wiederverwenden lässt.

Nutzungsdauer versus Lebensdauer

Die Nutzungsdauer eines Mess- und Prüfmittels variiert stark. Ähnlich wie das Kalibrierintervall hängt sie von unter­schiedlichen Faktoren wie den Umwelteinflüssen oder der Häufigkeit der Nutzung ab. Zweifellos auch von der Art des Gerätes, dessen Qualität, der Wartung und der Sorgfalt, mit welcher das Gerät eingesetzt wird, sowie technologischem Fortschritt und veränderten Anforderungen, die nach Geräten der neusten Generation verlangen. Analog dem Intervall ist die Nutzungsdauer durch den Anwender vorgegeben: Sie beginnt mit der Erstnutzung und endet mit der Entsorgung. Eine Datenanalyse von rund 70’800 Datensätzen aus der Aptobase, der Messmittelmanagement-Applikation des SCS-Kalibrierlabors der Aptomet AG, hat ergeben, dass die durchschnitt­liche Nutzungsdauer bei fünf Jahren und drei Monaten liegt.

Wer Messgeräte möglichst lange einsetzen und somit Ressourcen sparen will, sollte die Spezifikationen des Herstellers beachten und die Empfehlungen zur Wartung und Kalibrierung befolgen. Die Lebensdauer kann durch einen sorgfältigen Umgang positiv und durch extreme Temperaturen und Temperatur­schwankungen, das Eindringen von Staub und Wasser oder versehentliche Überbelastung negativ beeinflusst werden. Oft sind es Kleinigkeiten wie der Einsatz von hochwertigen Batterien und deren Entfernung bei längerem Nichtgebrauch, die sich positiv auf die Lebensdauer eines Mess- und Prüfmittels auswirken. Aber jede Lebensdauer geht irgendwann zu Ende, nämlich dann, wenn das Gerät seinen Zweck aufgrund der Alterung nicht mehr erfüllen kann. Diese Dauer wird bei der Entwicklung geplant und durch die technischen Komponenten bestimmt.

Im Kontext des Messmittelparks gibt es noch einen weiteren Ansatz, um den Nutzen zu maximieren: Inspiriert vom Konzept der Sharing Economy können Mess- und Prüfmittel unter Mitarbeitenden und abteilungs- und standort­übergreifend ausgeliehen werden. Denkbar ist auch ein Gerätepool von aktuell nicht genutzten und nicht überwachten Messmitteln, die aber später wieder in Betrieb genommen werden. Je nach Nutzungsfrequenz dürfte die Ökonomie des Teilens auch in Bezug auf Messgeräte nachhaltig und sogar finanziell attraktiv sein.

Kalibrierung, Justierung und Reparatur

Die regelmässige Kalibrierung von Mess- und Prüfmitteln wird in vielen Normen, Standards und Verordnungen gefordert. So auch in der Nieder­span­nungs-Instal­lations­verordnung (NIV), welche verlangt, dass geeignete und kalibrierte Mess- und Kontrollgeräte eingesetzt werden. Die Kalibrierung gewährleistet damit nicht nur die Konformität zu den Bestimmungen, sondern trägt auch zu einer längeren Lebensdauer der Geräte bei.

Alle prüfpflichtig bewerteten Messmittel, also jene, die für sicherheits-, qualitäts- und prozessrelevante Messungen zum Einsatz kommen, müssen in festgelegten Abständen oder vor dem Gebrauch kalibriert werden. Kalibrierung bedeutet, dass die angezeigten Werte des Prüflings mit dem Normal verglichen, die Messabweichung (Messgenauigkeit) dokumentiert, die Messunsicherheit berechnet und die gemessenen Werte und Abweichungen in einem Kalibrier­zertifikat festgehalten werden. Das Normal oder auch Referenzgerät genannt, hat in der Regel eine deutlich höhere Genauigkeit als das zu prüfende Gerät.

Die Referenzgeräte von SCS-Kalibrierlaboren werden dabei von übergeordneten Stellen, wie zum Beispiel dem Eidgenössischen Institut für Metrologie Metas, kalibriert. Die nach SN EN ISO/IEC 17025 akkreditieren Kalibrier­labora­torien sind unabhängig und ihre technische Infrastruktur, die Prozesse und die Kalibrierverfahren formell durch die schweizerische Akkreditie­rungsstelle SAS anerkannt.

Mit der Sicherstellung der Genauigkeit und Zuverlässigkeit trägt die Kalibrierung wie erwähnt zur Verlängerung der Lebensdauer von Messgeräten bei, sie dient aber auch zum Schutz und zur Erhaltung der Geräte, Ausrüstung und Anlagen, die mit dem betreffenden Messmittel kontrolliert werden. Fehlerhafte Messungen, sei dies von Spannung, Temperatur oder Druck, können im schlimmsten Fall zu Personenschäden führen, im Kontext der Nachhaltigkeit aber auch zu Defekten, Produktionsfehlern und letztlich zur Verschwendung von Ressourcen.

Durch das Wiederholen einer Kalibrierung in regelmässigen Abständen wird ein durch Verschleiss und Umgebungsbedingungen entstandener Drift frühzeitig identifiziert und korrigiert. Liegen die Messwerte zwischen dem Anzeigewert des Prüflings und dem Referenzgerät bei der Kalibrierung dennoch ausserhalb der zulässigen Toleranz, ist dies noch kein Grund, ein Gerät zu entsorgen. Je nach Einsatzgebiet lässt sich das Messmittel mit Vorbehalt einsetzen oder es kann eben korrigiert, respektive justiert oder repariert werden. Justieren bedeutet, dass das Messgerät so eingestellt wird, dass sich die Abweichung so weit wie nötig minimiert. Je nach Messgerät können dabei ein oder mehrere Messpunkte justiert werden. Weil beim Justieren, im Gegensatz zum Kalibrieren, jedoch ein Eingriff in das Messsystem erfolgt, wird eine Nachkalibrierung nötig, da diese eine lückenlose Nachverfolgung aller Messergebnisse gewährleistet.

Die Entsorgung

Gemäss der Abfallstatistik des Bundesamtes für Umwelt Bafu wurden im Jahr 2021 in der Schweiz 127'100 t elektrische und elektronische Geräte entsorgt. Bei wie vielen Geräten die Nutzungsdauer durch eine Reparatur hätte verlängert werden können, ist leider statistisch nicht erfasst.

Mit durchschnittlich 80 bis 90% umgesetzten Reparaturaufträgen leisten die Hersteller und Service- und Reparaturstellen einen wesentlichen Beitrag, dass die Nutzungsdauer von Mess- und Prüfmitteln, wo möglich und vom Anwender gewünscht, verlängert wird. Eine nicht repräsentative Umfrage bei Schweizer Vertretungen und Partnern von Chauvin Arnoux, Camille Bauer Metrawatt und Megger hat ergeben, dass von 10 zu reparierenden Geräten nur 1 bis 2 durch Neugeräte ersetzt werden. Eine Analyse bei der Aptomet AG stimmt mit diesen Erkenntnissen überein. Im ersten Quartal 2023 mussten von 162 zur Reparatur eingesandten Mess- und Prüfmitteln lediglich 6% entsorgt werden. 34% der Reparaturen konnten gleich durch die First-Level-Reparaturstelle umgesetzt werden, während die weiteren Geräte weitergeleitet wurden – davon je zwei nach Deutschland und ins Vereinigte Königreich und eines nach Österreich. Dass eine Mehrheit der Geräte in der Schweiz repariert wird, trägt dazu bei, dass Transportwege kurz und sicher sowie ökologisch und ökonomisch gehalten werden.

Ist die Nutzungs- oder Lebensdauer eines Gerätes erreicht, endet damit nicht zwingend dessen Lebenszyklus. Um dem erhöhten Verbrauch natürlicher Ressourcen entgegen­zuwirken, sind wir als Gesellschaft dazu angehalten, unser System von einer linearen zu einer Kreislauf­wirtschaft weiter­zuentwickeln. Im Sektor der Elektro-, Energie und Informations­technik und bei Mess- und Prüfmitteln bedeutet dies, dass Geräte so lange wie möglich verwendet, kalibriert, justiert, repariert, ausgeliehen und schliesslich rezykliert werden. Dieses Prinzip reduziert Abfälle auf ein Minimum und schliesst Material­kreis­läufe, indem verbleibende Ressourcen als wertvolle Sekundärstoffe zurück in die Wirtschaft fliessen und im Kreislauf zirkulieren.

Beim Elektroschrottrecycling in der Schweiz liegt dieser Anteil bereits bei 70%. Dies, obwohl einige Verfahren sehr aufwendig sind, umweltbelastende Technologien oder Substanzen einsetzen, die Gesamtumweltbelastung demnach steigt und eine Rückführung in den Kreislauf kaum Sinn macht. Wenn der ökologische Nutzen jedoch in einem angemessenen Verhältnis zum ökonomischen Aufwand steht, wird das Recycling dem Verbrennen in einer Kehricht­verbren­nungs­anlage vorgezogen.

Für die Wiederaufbereitung von Mess-, Medizinal- und Sicherheitstechnik ist in der Schweiz die Organisation Swico Recycling zuständig. Im Prozess werden zuerst Schad- und Störstoffe entfernt, bevor die Geräte maschinell in einzelne Komponenten zerlegt und anschliessend durch Magnetabscheider, Siebe, Wirbelstromscheider und von Hand sortiert werden. Fe-Metalle (Eisenmetalle), NE-Metalle (Aluminium, Kupfer, Nickel etc.) und Kunststofffraktionen liegen nun in reiner Form vor und werden zurück in den Materialkreislauf geführt.

Unabhängig davon, ob die Schweiz nun Weltmeisterin im Recycling ist oder nicht, in Bezug auf die Wiederverwertung von Elektroschrott erzielt sie zufrieden­stellende Werte – ein wichtiger Faktor in der Kreislauf­wirtschaft. Kombiniert mit einer weitsichtigen Beschaffungs­strategie und der Erstreckung der Nutzungsdauer von Mess- und Prüfmitteln durch die beschriebenen Massnahmen, wird so ein wichtiger Beitrag zur Nachhaltigkeit geleistet. Anwender in der Schweiz profitieren dabei in allen Bereichen von zuverlässigen Partnern. Sei dies beim Recycling, der Beschaffung oder Instandhaltung – sie sind da, um kunden- und praxis­orientierte Heran­gehens­weisen aufzuzeigen.

Autor
Christoph Aeschlimann

ist Leiter Marketing & Kommunikation.

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