Treibhausgasemissionen von Solarstrom
Ökobilanz globaler Lieferketten
Die Dekarbonisierung der Energieversorgung ist eine der grössten Herausforderungen im Bestreben, die Treibhausgasemissionen weltweit bis 2050 auf Netto Null zu senken. Als zentrale Massnahme sollen erneuerbare Energiequellen fossile Kraftwerke ersetzen. Dabei ist es wichtig, für die Ökobilanz den ganzen Lebenszyklus der PV-Anlagen zu berücksichtigen.
Der Ausbau der Stromproduktion mit Photovoltaik bricht Jahr für Jahr Rekorde. Allein im vergangenen Jahr wurden weltweit über 400 GW zusätzliche Leistung installiert, womit sich die gesamthaft installierte PV-Leistung Ende 2023 auf etwa 1600 GW belief – der grösste Zuwachs aller relevanter Kraftwerkstypen. Mit über 1600 TWh elektrischer Energie trugen PV-Anlagen nach Wasser- und Windkraftanlagen global am stärksten zur erneuerbaren Stromproduktion bei.
Die Internationale Energieagentur schätzt, dass 2025 erstmals mehr als ein Drittel des produzierten Stroms aus erneuerbaren Quellen stammen wird [1]. Damit würde zum ersten Mal mehr Strom aus erneuerbaren Quellen erzeugt als aus Kohle. Zudem dürften Wind- und PV-Kraftwerke bereits im nächsten Jahr gemeinsam mehr Strom generieren als Wasserkraftwerke. Trotz dieses Wachstums bei den erneuerbaren Energien wurde im letzten Jahrzehnt auch die Stromerzeugung aus Kohle und Erdgas weiter ausgebaut, um den weltweit steigenden Strombedarf zu decken.
Auch in der Schweiz wird Jahr für Jahr mehr PV-Leistung installiert [2]. Laut Branchenverband Swissolar lag der Zubau 2023 bei 1,6 GW. Im September 2024 wurde zum ersten Mal die 200-MW-Grenze der für eine Einmalvergütung neu angemeldeten PV-Leistung überschritten. Im laufenden Jahr dürfte der Zubau etwa 1,8 GW betragen, wobei die Zubaurate auf deutlich über 2 GW pro Jahr gesteigert werden muss, um die gesetzten Energie- und Klimaziele zu erreichen. Mit 4,6 TWh produzierten Stroms deckten PV-Anlagen im vergangenen Jahr gut 8% des Schweizer Endverbrauchs an elektrischer Energie [3], 2024 könnte erstmals die 10%-Marke geknackt werden.
Fossile Energie in PV-Anlagen
Im Gegensatz zu fossilen Kraftwerken emittieren PV-Anlagen im Betrieb keine klimaschädlichen Treibhausgase. Dennoch wäre es falsch, die Solarstromerzeugung als emissionsfrei zu bezeichnen, denn eine emissionsfreie Stromerzeugung gibt es grundsätzlich nicht. Dies gilt für alle Arten der technischen Stromerzeugung.
PV-Anlagen bestehen aus diversen Komponenten wie Modulen, Montagesystemen, Wechselrichtern, Kabeln und Schaltanlagen. Ihre Herstellung, Transport, Installation und Entsorgung sind oft material- bzw. energieintensiv und mit Emissionen sowie Ressourcenverbrauch verbunden.
Die Produktion der Systemkomponenten basiert auf weitverzweigten Lieferketten. Ein Grossteil der Wafer, Zellen und Module wird heute in Asien gefertigt. 2023 stammten laut Photovoltaics Report des Fraunhofer ISE etwa 94% der PV-Module aus asiatischer Produktion, wobei China mit einem Anteil von 86% der Gesamtproduktion den Weltmarkt klar dominiert [4]. Noch stärker ausgeprägt ist diese Marktdominanz bei der Herstellung von Wafern und Zellen.
Zwar gibt es in Europa und anderen Weltregionen Pläne, die Produktionskapazitäten auf- und auszubauen. Diese Ausbaupläne beziehen sich jedoch meist auf die Modulproduktion und allenfalls auf die Zellfertigung, deutlich seltener auf vorgelagerte, energieintensive Produktionsschritte wie die Herstellung von Polysilizium und Wafern.
97% der 2023 weltweit installierten Module verfügen über Zellen aus Silizium, wobei monokristalline Siliziumzellen die bis vor kurzem ebenfalls verbreiteten multikristallinen Zellen mittlerweile vom Markt verdrängt haben [4]. Etliche Fertigungsschritte im Produktionsprozess dieser Zellen und Module benötigen relevante Mengen an elektrischer Energie. Dazu gehört insbesondere die Herstellung von reinem Silizium und dessen Aufbereitung zu hochreinem solar-grade Silizium, aus dessen Schmelze die Ingots produziert werden. Aus diesen Ingots werden etwa 150 Mikrometer dünne Wafer gesägt, welche anschliessend zu photovoltaisch aktiven Zellen weiterverarbeitet werden. Auch dies ist energieintensiv. Die Zellen werden über Leiterbahnen zu Zellsträngen verbunden und durch ein Polymer-Verkapselungsmaterial eingeschlossen. Die Zellstrings werden dann zusammen mit Solarglas, einer Rückseitenfolie oder einem Rückseitenglas und Aluminiumrahmen zu einem Solarmodul zusammengesetzt. Auch die Herstellung dieser Komponenten ist mit Energieverbrauch und Emissionen verbunden.
Bei den PV-Wechselrichtern ist die Marktdominanz chinesischer Produkte etwas weniger stark ausgeprägt als bei den Modulen. Laut Solar Power Europe stammten 2023 rund 20% der auf dem europäischen Markt verkauften Geräte von Firmen mit Hauptsitz in Europa. Die europäische Wechselrichterindustrie verfügt zwar über hohe Fertigungskapazitäten, konnte aber in den vergangenen Jahren nur weit unter Kapazität produzieren. Grund dafür waren Lieferengpässe in der Beschaffung, insbesondere von elektronischen Bauteilen aus asiatischer Produktion. Chinesische Mitbewerber waren laut Solar Power Europe von diesen Engpässen deutlich weniger betroffen und nutzten die Gelegenheit, um sich Marktanteile zu sichern. Dabei dürften auch die deutlich niedrigeren Preise pro Kilowatt Wechselrichterleistung eine wichtige Rolle spielen.
Bezüglich Treibhausgasemissionen fallen energieintensive Fertigungsprozesse umso stärker ins Gewicht, je höher der Anteil an fossilen Quellen im eingesetzten Energiemix ist. Obwohl China und weitere Staaten der Asia-Pacific-Region (APAC) den Ausbau der Stromproduktion aus erneuerbaren Quellen massiv vorantreiben, stammten laut IEA im Jahr 2022 über zwei Drittel des produzierten Stroms aus fossilen Quellen [5]. Eine zentrale Rolle spielen dabei Kohlekraftwerke, die deutlich mehr als die Hälfte des Stroms in der Region bereitstellen. Diese belasten nicht nur Umwelt und Gesundheit, sie sind pro erzeugte Kilowattstunde auch viel klimaschädlicher als alle anderen relevanten Kraftwerktypen. Fossile Brennstoffe spielen mit einem Anteil von etwa 33% im Jahr 2023 zwar auch im europäischen Strommix nach wie vor eine zentrale Rolle [6]. Mit 45% Strom aus erneuerbaren Quellen und 23% aus Kernkraftwerken ist die europäische Stromproduktion verglichen mit der Stromproduktion der APAC-Region jedoch deutlich weniger treibhausgasintensiv.
Die Verlagerung der Produktion in Regionen mit hohem Anteil an Strom aus fossilen Quellen im Strommix wirkt sich auf die Klimabilanz der Produkte aus. In China wurde zwar 2023 mehr zusätzliche PV-Kapazität installiert als weltweit im Jahr 2022 [7]. Aktuell belegt China Platz 17 im Energy Transition Index (ETI), der 120 Länder hinsichtlich ihrer Energiepolitik, Energiesysteme und ihrer Fortschritte in der Energiewende untersucht [8]. Gleichzeitig investiert China aber weiter in den Bau neuer Kohlekraftwerke.
Ökobilanzen quantifizieren Umweltauswirkungen
Wie klima- und umweltintensiv ein bestimmter Prozess oder ein Produkt wie Solarstrom ist, lässt sich mit einer Ökobilanz umfassend quantifizieren. Dabei müssen sämtliche Emissionen im Lebenszyklus von PV-Anlagen systematisch in einer Sachbilanz erfasst werden. Ein solches Sachbilanz-Modell umfasst alle Prozesse, die für Herstellung, Transport, Installation und Betrieb der Anlagenkomponenten benötigt werden, sowie die Behandlungs- und Entsorgungsprozesse am Ende ihrer Lebensdauer.
Dieser Ansatz erlaubt die Quantifizierung einer Bandbreite von Umweltindikatoren zum Umwelt-Fussabdruck von Solarstrom wie zum Beispiel die Treibhausgasemissionen pro kWh. Die Internationale Energie Agentur IEA führt in ihrem Photovoltaik-Technologie-Kooperations-Programm seit bald 15 Jahren eine Arbeitsgruppe zur Nachhaltigkeit von Photovoltaik, kurz IEA PVPS Task 12, welche die Datengrundlage für die Berechnung der Ökobilanz von Solarstrom regelmässig aktualisiert. Die Schweizer Beteiligung an dieser Arbeitsgruppe, die seit Beginn über das Photovoltaik-Forschungsprogramm des Bundesamts für Energie unterstützt wird, ist federführend bei der Erarbeitung von Ökobilanzdaten und der Quantifizierung der Umweltauswirkungen von Photovoltaik. Die Erkenntnisse aus dieser Arbeit werden regelmässig publiziert.
Die im Sommer 2024 veröffentlichte Aktualisierung berücksichtigt unter anderem die Technologieentwicklung mit einer Steigerung des durchschnittlichen Modulwirkungsgrads, die geographische Verortung der Produktionsmengen von Solarmodulen, Zellen, Wafern, Ingots und Polysilizium [9]. Zudem wurden Schlüsseldaten zu Ressourceneffizienz und Energiebedarf in der Produktion von Silizium, Ingots, Wafern, Zellen und Modulen aktualisiert.
70% tiefere Treibhausgasemissionen als Schweizer Mix
Als Ergebnis zeigt das Faktenblatt der IEA für Solarstrom aus einer durchschnittlichen Schweizer Schrägdach-PV-Anlage mit monokristallinen Modulen und einem spezifischen Jahresertrag von 976 kWh/kW Treibhausgasemissionen von knapp 36 g CO2-eq. pro kWh. Damit liegen die Treibhausgasemissionen von Schweizer Solarstrom deutlich unter denjenigen des Schweizer Verbrauchermixes von rund 125 g CO2-eq. pro kWh [10]. Im Vergleich zu Strom aus dem europäischen Netz (Entso-E) mit Emissionen von über 500 g CO2-eq. pro kWh liegen die Treibhausgasemissionen von diesem Solarstrom sogar um mehr als 93% tiefer [10].
Werden mit der Ökobilanz neben Treibhausgasen auch andere Umweltauswirkungen wie Ressourcenverbrauch und Schadstoffemissionen quantifiziert, dann liegt die Gesamtumweltbelastung von Solarstrom, bewertet mit den Ökofaktoren 2021, gemäss der Methode der ökologischen Knappheit [11] um mehr als 80% tiefer als diejenige des Schweizer Versorgungsmixes und um rund 90% tiefer als diejenige des europäischen Durchschnittsstroms.
Die Treibhausgasemissionen von Solarstrom werden zu 56% dominiert von der Herstellung der Solarmodule (Bild 1), wobei besonders die Lieferkette in Asien ins Gewicht fällt [9]. Daneben sind auch die Emissionen durch die Herstellung der Unterkonstruktion und anderer Systemkomponenten relevant (14%) sowie insbesondere bei kleineren Anlagen die Lieferkette der Wechselrichter mit zahlreichen Elektronik-Komponenten (28%).

Technologie-Entwicklung verändert Emissionen
Durch die stetige Weiterentwicklung der PV-Technologien und die Veränderungen im Energiemix der Lieferketten verändern sich die Treibhausgasemissionen. Die Zeitreihe für Solarstrom aus PV-Anlagen mit kristallinen Silizium-Modulen in Tabelle 1 zeigt auf, dass die Treibhausgasemissionen pro produzierte kWh seit 1996 um mehr als 70% reduziert werden konnten.

Eine Reduktion der Treibhausgasemissionen von Solarstrom über die Jahre führt auch zu einer kürzeren Rückzahldauer für nicht erneuerbare Energie. Diese wird definiert als die Zeit, die ein erneuerbares Energiesystem benötigt, um die gleiche Menge an Strom zu erzeugen (ausgedrückt in nicht erneuerbarer Primärenergieäquivalenten des bestehenden europäischen Strommixes von fossilen und nuklearen Kraftwerken), wie für die Herstellung des Systems selbst benötigt wurde. Bezogen auf den europäischen Strommix beträgt diese Rückzahldauer nicht erneuerbarer Primärenergie gemäss dem neu veröffentlichten Faktenblatt für PV-Systeme mit Modulen aus kristallinem Silizium erstmals nur noch ein Jahr. Somit ist der nicht erneuerbare Energieaufwand für das PV-System quasi im ersten Jahr energetisch «abbezahlt».
Alpine Solaranlagen haben typischerweise höhere Stromerträge als Anlagen im Mittelland. Obwohl solche Anlagen in der Regel mehr Material zur Aufständerung der Module und eine aufwendigere Logistik benötigen als Anlagen auf Dächern, können die Treibhausgasemissionen des Stroms aus alpinen Anlagen aufgrund des höheren spezifischen Ertrags sogar noch etwas tiefer liegen (32 g CO2-eq pro kWh), wie eine kürzlich erstellte Ökobilanz einer hochalpinen Anlage zeigt [12].
Im Vergleich zu Strom aus Wind- und Wasserkraftwerken verursacht Schweizer Solarstrom heute pro Kilowattstunde zwar etwas höhere Treibhausgasemissionen, trägt aber dennoch wesentlich zur Dekarbonisierung und zur Reduktion der Gesamtumweltbelastung der Stromversorgung bei. Die Treibhausgasemissionen des Solarstroms können durch die Optimierung der Fertigungsprozesse, die Verlängerung der Modullebensdauer und die Weiterentwicklung der Zell- und Modultechnologie weiter gesenkt werden.
Entscheidend wird jedoch auch in den kommenden Jahren die Erzeugung der in der Fertigung genutzten elektrischen und thermischen Energie sein. Wie sich diese entwickeln, hängt davon ab, wie schnell die Energiewende in Asien, insbesondere in China gelingt, beziehungsweise welchen Strommix die Solarfirmen einkaufen. Auch ein umfassender Aus- und Wiederaufbau der PV-Industrie, insbesondere der Silizium-, Wafer-, und Zellproduktion, in Europa und anderen Weltregionen könnte massgeblich zur Dekarbonisierung der PV-Lieferkette beitragen. Zudem würde ein solches Reshoring nicht nur die lokale Wertschöpfung erhöhen, sondern auch Abhängigkeiten von globalen Lieferketten reduzieren.
Fazit
Solarstrom ist ein unverzichtbarer und effizienter Baustein, um die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu reduzieren und die Treibhausgasemissionen und die Umweltbelastung zu senken. Es ist jedoch wichtig, die gesamte Lieferkette und den Lebenszyklus der PV-Anlagen zu berücksichtigen, um ein vollständiges Bild der Umweltbilanz zu erhalten. Durch kontinuierliche Verbesserungen in der Produktion und Effizienzsteigerungen können die Treibhausgasemissionen von Solarstrom weiter reduziert werden, damit auch die Photovoltaik ihren Beitrag zum Netto-Null-Ziel der Schweiz und global leisten kann.
Referenzen
[1] Electricity Mid-Year Update – July 2024, International Energy Agency, 2024.
[2] Swissolar, Photovoltaik-Markt Schweiz, 2024.
[3] T. Hostettler, A. Hekler, Statistik Sonnenenergie – Referenzjahr 2023, Bundesamt für Energie, 2024.
[4] Photovoltaics Report, Fraunhofer ISE, 2024.
[5] Where does Asia Pacific get its electricity? International Energy Agency, 2024.
[6] Eurostat, «Renewables take the lead in power generation in 2023», News articles, 2024.
[7] Renewables 2023 – Analysis and forecast to 2028, International Energy Agency, 2024.
[8] Fostering Effective Energy Transition 2023 Edition – Insight Report, World Economic Forum (WEF) in collaboration with Accenture, 2024.
[9] M. Stucki, M. Götz, M. de Wild-Scholten, R. Frischknecht, «Faktenblatt – Ökobilanz von Strom aus PV-Anlagen – Aktualisierung der Daten für das Jahr 2023», IEA PVPS Task 12, International Energy Agency Photovoltaic Power Systems Programme, 2024.
[10] Ökobilanzdaten im Baubereich KBOB / Ecobau / IPB 2009/1:2022, Version 5, Koordinationskonferenz der Bau- und Liegenschaftsorgane der öffentlichen Bauherren KBOB, Treeze GmbH, Bundesamt für Umwelt und Bundesamt für Energie, 2024.
[11] R. Frischknecht, L. Krebs, F. Dinkel, T. Kägi, A. Braunschweig, R. Itten, M. Stucki, «Ökofaktoren Schweiz 2021 gemäss der Methode der ökologischen Knappheit. Methodische Grundlagen und Anwendung auf die Schweiz», Bundesamt für Umwelt, 2021.
[12] F. Elsener, M. Stucki, R. Itten, «Life cycle assessment of a high-altitude photovoltaic power plant in the Swiss Alps», ZHAW, 2024.
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