Temperaturschwankungen während Sunk und Schwall
Modellierung des Temperaturverlaufs entlang eines regulierten Fliessgewässers
Sunk und Schwall wirken sich nicht nur auf die Abflüsse der Fliessgewässer nach Wasserkraftwerken aus, sondern auch auf deren Temperatur. Die Modellierung Letzterer kann daher nützlich für die Bewirtschaftung von Fliessgewässern sein. Eine Studie hat gezeigt, dass eine solche Modellierung eine hohe Zuverlässigkeit aufweist.
Im Rahmen der Sanierung der Wasserkraft sind Betreiber von Kraftwerken verpflichtet, die negativen Auswirkungen von Sunk und Schwall auf aquatische Ökosysteme zu beseitigen (Gewässerschutzgesetz, Art. 39a). Diese künstlichen, schnellen Abflussänderungen in einem Fliessgewässer werden durch den intermittierenden Produktionszyklus der Wasserkraft verursacht, der zur Deckung des schwankenden Strombedarfs nötig ist. Wenn das turbinierte Wasser eines Ausleitkraftwerks aus einem See stammt, kann sich seine Temperatur an der Rückgabestelle von der Temperatur des Fliessgewässers unterscheiden. Abflussschwankungen können eine schnelle Änderung der Wassertemperatur (auch als Thermopeaking bezeichnet) im Fliessgewässer verursachen.
Um die Auswirkungen dieses Thermopeakings zu minimieren, müssen Kraftwerksbetreiber Sanierungsvarianten für das aktuelle Klima sowie im Kontext des Klimawandels identifizieren. Mit numerischen Modellierungsansätzen lässt sich die zukünftige Entwicklung der Temperatur in Fliessgewässern analysieren und die Wirksamkeit verschiedener Sanierungsszenarien der Wasserkraft untersuchen.
Untersuchungsgebiet und Datenerfassung
Um ein solches Modell zu testen, wurde der Abschnitt der Saane zwischen der Staumauer Rossens (Greyerzersee) und der Staumauer Maigrauge (Lac de Pérolles) in der Stadt Freiburg untersucht (Bild 1). Auf diesem 22 km langen Abschnitt weist die Saane an ihren Ufern eine ausgeprägte Vegetation auf und fliesst auf einem Bett in einer 50 bis 100 m tiefen Schlucht. Zum Untersuchungsgebiet gehört auch das Ausleitkraftwerk Hauterive, welches das im Greyerzersee gefasste und durch einen 6 km langen Stollen transportierte Wasser turbiert, bevor es in die Saane zurückgeleitet wird. Zwischen Rossens und Hauterive fliesst die Saane somit entlang einer Restwasserstrecke und mit einem meist konstanten Abfluss zwischen 2,5 und 3,5 m³/s. Der Abschnitt stromabwärts von Hauterive unterliegt Sunk und Schwall, mit Abflussschwankungen bis zu 75 m³/s.
Seit 2016 werden in diesem Abschnitt der Saane Temperaturdaten gesammelt. Mehrere Sonden wurden in verschiedenen Abschnitten ober- und unterstrom des Ausleitkraftwerks eingebaut, um das Spektrum der Wassertemperaturen mit einer zeitlichen Auflösung von 10 Minuten zu messen. Die Daten erlauben es, die Auswirkungen von Sunk und Schwall auf die Temperatur der Saane zu beschreiben. Sie wurden jedoch insbesondere zur Kalibrierung und Validierung eines numerischen Modells zur Vorhersage der Wassertemperatur verwendet.
Im Hinblick auf diese Modellierung wurden zusätzliche Daten zu den Einflussparametern der Wassertemperatur erhoben. Dabei handelt es sich vor allem um die Temperatur des Greyerzersees, vom Kraftwerksbetreiber erhobene Abflusswerte (Groupe E) sowie meteorologische Daten der MeteoSchweiz-Station in Fribourg/Grangeneuve.
Numerische thermodynamische Modellierung
Die numerische Modellierung basiert auf der Software HEC-RAS (Hydrologic Engineering Center’s River Analysis System). Dieses Programm ist im Bereich der hydrodynamischen Modellierung von Fliessgewässern weit verbreitet und ermöglicht die Berechnung von Abflusstiefen und -geschwindigkeiten in einem Fliessgewässer, insbesondere auf der Grundlage des Abflusses, der Rauheit und der Bathymetrie.
Zudem ermöglicht ein in HEC-RAS integriertes Wasserqualitätsmodul die Simulation der Temperaturentwicklung gemäss den atmosphärischen Bedingungen und den Eigenschaften des Flussbetts. In diesem Modell können durch verschiedene Prozesse (direkte Sonnenstrahlung, indirekte Strahlung, sensible Wärme, latente Wärme usw.) induzierte Wärmeströme durch physikalische Gleichungen quantifiziert werden – im Gegensatz zu statistischen Modellen.
Das hydrodynamische Modell wurde auf Basis der Querprofile des Gewässers (BAFU) und der erhobenen Abflussdaten (Groupe E) erstellt. Die meteorologischen Daten der Wetterstation Fribourg/Grangeneuve (MeteoSchweiz) wurden anschliessend für die thermische Modellierung verwendet.
Bild 2 zeigt einen kleinen Ausschnitt der mit einem ersten, unkalibrierten Modell erzielten Temperaturen, verglichen mit den im gleichen Zeitraum in der Saane gemessenen Werten. Die resultierende Temperaturkurve (Modell I) zeigt eine hohe Variabilität mit zu niedrigen Nachttemperaturen und vor allem zu hohen Tagestemperaturen. Die Verwendung eines numerischen Modells, das eine hydro- und thermodynamische Berechnung kombiniert, garantiert daher nicht automatisch zufriedenstellende Ergebnisse. Daher ist eine Korrektur bzw. Kalibrierung des Modells nötig.
![<b>Bild 2</b> Vergleich der simulierten (Modelle I bis III) und der gemessenen Wassertemperaturen für vier Querschnitte einer Frühlingswoche.](files/content/news-articles/B_Artikel/Archiv/2024/2404/B_2404_Dorthe_D/B_2404_Dorthe_Bild_2_NEU.png)
Berücksichtigung der Beschattung
Um den Einfluss der Beschattung bzw. der Schlucht zu berücksichtigen, wurde die im numerischen Modell berücksichtigte Sonnenstrahlung reduziert. Tatsächlich erreicht die an der Wetterstation gemessene Sonnenstrahlung aufgrund der Topografie und Vegetation die Gewässeroberfläche nicht vollständig. Dieser Beschattungseffekt wurde mit einem Geoinformationssystem-Tool (Grass GIS) auf Basis eines digitalen Oberflächenmodells berechnet, welches das Relief mit Vegetation beschreibt (SwissSurface3D von Swisstopo). Für jeden Tag des Jahres und jede Stunde des Tages war es möglich, den Winkel der Sonnenstrahlung zu bestimmen und somit einen Korrekturfaktor zu definieren, der dem Bruchteil der Strahlung entspricht, welcher die Gewässeroberfläche erreicht. Dieser Korrekturfaktor zeichnet sich durch eine für jeden Tag des Jahres spezifische Kurve aus und ermöglicht so eine Korrektur der an der Wetterstation gemessenen Sonnenstrahlungsdaten (Bild 3).
![<b>Bild 3</b> Das GIS-Modell ermöglicht es, die stündliche Beschattung zu bestimmen (oben) und die bei der Wetterstation gemessene Strahlung entsprechend zu korrigieren (unten).](files/content/news-articles/B_Artikel/Archiv/2024/2404/B_2404_Dorthe_D/B_2404_Dorthe_Bild_3.png)
Die Ergebnisse mit integrierter Beschattungswirkung werden in Bild 2 als Modell II gezeigt. Diese liegen deutlich näher bei den gemessenen Temperaturen, insbesondere für die im Tagesverlauf erreichten Höchsttemperaturen. Der Beschattungseffekt stellt daher ein entscheidendes Element zur repräsentativen Modellierung der Wassertemperaturen dar.
Wärmeaustausch zwischen Gewässer und Flussbett
Die zweite Anpassung im Modell ist eine Berücksichtigung des Wärmeaustausches zwischen der Sedimentschicht und dem Wasserkörper. Obwohl der Einfluss dieses Wärmeaustausches bei den meisten Fliessgewässern gering ist, erhöhen regelmässige Schwankungen des Abflusses im Zusammenhang mit Sunk und Schwall den Austausch. Modell III integriert zusätzlich zur Berücksichtigung der Beschattung diesen Austausch. Die Ergebnisse, in Bild 2 gezeigt, deuten auf eine erhebliche Verbesserung der Modellvorhersage unter Berücksichtigung dieses zweiten Prozesses hin.
Während in dieser Studie der Beschattungseffekt und der Austausch mit dem Flussbett dominierende Prozesse sind, die bei der Modellierung des thermischen Regimes berücksichtigt werden müssen, wurde festgestellt, dass andere Prozesse nur geringen Einfluss auf die Temperaturentwicklung der Saane haben. Dies betrifft den Wind, Grundwassereinträge sowie den Lufttemperaturunterschied zwischen der Wetterstation und der unmittelbaren Umgebung des Fliessgewässers. Diese Beobachtung ist jedoch spezifisch für den untersuchten Fall. Um diesen Ansatz auf andere Fliessgewässer zu übertragen, sollte dort unbedingt ein eigenes Temperaturmessnetz installiert werden. Denn erst der Vergleich der Simulation mit den Messungen ermöglicht es, die ins Modell zu integrierenden Prozesse zu identifizieren und die Vorhersagen zu validieren.
Bezug zur Sanierung der Wasserkraft
Der vorgestellte Ansatz ermöglichte die Erstellung eines numerischen Modells, mit dem das mehrjährige thermische Regime eines Fliessgewässers unter einer feinen zeitlichen Auflösung (10 Minuten) simuliert werden kann. Das Modell erreicht für die Saane einen durchschnittlichen absoluten Fehler von weniger als 0,6°C und einen Wert von 0,90 für die Kling-Gupta-Effizienz (KGE). Diese Ergebnisse zeigen, dass es die Kalibrierung bestehender numerischer Modelle mit verfügbaren Messdaten ermöglichen kann, eine hohe Genauigkeit bei der Reproduktion des thermischen Regimes eines Fliessgewässers zu erreichen. Diese Genauigkeit wird hier sowohl für die Restwasserstrecke, die durch natürliche Temperaturschwankungen gekennzeichnet ist, als auch für den Abschnitt mit Sunk und Schwall erreicht. Um diese Genauigkeit zu erreichen bzw. nachzuweisen, ist jedoch die Erfassung von Temperaturmessreihen mit hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung erforderlich.
Sobald das numerische Modell kalibriert wurde, kann es zur Bewertung des thermischen Regimes unter verschiedenen Szenarien verwendet werden. Dazu können zukünftige Klimaszenarien, aber auch Varianten der Wasserkraftsanierung gehören, um deren Wirkung unter heutigen oder künftigen Bedingungen abzuschätzen. Dann ist ein zuverlässiges numerisches Modell, trotz der Vielzahl an Einflussfaktoren auf die Wassertemperatur, eine zentrale Entscheidungshilfe im Hinblick auf die Erhaltung gesunder Fliessgewässer.
Hinweis
Die Studie wurde finanziert von der Groupe E, Ribi SA ingénieurs hydrauliciens und der HEIA-FR (Fonds Ra&D). Die Datenakquisition wurde von Elodie Moulin, Yanis Schaller, Dominique Delaquis und Bruno Spahni von der Technikgruppe der HEIA-FR durchgeführt.
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