Fachartikel Erneuerbare Energien , Integration ins Netz , Konventionelle Kraftwerke

Stromzukunft mit mehr oder weniger Solar?

Die Schweiz bis 2030

02.10.2018

Nur wenn wir in der Schweiz mehr Solarzellen zubauen als in den letzten fünf Jahren, wird die Solarstromerzeugung nicht vollständig von neuen Wärmepumpen und der wachsenden Elektromobilität verbraucht. Aber selbst wenn dies nicht geschieht, wird durch die Substitution der fossilen Heizungen und Fahrzeuge dank der Solarzellen viel CO2 eingespart.

Konkret: Wenn es so gemächlich weitergeht wie bisher, wird bis 2030 die zusätzlich installierte Solarleistung weitere 6% des Schweizer Strombedarfs decken, was in etwa dem Mehrverbrauch von 4% Strom durch die neuen Wärmepumpen und von 1,5 bis 3,1% durch die Elektromobilität entspricht. Damit hätte sich der Rebound-Effekt wieder bestätigt. Es muss eine politische Diskussion im Land geführt werden, damit genau deshalb mehr erneuerbare Erzeugungskapazität installiert wird. Sehr förderlich wäre deshalb auch, wenn bis 2030 die Stromerzeugung aus Wind und Geothermie die 1% Marke weit übersteigen würde. Lassen wir uns also nicht von Diskussionen um Netzprobleme, die aus Deutschland in die Schweiz übergeschwappt sind, ablenken und denken wir wieder über die zentrale Zukunftsfrage jenseits des Batteriespeichers nach – die erneuerbare Erzeugung und Effizienzsteigerung.

Die Solarzellen im Gebäude werden das Zugpferd der Umsetzung der Energiestrategie bleiben. Das Image von Solarstrom beim Endkunden, dezentral selbst am eigenen Dach mit zuverlässiger Technik einen möglichst grossen Teil des eigenen Stromverbrauchs ohne lokale Emissionen zu decken, treibt den Markt. Die fallenden Preise der Solarmodule motivieren den Endkunden zu einer weiteren Erhöhung der direkten Solarstromnutzung im Haus durch neue Verbraucher wie Wärmepumpen oder Elektrofahrzeuge oder zum Zwischenspeichern für den Abend in einer Lithium-Batterie. Umweltkatastrophen mit oder ohne Kernkrafttechnologie, Hitzewellen, Preissprünge bei Erdöl und Erdgas, Lieferengpässe im Arabischen Golf oder der Erdgas-Pipeline, Kriege oder Sanktionen für Erdölproduzenten befeuern den Solarstrom-Markt weiterhin.

Solare Zubautrends

Der Zubau von PV-Kapazitäten in der Schweiz betrug im Mittel in den letzten fünf Jahren ca. 300 MW, was jährlich 0,5% des hiesigen Stromverbrauchs entspricht. Ende 2018 wird über 2 GW PV-Leistung installiert sein, etwa 3% des Schweizer Stromverbrauchs. Die Energiestrategie des Bundes sieht vor, erst im Jahr 2035 das Limit von 5% zu erzielen, was aus heutiger Sicht vermutlich schon vor 2022 der Fall sein wird. Realistisch kann davon ausgegangen werden, dass die Schweiz das Ziel von 20% schon im Jahr 2035 und nicht erst 2050 erreicht. Bis 2030 sollten also bei einem solchen zukünftigen stärkeren Zubau als bisher, also von mindestens 500 MW Solarzellen jährlich, dann schon 9 GW installiert sein, die dann 15% des Verbrauchs decken.

Kleinerer fossiler Verbrauch

Die heutigen Erzeugungskosten von Solarstrom im Einfamilienhaus von etwa 18 Rp. pro kWh, ohne weitere Förderungen, sind wirtschaftlich attraktiv, um in Verbindung mit Wärmepumpen im Gebäude direkt verbraucht zu werden. Eine Wärmepumpe kann beim Verbrauch von 1 kWh Solarstrom mindestens die dreifache Wärmemenge ins Gebäude liefern, auch wenn sie die Umgebungsluft nutzt und keine Erdsondenbohrung benötigt. Wird also der 18-Rp.-Solarstrom in der Wärmepumpe genutzt, entsteht eine kWh-Wärme für 6 Rappen. Ein Preis, der heute von Erdgas nicht erbracht werden kann!

Wird zukünftig mehr elektrischer Strom für die Substitution von Erdöl, welches in der Schweiz 2017 einen Anteil von 49,2% am Endenergieverbrauch gehabt hat, über die E-Mobilität bzw. die Raumheizung erfolgen, so wird der Anteil von Strom am Endenergieverbrauch von heute 24,8% weiter ansteigen.[4] Der Verbrauch an Erdölbrennstoffen für die Raumheizung hat von 2016 auf 2017 um 6,2% abgenommen, während der Import an Erdgas leicht um 0,4% zugelegt hat.

In der Schweiz hat in den letzten 18 Jahren der Anteil der mit Erdöl beheizten Gebäude jährlich um 1% abgenommen. Im Gegenzug hat die Wärmepumpe mit einer Steigerung des Anteils um 0,8% jährlich zugelegt, wie auch die Gasheizung mit 0,3%. Neunzig Prozent der 1,5 Mio. Wohngebäude verfügen über eine Zentralheizung.

Bis 2030 würden bei einer Fortsetzung dieser Substitution, mit einer leicht höheren Rate von 1% jährlich, weitere 12%, also rund 180000 Wärmepumpen, hinzugebaut werden. Dies würde einem Bedarf von ca. 2 TWh entsprechen, also so viel Elektrizität, wie 2018 mit Photovoltaik erzeugt wurde.

Dieser für die Wärmepumpen benötigte Strom entspricht etwa 3% des jährlichen Stromendverbrauchs von 58,5 TWh (2017) oder einem Zehntel der heutigen Stromverbräuche im Haushalt. Dazu kommt noch der zusätzliche Strombedarf von etwa 1% für die reine Warmwasser-Erzeugung über eine Wärmepumpe mit anderen Raumheiztechnologien im gleichen Gebäude. Macht total einen Zuwachs des Stromverbrauchs aller neuen Wärmepumpen für Raumheizung und Warmwasser von etwa 4%.

Kann alles beim Alten bleiben?

Diese erste Analyse könnte traditionelle Elektrizitäts­werke zum Schluss verleiten, am eigenen Stromabsatz wird sich bis 2030 nicht viel ändern, solange nur mit der heutigen Geschwin­digkeit Solarstrom zugebaut wird. Die Stimme des Volkes hat aber 2017 zu 59% der Energie­strategie zugestimmt. Wenn diese grosse Zahl an Kunden den Eindruck gewinnt, es geht nicht voran mit dem Umbau des Kraftwerks­parks der Schweiz, werden sie handeln, sobald die Strommarkt-Liberali­sierung für Endkunden erlaubt wird. Sie werden dann den Energieversorger beurteilen, ob er echte Fortschritte beim Aufbau der erneuerbaren Produktion gemacht hat, z.B. die Solarstrom­rücklie­ferung ins Netz monetär fair unterstützt. Sollte dies für den Kunden nicht glaubwürdig dargelegt sein, könnten neue Strom­lieferanten den Zuschlag erhalten – neue Player wie Umweltverbände, aber auch Detailhändler, Telekomfirmen oder Internet­konzerne. Der Markt und die Einschätzung des Endkunden wird es entscheiden.

Autor
Prof. Dr. Franz Baumgartner

ist Studien­gang­leiter Energie- und Umwelt­technik SoE an der ZHAW.

  • ZHAW, 8400 Winterthur

Tagung Energien der Zukunft

14. Mai 2019, Dietikon

Passend zum Umbau der elektrischen Erzeugung in der Schweiz wird an der Tagung der Zuwachs aller erneuerbaren Energie­quellen, aber auch des Verbrauchs analysiert und aufgezeigt, dass wir schneller erneuerbar zubauen müssen als aktuell, um Versor­gungs­lücken aus der AKW-Abschaltung zu decken und die Abhän­gigkeit von Strom­importen zu reduzieren.

Kommentare

Bitte rechnen Sie 6 plus 2.