Fachartikel Konventionelle Kraftwerke

Stilllegung des Kernkraftwerks Mühleberg

Ein sorgfältig geplantes Grossprojekt

14.12.2016

Als erste Betreiberin in der Schweiz hat die BKW den formalen Prozess eingeleitet, ein Kern-kraftwerk stillzulegen. Das Projekt ist seit dem Bau des Kernkraftwerkes nicht nur das grösste, das die BKW bisher angepackt hat, es hat auch Referenzcharakter für Branche, Politik und Behörden.

Die BKW hat im Oktober 2013 den unternehmerischen Entscheid gefällt, das Kernkraftwerk Mühleberg (KKM) Ende 2019 endgültig vom Netz zu nehmen. Am 18. Dezember 2015 hat sie das entsprechende Gesuch beim Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) eingereicht. Das Stilllegungsgesuch umfasst neben den rechtlichen Anträgen den Hauptbericht – das Stilllegungsprojekt – sowie drei Teilberichte: Störfallbetrachtungen und Notfallschutzmassnahmen, den Umweltverträglichkeitsbericht und den Bericht zur Sicherung.

Ab April 2016 wurde das Stilllegungsgesuch öffentlich aufgelegt. Betroffene Parteien hatten Gelegenheit, Stellung zu nehmen, einschliesslich der Nachbarkantone Freiburg, Neuenburg, Solothurn und Waadt. Die Aufsichtsbehörde – das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi) – unterzieht die eingereichten Unterlagen nun einer sicherheitstechnischen Prüfung und erstellt ein Gutachten zuhanden des Bundesamts für Energie (BFE), welches das Stilllegungsverfahren leitet.

In einem nächsten Schritt erteilt das Uvek, basierend auf dem Gutachten des Ensi und den eingegangenen Stellungnahmen, die Stilllegungsverfügung. Diese wird voraussichtlich Mitte 2018 vorliegen. Darauf basierend hat die BKW angekündigt, dass das KKM voraussichtlich am 20. Dezember 2019 den Leistungsbetrieb einstellt. Danach beginnt die Vorbereitung für den Rückbau.

Zum heutigen Zeitpunkt befindet sich das Projekt Stilllegung KKM in der Planungs- und Vorbereitungsphase. Die endgültige Einstellung des Leistungsbetriebs (EELB) kennzeichnet den Beginn der Stilllegung im weiteren Sinn und ist für 2019 anberaumt (Bild 1).

Technischer Nachbetrieb

Unmittelbar nach der endgültigen Einstellung des Leistungsbetriebs (Bild  2a) wird der sogenannte Technische Nachbetrieb etabliert. Dies beinhaltet im Wesentlichen folgende Massnahmen:

  • Entladen des Reaktordruckbehälters (Verlagerung der Brennelemente in das Brennelementlagerbecken).
  • Einrichten einer autarken redundanten Brennelementlagerbeckenkühlung.
  • Ausserbetriebnahme der mit der EELB nicht mehr erforderlichen Systeme.

Diese erste Arbeitsphase endet mit der nicht reversiblen Endgültigen Ausserbetriebnahme (EABN) des KKM (Bild  2b).

Parallel zur Etablierung des Technischen Nachbetriebs beginnen die vorbereitenden Massnahmen für den direkten Rückbau. Diese umfassen u.a. die Demontage von grösseren Einzelkomponenten im Maschinenhaus sowie das Räumen des Maschinenhauses, um Arbeitsflächen für die Behandlung radioaktiver Materialien aus dem Rückbau zu schaffen.

Die einzelnen Arbeitspakete werden unter Einhaltung aller Sicherheitsvorgaben und ohne Rückwirkung auf die Massnahmen zur Etablierung des Technischen Nachbetriebs durchgeführt. Die vorbereitenden Massnahmen zählen nicht zu den eigentlichen Stilllegungsarbeiten. Ein Grossteil der geplanten Arbeiten an den Systemen und Komponenten im Maschinenhaus wurde bereits im Rahmen des Leistungsbetriebs durchgeführt.

Anknüpfend an den technischen Nachbetrieb beginnen die eigentlichen Stilllegungsarbeiten innerhalb der durch das Uvek zu erteilenden Stilllegungsverfügung.

Die drei Stilllegungsphasen

Die Stilllegungsarbeiten des KKM werden in drei Stilllegungsphasen durchgeführt (Bild  1), die sich am kontinuierlich abnehmenden radiologischen Gefährdungspotenzial orientieren, das hauptsächlich mit dem Entfernen des Kernbrennstoffs aus der Anlage minimiert wird. Während der gesamten Stilllegung gelten die gleich strengen gesetzlichen Anforderungen und Abgabelimiten wie während des Leistungsbetriebs, sodass der Schutz von Mensch und Umwelt zu jeder Zeit sichergestellt ist.

Erste Phase

Die erste Stilllegungsphase umfasst u.a. Demontagen von aktivierten Bauteilen und von mit der EABN obsolet gewordenen Einrichtungen im Reaktorgebäude. Zudem wird im Maschinenhaus die Infrastruktur für die Materialbehandlung eingerichtet und in Betrieb genommen. Die Hauptarbeiten in dieser Phase sind:

  • Abtransport der abgebrannten Brennelemente in das Zwischenlager Würenlingen
  • Demontage des Torus
  • Demontage der Kerneinbauten
  • Aufbau der Materialbehandlung im ehemaligen Maschinenhaus
  • Weiterführung der Demontagen im Maschinenhaus und Beginn der Gebäudedekontamination

Die erste Stilllegungsphase ist mit der kompletten Entfernung des Kernbrennstoffs vom Areal des KKM abgeschlossen.

Zweite Phase

In der zweiten Stilllegungsphase erfolgen grossflächig die Demontage und die Zerlegung aller Einrichtungen in der Kontrollierten Zone mit thermischen und mechanischen Zerlegeverfahren sowie die Dekontamination und Behandlung von Materialien. Zur Dekontamination werden meist mechanische Verfahren angewendet.

Wesentliche Arbeiten im Reaktorgebäude sind in dieser Phase die Demontage des Reaktordruckbehälters, des Biologischen Schilds und der Einbauten des Drywell. Zudem werden alle Systeme aus dem Reaktorgebäude entfernt, z.B. die Frischdampf- und Speisewasserleitungen, der Stahlliner des Drywell oder die Systeme zur Reaktorreinigung. Im Maschinenhaus findet die Bearbeitung und Behandlung der Materialien aus dem Rückbau statt. Auch in Nebengebäuden werden sämtliche Systeme demontiert.

Die Materialbehandlung bezweckt, möglichst viele Materialien unter vertretbarem Aufwand so weit zu dekontaminieren, dass sie radiologisch freigemessen und in den konventionellen Kreislauf freigegeben werden können. Ist eine Behandlung zur Freimessung nicht oder nicht unter vertretbarem Aufwand möglich, werden die Materialien als radioaktive Abfälle den gesetzlichen Vorgaben entsprechend entsorgt.

Parallel zu Demontage, Materialbehandlung und Entsorgung werden die Systeme, die zur Gewährleistung der Sicherheit und zur Aufrechterhaltung der operativen Tätigkeiten in der Stilllegung noch benötigt werden, den Anforderungen entsprechend weiterhin betrieben. Die Systeme, die für die Aufrechterhaltung des technischen Nach- und Rückbaubetriebs nicht benötigt werden, werden ausser Betrieb genommen. Die Reduktion und Vereinfachung komplexer Systeme erhöht die Anlagensicherheit weiter.

Weitere Arbeiten in dieser Phase sind die Durchführung radiologischer Messungen der Materialien und Gebäudestrukturen zur Überprüfung und Sicherstellung ihrer radiologischen Unbedenklichkeit für Mensch und Umwelt sowie die Entsorgung radioaktiver und konventioneller Abfälle.

Mit Ende der zweiten Stilllegungsphase werden die Einrichtungen zur Materialbehandlung aufgelöst und ebenfalls demontiert. Die Phase gilt mit erfolgter Freimessung der Gebäude als beendet.

Dritte Phase

Die dritte Stilllegungsphase beginnt nach der Freimessung / Aufhebung der Kontrollierten Zonen auf dem Areal. Sie endet mit der Feststellung der Behörde, dass die Anlage keine radiologische Gefahrenquelle mehr darstellt und dass keine Ereignisse auftreten, die eine erhöhte Radioaktivität in der Umwelt bewirken können (Bild  3). Nach dieser Feststellung beginnt der konventionelle Rückbau des KKM.

Radioaktive Abfälle entsorgen

Eine grosse Bedeutung während der Stilllegung wird ebenfalls der Entsorgung radioaktiver Abfälle und dem radiologischen Schutz zugemessen (Bild  4).

Der sichere Umgang, Transport und die Lagerung von radioaktiven Materialien im Zwischenlager in Würenlingen werden analog zum Leistungsbetrieb durchgeführt. Oberstes Ziel ist eine sichere und zügige Durchführung der Transporte von radioaktiven Abfällen und Kernbrennstoffen gemäss der bestehenden betrieblichen Prozesse.

Bei der Stilllegung wird der Schutz von Mensch und Umwelt vor ionisierender Strahlung jederzeit durch adäquate Massnahmen sichergestellt. Diese umfassen u.a. Massnahmen zur Strahlendosisreduktion wie Abschirmung und Dekontamination, Massnahmen zur Vermeidung von Kontamination und Inkorporation, die Personenüberwachung durch Messungen und Kontrollen sowie Massnahmen zur Vermeidung von Kontaminationsverschleppung. Die Einhaltung der Strahlenschutzziele zur Limitierung von Strahlenexposition sowie die Einhaltung von Dosisgrenz- und Richtwerten werden in der Stilllegung stets gewährleistet.

Ein Pionierprojekt

Mit der Stilllegung des Kernkraftwerks Mühleberg, die erste dieser Art in der Schweiz, erbringt die BKW eine Pionierleistung. Damit folgt sie ihrer Strategie, zur führenden Energie- und Infrastrukturdienstleisterin der Schweiz zu werden. Und sie unterstützt damit die Energiestrategie des Bundes für eine sichere und nachhaltige Energiezukunft.

Autor
Stefan Klute

ist Gesamtprojektleiter der KKM-Stilllegung bei BKW.

Meilensteine

Stilllegung des KKW Mühleberg

• 2019:  Endgültige Einstellung des Leistungsbetriebs
• 2020:  Endgültige Ausserbetriebnahme
• 2024:  Kernbrennstofffreiheit
• 2030:  Freimessung / Aufhebung der Kontrollierten Zonen.

2031 soll das Verfahren der Stilllegung mit der behördlichen Feststellung abgeschlossen sein, dass das KKM keine radiologische Gefahrenquelle mehr darstellt.

Die Stilllegungsarbeiten finden vornehmlich im Inneren der Gebäude statt, sodass sich das äussere Erscheinungsbild des KKM nur unmerklich ändert.

Der konventionelle Abbruch erfolgt in einem zweiten und abschliessenden Verfahren, das an das nukleare Verfahren anschliesst. Es umfasst die Dauer, bis die Voraussetzungen für eine allfällige naturnahe oder gewerblich-industrielle Nachnutzung des Kraftwerksgeländes geschaffen sind. Das konventionelle Verfahren der Stilllegung wird erst in rund 10 Jahren beantragt.

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