Stille Intelligenz: IoT im Einsatz
Entwicklungen und Herausforderungen
Aus dem Alltag ist das Internet der Dinge kaum wegzudenken. Auch in der Energieversorgung ist die Technologie in vielen Anwendungen wie der Messtechnik weiter auf dem Vormarsch.
Der Blick in eine beliebige Alltagsumgebung verrät es: Wir leben im Zeitalter der verteilten und allgegenwärtigen Intelligenz. Im Jahr 2021 verfügte der US-amerikanische Durchschnittshaushalt über 25 elektronische Geräte [1]. Die meisten dieser Geräte sind Teil des Internets der Dinge, auch als Internet of Things (IoT) bekannt. Doch was ist das IoT genau, wie ist der heutige Stand der Technik und welche Rolle spielt es in der Energieversorgung?
Aus technischer Sicht umfasst ein IoT-Gerät einen Prozessor, einen Zeitgeber, einen Datenspeicher, eine Kommunikationseinheit und einen Sensor und/oder Aktor. Die konkrete Ausführung richtet sich nach den Anforderungen der Anwendung, etwa an die Sensorgenauigkeit, den tolerierten Jitter des Zeitgebers, die Prozessorleistung oder etwaige Maximalwerte für Volumen und Energiebedarf. IoT-Geräte werden auch als Feldknoten oder Edge Nodes bezeichnet. Über eine Netzwerkverbindung erfolgt die Kommunikation von Mess- und Steuerdaten mit der jeweiligen Anwendungssoftware. Diese kann sich vor Ort auf einem sogenannten Edge Computing Device befinden oder etwa in einem Rechenzentrum eines Cloud-Dienstes. Das IoT besteht also nicht aus einem einzigen System, sondern aus mehreren Netzwerken, die sich in Datenprotokoll, Kommunikationsweg und -geschwindigkeit teilweise signifikant unterscheiden.
Entwicklungsgeschichte
Als erstes bekanntes IoT-Gerät gilt eine Cola-Maschine der Carnegie Mellon University in den USA. Um unnötige Wege durch das Gebäude zu einem leeren oder gar mit lauwarmem Inhalt gefüllten Automaten zu vermeiden, rüsteten Studenten das Gerät 1982 mit Sensorik sowie einem Arpanet-Anschluss aus [2].
Die Vision des verteilten Rechnens in grösserem Ausmass entstand rund zehn Jahre später. Der amerikanische Computerwissenschaftler Mark Weiser sah nach dem Schritt vom Grossrechner zum Personal Computer den Beginn einer dritten Computerära [3]. Computer würden in ihrer Grösse an die Aufgabe angepasst variieren und weitestgehend mit der Umgebung verschmelzen. Ohne Aufmerksamkeit zu erregen oder zu benötigen, würden sie Informationen sammeln und mittels Kommunikationsnetzen zur Unterstützung von Prozessen zur Verfügung stellen. Diese Art des Computings wurde auch als stilles oder ubiquitäres Computing bezeichnet. Mit der steigenden Verbreitung des Internets setzte sich der Begriff «Internet der Dinge» durch. Etwa zeitgleich begannen in den USA im Auftrag der Defense Advanced Research Projects Agency (Darpa) mit «Smart Dust» und «Energy Harvesting» zwei ambitionierte Forschungsprojekte: die Entwicklung drahtloser Sensorknoten mit einem Maximalvolumen von 1 mm3 und eine vollständig autarke Energieversorgung drahtloser Sensorik über die Umgebungsenergie. Anders als in den weitestgehend verkabelten Anwendungen der Energiebranche wird in diesem Bereich der Sensor- und Computertechnik bis heute um jedes Bit und jedes Joule gekämpft.
Gemeinsam mit den Fortschritten in der Mikrosystemtechnik erzielten die bald weltweiten Forschungsarbeiten rasante und immer wieder abenteuerliche Fortschritte. So gelang die Entwicklung des sparsamsten Prozessors der Welt mit einem Energiebedarf von wenigen Picojoule [4], die Entwicklung von intelligenten Fussböden und Schuhen, die Bewegungsenergie zum Betrieb von IoT-Geräten nutzen, und das junge Feld der Hocheffizienzphotovoltaik für Innenräume und miniaturisierte Systeme entstand. Tatsächlich sind die oben genannten Forschungsziele inzwischen alle erreicht worden. Der kleinste Computer der Welt, der Michigan Micro Mote M3, hat ein Volumen von rund 1 mm3, ist mittels eines speziellen Photovoltaikmoduls energieautark und kann Messungen durchführen und versenden. Das Bild unten zeigt den M3 im Einsatz in der biologischen Feldforschung [5].
Lange bedeutete der massenhafte Einsatz von IoT-Geräten aufwendige und individuelle Datenauswertungen, die zudem rasch an die Grenzen sinnvoll vertretbarer Rechenkapazitäten kamen. Die vereinfachte Verfügbarkeit von Massendatenverarbeitung im Rahmen der Entwicklungen von Clouddiensten, Maschinenlernen und Künstlicher Intelligenz stellt für das IoT einen Technologieschub dar, an dessen Anfang wir erst stehen.
IoT in der Energiewelt
Im Energiebereich wie auch im breiten industriellen und gesellschaftlichen Umfeld standen lange die Entwicklungen in der Kommunikationstechnik im Vordergrund, allen voran die zunehmende Verfügbarkeit von Internet und Mobilfunktechnologien. Die Vernetzung machte ein neues Betriebskonzept möglich: das intelligent gesteuerte Netz, auch als Smart Grid bekannt. Schon einfache Umsetzungen bedingen Informationen über Energiemengen und deren Handelszeitpunkt und -ort und setzen damit in der Regel auf IoT-Technik. Anwendungen wie Smart Homes und Elektromobilität benötigen Sensorik und Aktorik, die via Smartphone, Computer oder auch Drittanbieter gesteuert werden. Diese Systeme sollen im Rahmen des Smart Grids langfristig mit den Systemen der Energieversorgungsunternehmen (EVU) vereint werden und sind es physikalisch bereits über den bezogenen Strom. Das Internet der Dinge ist also ein fester Bestandteil unserer Energieversorgung.
Anders als gerade beim Smart Grid oft schematisch dargestellt, erfordern individuelle Aufgaben zumeist individuelle IoT-Lösungen. Beispielsweise ist die Vernetzung von Smart-Home-Systemen im Kontext von Steueraufgaben durch ein EVU technisch wie regulatorisch komplex. So gelten für die eingesetzte Messtechnik an der Handelsschnittstelle zum Kunden andere gesetzliche Vorgaben hinsichtlich Sicherheit und Genauigkeit als für Technik im privaten Einsatz. Ebenso unterliegen Datenflüsse den Vorgaben des Unbundlings und können so durchaus eigene Messtechnik nötig machen. Es besteht also eine Vielfalt von Technologielösungen und -generationen, die nebeneinander betrieben werden.
Einsatzgebiete
Beispiele von IoT-Systemen im Energiebereich umfassen Smart Meter, Drohnen- und Satellitensysteme zum Einsatz in Assetmanagement und Betrieb, GPS-gestützte Lösungen in Logistik, Dispatching und Flottenführung, meteorologische Sensorik in der Überwachung und Steuerung von Photovoltaik- und Windkraftanlagen oder Videokameras im Sicherheitsbereich. Im Bürobereich findet sich IoT-Technik in elektronischen Zutrittssystemen, intelligenten Kaffeemaschinen und Getränkeautomaten, Smartphones und Smartwatches. Im privaten Bereich sind typische Beispiele Sprachassistenten wie Alexa, intelligente Zutrittssysteme und Überwachungstechnik, Roboter in Haushalt und Garten sowie Anlagen der Prosumertechnik. Moderne Fahrzeuge setzen eine Vielzahl von IoT-Geräten in Routenführung, Fehlerdiagnostik, Wartung und Fahrassistenz ein.
Fragen der Sicherheit
Über gemeinsam genutzte Schnittstellen von verschiedenen IoT-Systemen sind verschiedene Netzwerke verbunden. Diese Vermaschung von IoT- und anderen Computersystemen ist nur mit bewusstem Aufwand vermeidbar. Werden etwa Smartphones und Smartwatches sowohl im Betriebskontext als auch im privaten Bereich genutzt, gibt es eine Schnittstelle zwischen den Systemen des EVU und privaten Systemen. Gerade diese Vermaschungen sind es, die IoT-Systeme aus Sicht von Angreifern im Cyberraum so attraktiv machen. So demonstrierten Sicherheitsforscher die Steuerung eines Smart Homes mittels eines von aussen gehackten intelligenten Fernsehers. Umgekehrt wurden vielfach Mailprogramme als Eintrittspforte in die physische Welt genutzt, um Steuerungen zu manipulieren oder zu verschlüsseln.
Verschärft wird diese Ausgangslage durch das sogenannte Internet of Forgotten Things (IoFT): Viele IoT-Geräte sind schon lange in Betrieb. Einige sind Bestandsgeräte mit nachgerüsteter Kommunikationstechnik, die damit teilweise unbeabsichtigt zum IoT-System geworden sind. Zudem verfügen Geräte erster Generationen oft nicht über die Möglichkeit, sichere Passwörter nach aktuellen Standards, Zweifaktor-Authentifikation oder Benutzermanagement umzusetzen. Entsprechend gross ist inzwischen der weltweite Bestand unzureichend geschützer IoT-Systeme.
Die Abgrenzung zwischen der sogenannten Operational Technology (OT), IoT und klassischer Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) ist dabei nicht immer trivial. Aus Sicht der Informationssicherheit ist es einfach: Alles mit einer Kommunikationsadresse und einem Prozessor unterliegt einem entsprechenden Schutzbedarf und muss laufend aktuell inventarisiert sein. Der Schutz von IoT-Geräten selbst neuster Generation stellt die technische sowie die regulatorische Welt vor eine der grössten Herausforderungen unserer Zeit. Aus Sicht von Energieversorgern stehen hier besonders Bestände erster Generationen des IoT im Vordergrund sowie die für den Energiebereich typischen langen Betriebszeiten von Geräten. Dies sind Zeiträume, in denen Technologie altert und damit eine zunehmende Wahrscheinlichkeit für Schwachstellen aufweist. Weiter gilt es, die steigende Gewichtung von faktisch mit den Infrastrukturen von Energieversorgern vernetzten, privat betriebenen Elementen regulatorisch und sicherheitstechnisch ausreichend abzudecken.
Grundsätzlich erzeugt jede Erhebung, Kommunikation und Speicherung von Information einen potenziellen Schutzbedarf und kostet Energie. Die aktuelle Frage des IoT ist weniger die Machbarkeit von Lösungen, sondern der intelligente Einsatz der Technik. Gleichzeitig gilt es, den Nachholbedarf in der Sicherung auch bereits installierter Systeme sowie hinsichtlich der regulatorischen Rahmenbedingungen abzudecken. Erste Entwicklungen in diese Richtung umfassen den Cybersecurity Improvement Act 2022 in den USA oder die IoT-Zertifizierung des deutschen BSI.
Längst stehen die nächsten Generationen von IoT-Systemen in den Startlöchern, z. B. mit der Erforschung von «neuronalem Staub», in dem mit Computern vernetzte Insekten als Drohnenschwärme Rechenoperationen durchführen. Die nächste Herausforderung des IoT wird sein, dieses zum Nutzen aller in die Gesellschaft zu implementieren und rechtzeitig die richtigen Betriebsvoraussetzungen auch regulatorischer Art zu schaffen.
Referenzen
[1] www.reuters.com/technology/smart-devices-get-pandemic-boost-us-households-deloitte-survey-2021-06-09.
[2] www.cs.cmu.edu/~coke.
[3] M. Weiser, «The computer for the 21st Century», Scientific American, 265(3), pp. 75–84, 1991.
[4] M. Seok et al., «The Phoenix Processor: A 30 pW Platform for Sensor Applications», IEEE Symposium on VLSI Circuits (VLSI-Symp), Invited Paper to the IEEE Journal of Solid-State Circuits (JSSC), Special Issue on VLSI Circuits, pp. 188–189, 2008.
[5] C.S. Bick, I. Lee, T. Coote et al., «Millimeter-sized smart sensors reveal that a solar refuge protects tree snail Partula hyalina from extirpation», Commun. Biol. 4, 744, 2021.
Kommentare