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Statische Umrichter für 50-Hz-Bahnen

Merkmale und Einsatz

02.06.2020

Die Nachteile, die sich bei der Versorgung von 50-Hz-Bahnen aus den Landesnetzen mittels Einphasen-Umspannern ergeben, können mit statischen Phasenwandlern vermieden werden. Zudem spart man damit Energie. Die Investitionen für Einzelanlagen sind noch hoch, relativieren sich jedoch bei genauem Vergleich. Erste Anlagen sind in Betrieb und weitere bestellt.

Für die ersten Fernbahn­elektrifizie­rungen Anfang des 20. Jahrhunderts brauchte es mangels flächen­deckender Stromversorgung eigene Komplettsysteme, um die einpoligen Ober­leitungs­netze mit Gleich­spannung zu betreiben, oder wie in den zentral- und nordeuropäischen Ländern mit Einphasen-Wechsel­spannung von motorbedingt niedriger Frequenz. Als dann für die öffentliche Versorgung fast weltweit 50 Hz als Frequenz festgelegt war [1] und Drehstrom-Landesnetze entstanden, probierte man auch den Bahnbetrieb mit Einphasen­spannung 50 Hz. Problemstellen waren dabei der Netzanschluss und die Fahrzeug-Antriebstechnik. Für Letztere wurde Standard, die einphasigen Grössen der Oberleitung blind­leistungs­frei abzunehmen oder zu übergeben und sie auf den Traktionsmitteln dreiphasig oder umgekehrt umzuwandeln.

Umspanner netzseitig

Umspanner sind passiv und müssen Wirk- und Blindleistung so übertragen, wie Spannungen, Impedanzen und ihre Übersetzung es wollen. Weil es zum Netz keinen Bypass via Oberleitung geben darf, muss man 50-Hz-Bahnen als aufgetrennte Inselnetze betreiben. Für alle Umspann­werke ist also ihre Maximalleistung beim jeweiligen Netzbetreiber zu bestellen; wenn diese durch Betriebs­umstände überschritten wird, kann es Pönalen kosten.

Das gilt auch für ihren frequenzbedingt hohen Blindleistungs­bedarf bis zum Strom­abnehmer, weil die Umspanner wegen der häufigen Oberleitungs­kurzschlüsse sehr weich sind und weil der Stromkreis Oberleitung – Gleis einen hohen Reaktanzbelag hat.

Weil ein Einphasen-Umspanner nur an zwei Phasen des Drehstrom­netzes hängen kann, belastet er dieses ungleichmässig. Je nach dessen Kurzschluss­impedanz macht das seine drei Spannungen mehr oder weniger unsymmetrisch. Das kann lästig oder sogar schädlich für andere Betriebsmittel am Netz sein, darf deshalb einen bestimmten Grad nicht übersteigen und kann Zusatzentgelt kosten. Dabei ist besonders unangenehm, dass Bahnlasten – heute nicht selten um 10 MW je Zug – oft mit steilen Gradienten wechseln, so beim Übergang von starker Steigung in starkes Gefälle und besonders bei Gefahrenbremsung. Darum begrenzen in vielen Ländern die Netzbetreiber das Rückspeisen von Bremsleistung oder erlauben es gar nicht. Wenn diese dann nicht im bahneigenen Inselnetz nutzbar ist, verpufft ihr Energiesparpotenzial.

Im Laufe der Jahrzehnte gab es allerlei Symmetrier­schaltungen aus passiven Bauteilen, die aber meist nur begrenzt wirkten. Standard wurde, die Bahnumspannwerke einer Strecke oder einer Region zyklisch wechselnd an Phasenpaare des Landesnetzes zu schalten – ein weiterer Grund für aufgetrennte Oberleitungsnetze.

Weil starke Netze unempfindlicher gegen die sogenannte Schieflast sind, hängt man die Bahnumspannwerke oft an höhere Spannung als für ihre Leistung nötig wäre, vielfach an 400 kV. Das vergrössert und verteuert Grundstücke, Zuleitungen und Schaltanlagen enorm und erzeugt Akzeptanzprobleme. Konzentrierte Werke hoher Leistung in grösseren Abständen verringern die Zahl solcher Fälle, erfordern jedoch das zweipolige Autotransformatorsystem entlang der Strecke.

Je nach der einzuhaltenden Spannungsqualität sind am Anschlusspunkt auch steuerbare Symmetrier- und Kompensationsanlagen zu bauen, manche sogar mit eigenem Netzanschluss und -umspanner. Der Aufwand dafür kommt dem für Vollumrichter nahe.

Umspanner bahnseitig

Wegen der Inselspeisung müssen die Betriebsmittel aller Umspannwerke für ihre Maximalleistung bemessen werden, für Umspanner allgemein eine Kurzzeitleistung. Auch sind je nach verlangter Verfügbarkeit bis zu 100% Reserven aufzustellen. Oft werden heute schon die Umspanner eines Werkes an verschiedene Phasenpaare des Netzes geschaltet, was dann strengste Vorsichtsmassnahmen erfordert.

 

An der Bahn-Sammelschiene wirkt sich nicht nur der belastungsabhängige Spannungsfall im Umspanner aus, sondern auch jede allfällige Spannungsschwankung im Netz. Stufensteller können das nicht im Minutentakt korrigieren. Umgekehrt muss die Übersetzung so eingestellt sein, dass die Bahnspannung ihren zulässigen Höchstwert auch bei zeitweise hoher Netzspannung nicht übersteigt. Weiterer Spannungsfall entsteht auf den Oberleitungen durch die Impedanz bei 50 Hz und die hohen Stromstärken der einseitigen Speisung, mit entsprechenden Übertragungsverlusten. Zum Teil lässt sich das durch Rückleiterseile, Verstärkungsseile oder beides mildern. Noch günstiger wirkt hier das Autotransformatorsystem. Spannung führende Seile, die aussen an den Oberleitungsmasten hängen, brauchen dort einen Schutzstreifen.

Die Oberleitungstrennstellen zwischen und vor den Umspannwerken sind zunehmend komplizierte und wartungsanfällige Konstruktionen. Die Züge müssen sie abgeschaltet durchfahren, was bei hohen Ansprüchen technische Überwachung und automatische Zugbeeinflussung verlangt. Auf Schnellfahrstrecken kommt das bei 300 km/h etwa alle 5 min vor, so dass die Traktionsmittel hier zusätzlich eine Widerstandsbremse brauchen. Während des Leerlaufs verzögert der Luftwiderstand die Züge merklich, was mit der geringen Restzugkraft nur mühsam wieder aufzuholen ist.

Umfeld bei Umspannern

Zur elektromagnetischen Beeinflussung, die bei 50 Hz schon prinzipiell höher ist als bei niedriger Bahnfrequenz, gilt für eine zu untersuchende Stelle an der Strecke: Ein vom Umspannwerk her gekommener Zug nimmt seinen Strom nach der Vorbeifahrt immer in voller Höhe bis zur Trennstelle mit sich, also bis viele Minuten lang, und umgekehrt. Etwaige Einflüsse zu mindern, kann wieder Rückleiterseile an den Masten erfordern, fallweise sogar mit Saugtransformatoren in regelmässigem Abstand entlang der Strecke.

Umrichter netzseitig

Statische Umrichter entkoppeln die beiden Netze vollständig und wandeln wie Traktionsumrichter dreiphasige Grössen in einphasige um und umgekehrt. Sie lassen sich dabei in allen vier Quadranten beliebig steuern und regeln, das heisst freigeben, begrenzen oder sperren.

Das Schieflastproblem verschwindet und Zusatzentgelt dafür entfällt, denn das Netz wird ohne Zusatzanlage nur symmetrisch belastet. Daraus resultiert hier der grösste Vorteil: Man muss nicht mehr an eine unnötig hohe Spannung gehen. Je niedriger diese ist, desto dichter sind die Netze vermascht. Das kann bis zur Mittelspannung gehen und Innenraumanlagen ermöglichen – die Investitionen und Schwierigkeiten für den Netzanschluss schrumpfen dann.

Die netzseitige Blindleistung ist auch ohne besondere Anlage nicht nur kompensierbar, sondern beliebig und dynamisch einstellbar. Bahnumrichter können den Netzen Servicedienste leisten und schwache stützen, Entgelt entfällt oder kehrt sich um.

Umrichter bahnseitig

Umrichter übernehmen nicht nur die Blind­leistung des Oberleitungs­netzes, sondern können die Sammel­schienen­spannung aktiv regeln, zum Beispiel unabhängig von der Netzspannung und dem Spannungsfall im Netz­umspanner konstant auf den zulässigen Höchstwert. Das senkt die Stromstärken, verringert die Verluste in der Oberleitung oder vermeidet grössere Querschnitte oder erlaubt grössere Abstände zwischen den Werken, braucht bei Langstrecken also weniger Werke. Das teure Autotrans­formator­system mit dem besonderen Schutzstreifen wird unnötig.

Umrichter sind nur bis zur Bemes­sungs­stromstärke belastbar. Diese muss also eine verlangte Kurzzeitleistung abdecken, während das Kühlsystem dafür seine Zeitkonstante einsetzen kann. Sie begrenzen den Kurzschluss­strom im Oberleitungsnetz, was dort geringere Schäden gibt und ein weniger hoch­stromfestes Kettenwerk erlauben kann.

Umrichter können den Abfluss von Bremsleistung ins Netz begrenzen oder sperren, wenn der Kontrakt es so will oder wenn sie gleich wieder als Traktions- oder Komfortleistung nutzbar ist.

Bahnseitig ist der grösste Vorteil, dass man die Oberleitungen zwischen Nachbarwerken durchschalten und diese kontrolliert parallel betreiben kann. Dadurch lassen sie sich niedriger bemessen und kommen mit weniger Redundanz aus; auch sinkt die je Werk zu bestellende Leistung.

Die zweiseitige Speisung der Strecken hebt das Spannungs­niveau weiter und verringert die Verluste noch mehr. Sie ermöglicht ein aktives Lastmana­gement durch Verschieben des Bezugs unter den Werken, zum Beispiel bei Betriebs­störungen oder nach Tarifen. Die lästigen Trennstellen sind entbehrlich.

Das Durchschalten verbessert die Chancen deutlich, die Bremsenergie selbst zu nutzen.

Umfeld bei Umrichtern

Eine stabilere Oberleitungs­spannung senkt allgemein die Stromstärken. Bei zweiseitiger Speisung fliesst nur nahe den Einspeisestellen der Maximalstrom und auch das nur kurzzeitig, was zeitgemittelt geringere Stromstärken und damit weniger Beeinflussung bedeutet. Das kann Schutz­massnahmen wie Saugtrans­formatoren ersparen.

Ob Netzfilter gebraucht werden, richtet sich nach dem Herstellerkonzept und den Netzdaten.

Nachteile

Obwohl es in Europa seit 45 Jahren die Frequenz­wandlung mit Umrichtern gibt, die stets auch Phasen­wandlung ist, trifft Letztere bei 50-Hz-Bahnen auf Einwände, sie sei kompliziert und teuer. Solche Vorbehalte gibt es bei vielen Neuerungen; wo sie hier auftreten, fährt man aber vielleicht schon längst mit Umrichter­traktion.

Die Inbetriebnahme und dabei besonders Verträglich­keits­nachweise wie zur Bahn-Leit- und Sicherungs­technik sind in der Tat aufwendiger. Im Verbund mit Umspannern oder weiteren Umrichtern – noch dazu von verschiedenen Herstellern – können auch Vorgänge wie Resonanz oder Leistungs­pendeln auftreten, die es bisher bei 50-Hz-Bahnen nicht gab. Die Erfahrungs­berichte zu den ersten Anlagen sagen dazu, dass mit verschiedenen Regelungsarten alle Betriebsarten zuverlässig beherrschbar sind. Auch Betriebs­führung und Instandhaltung werden für die Bahn anspruchsvoller, besonders die Fehlersuche und -behandlung, und erfordern andere Personal­qualifika­tionen als bisher.

Die Anfangs­investitionen umfassen neu den Umrichter mit Kühlung, je nach Hersteller eventuell noch einen bahnseitigen Umspanner sowie geänderten oder neuen Netzschutz für die Fehler­erfassung, besonders bei Durchschaltung. Leistungs- und Sekundärelektronik haben kürzere Nutzungs­zeiten als passive Komponenten; allerdings bringen neue Generationen meist auch Fortschritte bei Bauweise, Funktion und Wirkungsgrad. Wichtig ist, dass Vergleichsvarianten alles berücksichtigen wie Hoch- oder Höchst­spannungs­anschluss, dynamische Symmetrierung/Kompensation, Autotrans­formator­system und Oberleitung mit Zusatzleiter.

Bisher werden auch nur Einzel­anlagen verhandelt. Bei grösseren Stückzahlen wird es günstiger werden – der Weltmarkt dafür ist riesig und wächst noch ständig.

Bei Betriebskosten und Energiebilanz kommen Verluste im Umrichter und fallweise im Sekundär­umspanner hinzu, dafür gibt es keine in Symmetrier-/Kompen­sations­anlagen und Autotrans­forma­toren sowie viel geringere in den Oberleitungen. Vor allem aber lässt sich die Bremsenergie mit je nach Betriebsart und Topografie 10% bis 30% der aufgenom­menen Traktionsenergie maximal nutzen.

Stand und Aussichten

Soweit in der deutschsprachigen Literatur erkennbar, wurde der Einsatz von Umrichtern zur vorteilhaften Versorgung von 50-Hz-Bahnen erstmals in [2] vorgeschlagen. Es brauchte aber noch 30 Jahre, bis GE Power Ende 2014 den weltweit ersten Auftrag mit 2 x 8 MVA Nenn- und 2 x 19 MVA Maximalleistung über 10 Min. für eine Kohleabfuhrbahn in Central Queensland (AU) erledigte. Das Konzept überzeugte dort offenbar, denn der Hersteller lieferte direkt danach zwei weitere Anlagen à 15 MVA für das Regionalnetz Brisbane (Queensland, AU). ABB Power Grids folgte 2016 mit 1 x 20 MVA, hat zwei weitere Anlagen dort schon fertig montiert, seit Anfang 2020 eine Anlage mit 30 MVA in Doncaster (Potteric Carr, UK) in Betrieb und Auftrag für 2 x 2 Blöcke nach Tschechien. Als dritter europäischer Anbieter hat Siemens Mobility 2016 im Prüf- und Validationscenter Wegberg-Wildenrath zwei Umrichter à 15 MVA eingebaut und Aufträge für vier weitere nach UK im Hause. Interesse zeigen die Bahnen in Dänemark, Lettland, Litauen, der Slowakei und Indien.

In [3] bis [9] beschreiben Betreiber und Consultant oder Hersteller, teils auch gemeinsam, die Gründe für ihre Wahl sowie Aufbau, Funktion und insbesondere den Betrieb ihrer Anlagen.

Umrichter können bei schwachem Landesnetz eine Bahn­elektrifi­zierung überhaupt erst oder schon vorzeitig ermöglichen. Besonders geeignet sind sie bei Umstellungen von Gleich- auf Wechselspannung, wo bisher die Unsymmetrie kein Thema war. Alles Gesagte gilt natürlich auch für Bahnen in überseeischen Ländern mit der Landes­netzfrequenz 60 Hz.

Als Bahnfrequenz 50 Hz zu wählen, bedeutet stets, höhere Reaktanz Oberleitung – Gleis sowie höhere elektro­magnetische Beeinflus­sung und die daraus folgenden Konsequenzen in Kauf zu nehmen. Weil Umrichter jede Ausgangsfrequenz liefern können – die beiden Prüfcenter-Umrichter sind frequenz­umschaltbar –, können neu elektrifizierende Bahnen auch bei Versorgung aus dem Landesnetz die Vorteile der Niederfrequenz wie grössere Unterwerks­abstände und weniger EMV-Schutz­massnahmen wieder nutzen, also Investitionen sparen. Das bietet sich besonders dort an, wo eine Bahn durch ihre Spurweite sowieso schon autark ist, wie beispielsweise in Irland.

Referenzen

[1] Gerhard Neidhöfer, «Der Weg zur Normfrequenz 50 Hz», Bulletin SEV/VSE 17/2008), S. 29.

[2] Uwe Behmann, «Halbleiterstromrichter bei der Bahnstromversorgung», Elektrotechnische Zeitschrift 16/1984, S. 840.

[3] Axel Brandt, Christoph Saniter, Jörg Janning, «Bahnenergieumrichter 50 Hz/50 Hz», Elektrische Bahnen 4/2015, S. 198.

[4] Igor Perin, Simon Matthews-Frederick, Peter E. Nussey, Geoffrey R. Walker, «Statische Frequenzumrichter – erste Anwendung für 50 Hz/50 Hz», Elektrische Bahnen 8/2015, S. 392.

[5] Axel Brandt, Christoph Saniter, Marcus Kliemt, Jörg Janning, «Betriebsarten und Erfahrungen bei der Umrichterversorgung von 50-Hz-Bahnen», Elektrische Bahnen 6–7/2017, S. 396.

[6] Trevor Bagnall, Cosmin Banceanu, Thomas Schaad, «Static frequency converters – the Wulkuraka case», Elektrische Bahnen 6–7/2017, S. 407.

[7] Trevor Bagnall, Alan Buttery, «Managing the expansion of a 50 Hz Static Frequency Converter rail grid», Elektrische Bahnen 5/2019, S. 191.

[8] Stephen Leonard, Richard Ollerenshaw, Alexandra Wrightson, Russel Hargrave, «First static converter project in the United Kingdom at Doncaster», Elektrische Bahnen 6–7/2015, S. 332.

[9] Reiner Papp, Michael Walther, «Frequenzumrichter als Spannungsquellen für die Prüfung von Bahnfahrzeugen», Elektrische Bahnen 5/2019, S. 178.

Autor
Uwe Behmann

ist Fachjournalist und Redakteur der Zeitschrift eb – Elektrische Bahnen.

  • DE-66386 St. Ingbert



Autor
Dr. Thorsten Schütte

ist Privatdozent. Er war Senior-Spezialist bei verschiedenen Unternehmen der Elektro- und Eisenbahntechnik in Schweden.

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