Fachartikel Energienetze , Smart Grid

Sowohl Gefahr als auch Chance für EVUs

Microgrids für Eigenverbrauchsgemeinschaften

26.04.2018

Strom aus der eigenen Photovoltaik-Anlage ist wirtschaftlich attraktiv – besonders für grössere Überbauungen oder ganze Quartiere. Die klassischen Einnahmequellen von Energieversorgern geraten damit aber in Gefahr. Neues Wertschöpfungspotenzial bieten dafür digitalisierte Microgrids.

Seit Anfang 2018 dürfen sich mehrere Grundeigentümer zu Eigenverbrauchsgemeinschaften (EVG) zusammenschliessen und ihren eigenen Strom produzieren – ganz ohne Energieversorger. So sparen die lokalen «Mini-EWs» doppelt. Einerseits bezahlen sie weniger Abgaben und Steuern. Anderseits sparen sie bei den Netzentgelten. Beide Abgaben sind nämlich nur auf jenem Strom fällig, den sie aus dem öffentlichen Stromnetz beziehen. Je stärker sich eine EVG folglich selbst mit Strom versorgt, desto wirtschaftlicher wird dieser. Kurz: Der Strom-Eigenverbrauch ist am interessantesten für grössere Überbauungen oder ganze Quartiere. Nur: Was bedeutet dies für die lokalen Energieversorger (EVU)?

Finanzielle Einbussen bei EVUs

Für Energieversorger sind Eigenverbrauchsgemeinschaften zunächst einmal «bad news». Erstens schwindet der Stromabsatz. Zweitens erhalten sie weniger Netzentgelte. Und drittens wird es für EVUs schwieriger, den tatsächlichen Strombedarf der selbst produzierenden «Inseln» im Netz zu prognostizieren. Denn Speicher und eine intelligente Steuerung erlauben Load Shaving und Peak Shifting. Damit maximieren und optimieren EVG ihren Eigenverbrauch so weit als möglich. Bei einigen wenigen Eigenverbrauchsgemeinschaften im Netz leidet die Stabilität des Stromnetzes nur geringfügig. Was aber, wenn immer mehr solche «Black Boxes» im Netz eines EVU entstehen?

Energieversorger müssen diese Entwicklung genau beobachten. Denn Eigenverbrauchsgemeinschaften beeinflussen die altbewährten Einnahmequellen eines EVU – den Stromabsatz und den Netzbetrieb. Einige EVUs haben bereits reagiert und verkaufen Photovoltaik-Anlagen. Doch das Plus an einmaliger Serviceleistung wird nicht ausreichen, um die dauerhaften Verluste auszugleichen. Komplettlösungen sind eine Alternative. Sie umfassen Beratung, Planung, Umsetzung und Betrieb samt Unterhalt und Wartung solcher Photovoltaik-Anlagen. Einzelne EVUs bieten dies schon heute als Dienstleistung oder im Contracting-Modell an.

Digitalisierung als Basis

So oder so ist es für Energieversorger wichtig, dass Eigenverbrauchsgemeinschaften komplett digitalisiert sind. Nur so lässt sich deren Potenzial vollständig ausschöpfen. Dafür eignet sich ein digitalisiertes Microgrid. Es bietet ein Höchstmass an Flexibilität. Denn es kann eine Vielzahl verteilter Energieressourcen dynamisch verwalten und miteinander verbinden.
Wenn ein EVU eine Eigenverbrauchsgemeinschaft als digitalisiertes Microgrid umsetzt, profitiert es mehrfach: Die wichtigsten Daten der Energieerzeuger und -verbraucher sind in Echtzeit verfügbar. So können die Stromproduktion und deren Verbrauch intelligent gesteuert und prognostiziert werden. Dadurch verbessert das EVU die Stabilität seines Netzes. Zudem sammelt es schrittweise Erfahrungen mit einem Smart Grid. Des Weiteren ist das Angebot «Eigenverbrauchsgemeinschaft als Microgrid» eine neue Einnahmequelle. Damit kompensiert das EVU einen Teil seines Verlusts aus dem entgangenen Stromabsatz und den Netzentgelten.

Klassische Einnahmen smart ersetzen

Der Umbruch des Energiemarktes lässt sich nicht aufhalten. Eigenverbrauchsgemeinschaften schmälern die klassischen Einnahmequellen eines Energieversorgers: den Stromabsatz und die Netzentgelte. Wie schnell sich Eigenverbrauchsgemeinschaften künftig durchsetzen, ist schwierig zu prognostizieren. Klar ist aber, dass ihre Bedeutung zunimmt. Die Energiestrategie 2050 weist unmissverständlich den Weg dafür und die notwendige Technologie ist vorhanden.

EVUs tun deshalb gut daran, rasch neue Lösungsansätze zu entwickeln. Agiles Handeln ist jetzt unabdingbar. Denn neben den EVUs sind eine Vielzahl weiterer Dienstleister in den Startlöchern, um das Wertschöpfungspotenzial der Energieverbrauchsgemeinschaften zu realisieren. Der Schlüssel dazu sind digitalisierte Microgrids.

Autor
Simon Ryser

war General Manager von Schneider Electric (Schweiz) AG.

  • Schneider Electric (Schweiz) AG, 3063 Ittigen

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